
Autos beim Pfandleiher: Da fährt er hin
Autos beim Pfandleiher Zum Ersten, zum Zweiten, zum Schlitten
Vor gerade einmal einem Jahr hatte ihr Besitzer sie angemeldet. Jetzt steht die BMW R 1200 GS Adventure neben fünf anderen Motorrädern auf dem Parkplatz eines Autohauses in Krefeld. Ein Dutzend Interessenten streichen um sie herum. Gleich soll sie versteigert werden. Bei einem Kilometerstand von 18.400 Kilometern klingen die 6000 Euro Startgebot wie ein unerhörtes Schnäppchen.
Rund ein Dutzend Interessenten sind aus Berlin, Bayern, NRW und Rheinland-Pfalz allein für die BMW angereist. Alle wollen sie kaufen, ohne Probefahrt. Bei einer Versteigerung kauft man blind. Hier zählt das Vertrauen zum Autopfandleiher.
Rückzieher vom SL-Besitzer
Norman Ostgathe hat die Versteigerung organisiert. Er betreibt mit seinem Vater seit etwa fünf Jahren Autopfand, eine Pfandleihe für Autos, Motorräder, Anhänger, Boote und Baumaschinen. Während Franzosen bei finanziellen Engpässen ihren Wein beleihen, brachten die Deutschen in den vergangenen zehn Jahren immer häufiger ihre Fahrzeuge ins Pfandhaus. Fünf bis zehn Prozent von ihnen melden sich nie wieder bei ihrem Geldverleiher. Manche rufen ihn dagegen in allerletzter Minute an. Wie der Besitzer eines Mercedes Benz AMG SL.
"Der Eigentümer hat heute morgen die Laufzeit verlängert, der Mercedes steht nicht mehr zur Verfügung", ruft der Auktionator in die Runde. Einige Besucher stöhnen hörbar. Der Aufrufpreis des silbernen Mercedes lag im Internet bei 16.000 Euro. Es war ein Unfallwagen. Die linke Seite war von der Fahrertür bis zum Heck eingedrückt. Auf der anderen Seite sah man nur eine kleine Delle.
"Repariert bringt der SL zwischen 50- und 60.000 Euro", schätzt Ostgathe. Das ist lukrativ, vor allem für Händler. Ostgathe ist es allerdings lieber, wenn seine Kunden ihre Autos wieder auslösen oder die Kreditzeit verlängern. Zum einen kommen sie dann wieder, und zum anderen bekommt er auf jeden Fall sein Geld. "Bei einer Auktion weiß man nie, was passiert", sagt er.
Zwei Harleys also Sorgenkinder
Heute sind seine Sorgenkinder zwei Harleys, zwei Themenmotorräder. Sie gehörtem einem Paar mit extravagantem Geschmack. Sie fuhr die cremefarbene Harley Davidson HPU D'Artagnan und er dasselbe Modell in schwarz als Jumping Jack Flash mit vielen Extras. Beide Bikes wurden vom Fachhändler bis ins letzte Detail durchkomponiert.
Ein schemenhafter Totenkopf-Musketier ziert bei der D'Artagnan den Tank, Lilienblüten die Räder und den Tankdeckel. Auf der Jumping Jack Flash ist der gleichnamige Songtext der Rolling Stones verewigt sowie Konzertmotive der Band. Die klassische Zunge dreht sich beim Fahren in der Endlosschleife in den Rädern. So was muss man mögen.
100.000 Euro hatte der Eigentümer vor sechs Jahren für sein Stones-Motorrad bezahlt, 80.000 Euro für die D'Artagnan. Bei der Auktion verpufft der größte Teil dieser Investition: Die cremefarbene Harley geht an diesem Tag für 19.600 Euro nach Bayern. "Ein Hochzeitsgeschenk für die Braut", sagt Ostgathe und lächelt.
Drei Monate Zeit für den Rückkauf
Die Jumping Jack Flash ist stehen geblieben. Für 24.000 Euro wollte sie keiner haben. Jetzt gehört sie erst einmal Ostgathe. Alles was nicht weggeht, ersteigert er selbst. Immer. Nur so schafft er rechtlich klare Verhältnisse nach dem Pfandrecht und kann die Autos und Motorräder verkaufen.
Wenn jemand ihm ein Fahrzeug anbietet, prüft Ostgathe den Wert des KFZs über Listen und lässt es im Meisterbetrieb durchchecken. Im Schnellverfahren hat der Eigentümer innerhalb von 30 Minuten sein Geld, maximal 80 Prozent des Marktwertes. "Aber viele reizen ihren Kreditrahmen gar nicht aus", erklärt Ostgathe. Jedenfalls nicht seine Stammkunden. Die meisten von ihnen sind Selbstständige, die auf Rechnungen sitzen, neue Aufträge vorfinanzieren müssen und von ihrer Bank keinen Kredit mehr bekommen.
Allerdings hat das schnelle Geld einen hohen Preis. Etwa 3,5 Prozent Gebühren pro Monat, plus Standgebühren von drei Euro pro Tag zahlen die Darlehensnehmer. Drei Monate haben sie Zeit, ihren Besitz auszulösen. Tun sie das nicht, kann Ostgathe vier Wochen später den Wagen versteigern oder die Kunden verlängern ihre Kreditzeit um weitere drei Monate.
Wirklich ein Schnäppchen?
Ostgathes Geschäft ist nicht ohne Risiko. "Betrüger klauen Blanko-Fahrzeugscheine und versuchen, mir gestohlene Autos zu verkaufen", sagt er. Andere versuchen, ihm Autos anzudrehen, die sie geleast haben. Andererseits kaufen auch die Besucher an diesem Tag die Katze im Sack. Probefahrten gibt es bei Versteigerungen nicht. Trotzdem legen die Leute einiges auf den Tisch: 22.000 für einen Lotus Esprit, mehrere zehntausend für einen Porsche 911 E und 2300 Euro für einen Karmann Ghia. Auch die BMW ist schlussendlich kein Schnäppchen. 11.600 Euro zahlt ein Liebhaber aus Düsseldorf dafür.
Ostgathe mag schöne Autos. Trotzdem lässt ihn das Angebot mittlerweile ziemlich kalt. "Ich sehe so viele tolle Autos, wenn man will, könnte man sich die Werkstatt vollstellen", sagt er. Will er aber nicht. An diesem Tag ist er mit der Versteigerung zufrieden. Die Harley wird er demnächst auf dem freien Markt verkaufen. Wie viele Autos jährlich im Pfandhaus landen und unter den Hammer kommen, erfasst keine Statistik. Nur so viel steht fest: Es werden stetig mehr.