
Zerschundene Spielzeugautos: Helden in Blechkleidern
Zerschundene Spielzeugautos Du wurdest gebraucht, Wagen
Für seinen Bildband "Kinderzimmerhelden" hat der Stuttgarter Hobbyfotograf Christian Blanck Dutzende abgewrackte Spielzeugautos abgelichtet. Herausgekommen ist ein Schrottplatz zwischen zwei Buchdeckeln. Die Dächer der Autos sind verbeult, ihre Kanten abgestoßen, die Fensterscheiben zerborsten, der Lack ist abgeschabt.
Es ist wie bei jedem guten Buch: Die Helden darin sind ziemlich kaputt, und man findet sich in der Geschichte wieder.
Denn schon nach Seite zwölf sitzt man geistig im Sandkasten und pflügt mit einem VW-Pritschenwagen durch den Dreck. Man sieht den kleinen Renault mit der eingedrückten Frontscheibe auf Seite 40 und erinnert sich daran, wie man einst die Standhaftigkeit der eigenen Flotte mit dem Schraubenzieher testete. Die Inszenierung ungezählter Frontalcrashs kommt einem plötzlich wieder in den Sinn: Auf den Knien über zwei Autos gebeugt, in jeder Hand eines, Stoßstange an Stoßstange; dann die Arme so weit wie es geht auseinander und mit Schwung die beiden Kisten zusammenkrachen lassen.
Und man glaubt das Geplärre vom blonden Patrick zu hören, dem man seinen Siku-Porsche geklaut hat - für einen Stunt aus dem zweiten Stockwerk des Kindergartens.

Ein von Kinderhänden abgegriffener Mercedes 190 SL. Das rote Wrack ist ein Jaguar E-Type.
Foto: Edition Panorama/ Christian BlanckMit Bildern von Miniaturmodellen in tadellosem Zustand würde diese Zeitreise nicht funktionieren. Erst durch das Abgenutzte der Autos kommen die alten Erinnerungen hoch. So ist das nun mal, bei Menschen wie bei Spielzeug: Große Liebe hinterlässt tiefe Spuren.
Zwei Leidenschaften wiederentdeckt
"Jeder erinnert sich doch noch an seine ersten Erlebnisse mit Spielzeugautos", sagt Christian Blanck. Die Idee zu dem Bildband kam ihm durch seinen Sohn. "Niklas ist ein klassisches Stuttgarter Stadtkind, er hat mit seinen Autos das nachgebaut, was er jeden Tag auf dem Weg zur Kita sieht", sagt Blanck. "Lange Staus".
Für lange Staus braucht man viele Autos, und deshalb fragte Blanck seine Mutter, ob sie nicht noch seine alten Spielzeugkarren auf dem Dachboden hat. Sie hatte. "Es waren etwa 150 Stück", sagt Blanck. Zwei Kisten voller Erinnerungen.
Das war vor zweieinhalb Jahren. Zur gleichen Zeit begann Christian Blanck, die Autos auf Bildern festzuhalten. "Zuerst mit dem Handy, dann mit einer digitalen Spiegelreflexkamera. Irgendwann wollte ich aber noch mehr Details herausarbeiten, also legte ich mir eine richtige Systemkamera und verschiedene Objektive zu."
Blanck entdeckte nicht nur seine alte Liebe zu Spielzeugautos wieder, sondern auch zur Fotografie. Der 40-Jährige ist Strategieberater und Produktentwickler. "Müsste ich mich heute neu orientieren, würde ich eine Ausbildung zum Fotografen machen."
Echte Oldtimer
Zwischendurch benötigte Blanck Nachschub an Kinderzimmerhelden. Auf Flohmärkten und auf Ebay wurde er fündig. "Ich habe ganze Kisten mit Schrottautos ersteigert", sagt er. "Da waren echte Perlen dabei, zum Beispiel ein Rolls Royce von 1965." Im Bildband sind bei jedem Auto das ungefähre Baujahr, die genaue Modellbezeichnung und der Hersteller vermerkt. Die ältesten Exemplare stammen aus den Fünfzigerjahren und sind von Märklin. "Die hat mir der Opa von einem Freund meines Sohnes zum Fotografieren überlassen", sagt Blanck.
Die meisten Modelle in dem Band haben den Maßstab 1:43. Alle möglichen Marken und Fahrzeugtypen sind versammelt, vom Matchbox-Ferrari über den Hot-Wheels-Hot-Rod bis zum Majorette-Betonmischer. Blanckes einziges Ausschlusskriterium: "Ich wollte keine Autos, die unbenutzt aussehen. Neuwagen habe ich direkt zu meinen Kindern in die Werkstatt gegeben". Soll heißen: Ins Kinderzimmer, um sie heldentauglich spielen zu lassen.
Durch die Arbeit für den Bildband, schätzt Blanck, hatten sich zwischenzeitlich "etwa 400 oder 500" Spielzeugautos in seinem Büro angehäuft. Mittlerweile sind sie so geparkt, wie es sich für "Kinderzimmerhelden" gehört: "Wild zusammengewürfelt in Kartons".

Christian Blanck:
Kinderzimmerhelden
Edition Panorama, Mannheim; 320 Seiten; 24,80 Euro.