ADAC und das Tempolimit Nichts gelernt

Ein Kommentar von Emil Nefzger
Bisher war ein Tempolimit auf Autobahnen für den ADAC undenkbar, jetzt will der Club sich aus dem Streit raushalten. Konkret heißt das - nichts.
Das Schild hat noch nicht ausgedient, denn der ADAC ist zwar nicht mehr gegen ein Tempolimit, aber auch nicht dafür

Das Schild hat noch nicht ausgedient, denn der ADAC ist zwar nicht mehr gegen ein Tempolimit, aber auch nicht dafür

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Florian Gaertner/ imago images

Jahrzehntelang verteidigte der ADAC seinen heiligen Gral mit eiserner Härte: einen schwarz umrandeten, weißen Kreis mit fünf diagonalen, schwarzen Linien. Nach diesem Schild hieß es endlich wieder "freie Fahrt für freie Bürger" und jeder konnte nach Herzenslust Gas geben. Mantrahaft wiederholte der ADAC, von Strecken ohne Tempolimit ginge keine höhere Gefahr aus.

Nun zieht sich der ADAC aus diesem Kampf zurück. "Die Diskussion um die Einführung eines allgemeinen Tempolimits auf Autobahnen wird emotional geführt und polarisiert bei den Mitgliedern", sagte ADAC-Vizepräsident Gerhard Hillebrand. "Deshalb legt sich der ADAC in der Frage aktuell nicht fest."

Die neue ADAC-Position hilft nur den Tempolimit-Gegnern

Die Diskussion unter den 21 Millionen Mitgliedern ist dem Klub offenbar zu heiß geworden. Jetzt fordert er eine umfassende Studie, um die Diskussion zu versachlichen. Eine Zeitenwende ist das nicht. Statt öffentlich gegen ein Tempolimit zu wettern, sagt der ADAC künftig nur einfach lieber gar nichts - und hilft damit doch nur wieder den Gegnern einer Geschwindigkeitsbeschränkung.

Denn es ist nicht nur bequemer, sich hinter der "emotionalen Diskussion" der Mitglieder zu verstecken, der ADAC ist in der Diskussion ums Tempolimit künftig fein raus: Mit dem Totschlagargument "Wir haben dazu keine Meinung, aber viele unserer rund 21 Millionen Mitglieder wollen das nicht" kann der Autofahrerklub das Thema in Zukunft elegant umfahren.

Mit dieser Verzögerungstaktik könnte der Club eine wichtige Diskussion zum Erliegen bringen - die obendrein auf der sachlichen Ebene, die dem ADAC angeblich so wichtig ist, längst entschieden ist.

Studien zeigen längst die Vorteile des Tempolimits

Denn auf 70 Prozent der deutschen Autobahnen gibt es keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Reduziert man auf solchen Abschnitten die erlaubte Höchstgeschwindigkeit, steigert das erwiesenermaßen die Sicherheit. Auf einem 62 Kilometer langen Abschnitt der A24 in Brandenburg durfte man bis Dezember 2002 fahren, was das Auto hergibt. Danach wurde Tempo 130 eingeführt. Die Auswirkungen der Maßnahme wurden in einer Studie  analysiert.

Mit eindeutigem Ergebnis: Die Zahl der Unfälle und der Getöteten halbierte sich, die Zahl der Verletzten sank um mehr als die Hälfte. Laut einer Erhebung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates aus dem Jahr 2016 kamen zwei Drittel der 185 Todesopfer bei Geschwindigkeitsunfällen in Abschnitten ohne Tempolimit ums Leben. Eine Datenanalyse des SPIEGEL zeigt, dass ein Tempolimit bis zu 140 Todesfälle im Jahr verhindern könnte.

Ebenso eindeutig sind auch die Mehrheitsverhältnisse. Gut zwei Drittel der Deutschen sind für eine verbindliche Höchstgeschwindigkeit, Uneinigkeit besteht lediglich in der Frage nach der Höhe der Obergrenze. 40 Prozent der Befragten sind für 130 Kilometer pro Stunde, 11,7 Prozent für mehr als 130, 11,2 für Tempo 120, für Tempo 110 oder weniger 2,5 beziehungsweise 1,7 Prozent. Nur ein Drittel ist grundsätzlich dagegen - die "emotionale Diskussion" geht also von einer lautstarken Minderheit aus.

Der ADAC sollte sich im Sinne seiner 21 Millionen Mitglieder endlich zum einzig richtigen Ziel bekennen: deren Leben bestmöglich zu schützen, und zwar mit einem Tempolimit.

Jeder Unfall ist einer zu viel

Deutschlands Straßen sind im internationalen Vergleich zwar relativ sicher, und das gilt insbesondere auch für die Autobahnen. 2019 starben nach vorläufigen Zahlen  der Bundesanstalt für Straßenwesen so wenige Menschen wie nie zuvor auf Deutschlands Straßen. Unfälle auf Autobahnen forderten demnach aber immer noch annähernd 350 Menschenleben. Diese Zahl muss weiter sinken. Angesichts von 350 Toten immer eine noch umfassendere Studie zu fordern, die endlich mit hundertprozentiger Sicherheit sagen kann, ob langsamer zu fahren denn nun wirklich zu weniger Getöteten führt, hilft niemandem. Schon gar nicht den Menschen, deren Tod zu verhindern gewesen wäre.

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Jeder Mensch, der auf Deutschlands Straßen getötet wird, ist einer zu viel. Und selbst wenn ein Tempolimit nicht 140, sondern nur ein einziges Menschenleben retten würde, wäre seine Einführung sinnvoll und richtig.

Anm. d. Red.: Ursprünglich hieß es im Text, das Verkehrsschild "Ende sämtlicher Streckenverbote" habe vier diagonale Streifen, tatsächlich hat es jedoch fünf. Diese Passage wurde angepasst.

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