Retro-Kitsch Bilenkin Vintage: So würden Zaren fahren
Russischer Retro-Renner Bilenkin
So würden Zaren fahren
Wenn man beim Fahrzeugdesign den Retro-Regler auf Anschlag dreht, bekommt man einen Wagen wie den Bilenkin Classic. Überraschung: Unter der schwülstigen Karosserie des in Moskau gefertigten Coupés steckt ein moderner BMW.
Mit modernen Autos kann Kiril Bilenkin nichts anfangen. "Mein Geschmack ist irgendwann in den Sechziger- und Siebzigerjahren hängen geblieben", räumt er ein. Blöd nur, dass ihm alte Autos auch nicht recht sind. Bei ihnen gehe immer etwas kaputt und so richtig sicher fühle er sich in ihnen auch nicht, sagt er. Deshalb kam der Chef einer Klassikgarage in Moskau irgendwann auf die Idee, seine eigenen Autos zu bauen: Mit der Technik von heute und dem Design von gestern.
Oder zumindest dem, was er dafür hält: "Wir restaurieren keine Klassiker, sondern geben Neuwagen mit all ihrer Zuverlässigkeit und Sicherheit ein wenig Patina und Flair", sagt Bilenkin und lenkt den Blick stolz auf sein Erstlingswerk "Vintage", das er auf der Motorshow in Dubai im November 2015 zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert hat.
Liebesgrüße aus Moskau: Der Bilenkin Vintage aus Russland
Foto: Bilenkin Classic Cars
Patina und Flair - das ist allerdings eine ziemlich höfliche Untertreibung für ein Coupé, das aussieht, als hätte Bilenkin dem letzten Zaren einen neuen Dienstwagen bauen wollen. Und das gilt nicht nur für die Zweifarblackierung in Gold und Türkis, sondern vor allem für die schwülstigen Kotflügel über den glubschäugigen Rundscheinwerfern mit Goldrand, den Stausaugergrill aus den Fünfzigerjahren, den unkonventionellen Knick in der Gürtellinie und das schräg auslaufende Heck, das aussieht wie eine Kreuzung aus VW 1600 und Aston Martin DB5.
Ein BMW 4er im Brokat-Kostüm
Dass unter der kitschigen Hülle ein nagelneuer 4er BMW steckt, das jedenfalls kann man kaum mehr erkennen. Selbst im Innenraum und im Cockpit muss man sehr genau hinschauen, wenn man noch Spuren bayerischer Gestaltungsarbeit finden will. Stattdessen wird man überwältigt von kunterbunten Sitzbezügen italienischer Modedesigner, aus denen Edelsteine und Goldfäden funkeln.
Retro-Radio: Interieur im Art-Deco-Stil
Foto: Tom Grünweg
In den Türtafeln schimmert in wechselnden Farben bunt hinterleuchtetes Rauchglas, der Fußboden ist mit weißem Pelz ausgelegt, auf dem Schalthebel thront ein Knauf aus Bleikristall und überall zwischen den hölzernen Intarsien glitzern und glänzen Zierelemente in Gold und Edelstein - bis hin zur güldenen Blume mit schimmernden Blütenblättern aus Diamanten vor dem Beifahrer.
Selbst die Instrumente hat Bilenkin im Retrodesign umgestaltet und mit Perlmutt vertäfelt, das Lenkrad mit dem freiliegenden Kranz für die Hupe und einem vom Staatswappen inspirierten Doppeladler ist natürlich auch vergoldet und das Navigationssystem sieht aus wie ein Volksempfänger. Nur das Head-up-Display leuchtet wie eh und je, hinter der hübschen Verkleidung lauern sechs originale Airbags und anders als bei echten Oldtimern wachen in seinem Vintage ESP & Co über die Sicherheit der Passagiere.
Beim Preis von 300.000 Euro ist der Wagen fast ein Schnäppchen
Wenn man bedenkt, dass der Umbau zum Bilenkin "Vintage" mehr als ein Jahr gedauert hat und allein der Materialwert des ganzen Zierrates den Preis eines Kleinwagens übersteigen dürfte, sind die umgerechnet rund 300.000 Euro für den Vintage fast schon ein Schnäppchen - zumal der fabrikneue BMW 435i als Ausgangsbasis da schon mit drin ist.
Kecker Knick: Vom Basisfahrzeug, einem BMW 4er, ist nicht mehr viel zu sehen
Foto: Bilenkin Classic Cars
Trotz allem Optimismus bleibt bei Firmenchef Bilenkin eine gewisse Skepsis, ob so eine moderne Zarenkutsche außerhalb von Moskau und den Glitzergaragen am Golf ihre Kunden findet, oder ob man es in Europa und Amerika lieber ein wenig dezenter mag. Sicherheitshalber hat er deshalb neben seinem Goldstück noch einen zweiten Vintage mit nach Dubai gebracht - in dezentem Schwarz mit einem ziemlich nüchternen Interieur aus braunem Leder.
20 BilderRetro-Kitsch Bilenkin Vintage: So würden Zaren fahren
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Im güldenen Geist von gestern: Bei Kiril Bilenkin wird aus dem Vierer BMW ein kitschiger Retro-Renner.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Retro bis ins Detail: Vor allem an Kleinigkeiten wie dem Kühlergrill und den Scheinwerfern erkennt man, wie gründlich Bilenkin beim Umbau war.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Kitsch as Kitsch can: Helle Pelze am Boden, poliertes Wurzelholz in den Konsolen und kunterbunte Stoffbezüge sorgen für ein eher schwülstiges Ambiente.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Glubschauge sei wachsam: Der Vintage ist für Bilenkin ein Potpourri seiner Lieblingsautos aus den letzten 50 Jahren.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Na logo mit eigenem Logo: Wo bislang der weiß-blaue Propeller von BMW rotierte, prangt jetzt das Firmenzeichen von Bilenkin Classic Cars.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Schmuckstück: Jeden freien Millimeter im Cockpit wie hier die Konsole vor dem Beifahrer hat Bilenkin mit schillernden Pretiosen verziert.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Im Zeichen des Zaren: Auf dem natürlich belederten Lenkrad prangt der russische Doppeladler.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Der Name ist Programm: Vintage nennt Bilenkin seinen Eigenbau, mit dem er die Qualität moderner Fahrzeuge mit dem Charme von Oldtimern vereinen möchte. Und wers nicht glaubt, kann es auf der Plakette in der Sitzlehne nachlesen.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Teures Schatzkästchen: Wer seine Vintage so ausstaffiert haben möchte wie das Messemodell, muss mit einem Preis von 300.000 Euro kalkulieren.
Foto: Tom Grünweg
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Chefsache: Kiril Bilenkin bei der Sitzprobe in seinem Erstling.
Foto: Tom Grünweg
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Hohe Hüfte: Weil sein Geschmack "irgendwo in den Sechziger,- und Siebzigerjahren hängen geblieben" ist, hat der Vintage hoch gezogene Kotflügel und Heckflossen wie ein alter Amischlitten.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Debüt in Dubai: Für seinen ersten Auftritt hätte sich Bilenkin keinen passenderen Ort aussuchen können als die Motorshow im Glitzer-Emirat Dubai im November 2015.
Foto: Tom Grünweg
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Schräger Schluss: Von hinten erinnert der Vintage an eine Mischung aus VW 1600 und Aston Martin DB5.
Foto: Tom Grünweg
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Gut getarnt in Gold und Türkis: Dass der Vintage vor dem Umbau mal ein Vierer BMW gewesen ist, kann man beim besten Willen nicht mehr erkennen.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Retro-Radio: Das Infotainment pfeift auf Touchscreen und Smartphone-Integration und erinnert an eine Zeit, als Radios noch Röhren hatten.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Feinstes Uhrwerk: Wo es in einem aktuellen BMW gar nicht technokratisch genug sein kann, pflegt Bilenkin das vornehme Kunsthandwerk und dekoriert die Instrumente deshalb zum Beispiel mit Ziffernblättern aus Perlmutt.
Foto: Bilenkin Classic Cars
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Es geht auch schlicht: Wem der Glitzerlack dann doch zu dekadent erscheint, dem liefert Bilenkin den Vintage auch in einem fast schon dezenten Schwarz.
Foto: Tom Grünweg
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Kunsthandwerk: In jeder Ecke des Autos entdeckt man neue, schillernde Details zum Beispiel die von innen beleuchtete Türgriffe aus geätztem Rauchglas.
Foto: Tom Grünweg
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Moderne Zarenkutsche: Mit seinem güldenen Ornat sieht der Vintage aus, als hätte Bilenkin eine moderne Zarenkutsche bauen wollen. Was wohl Herr Putin dazu sagt?
Foto: Tom Grünweg
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Flotter Vierer: Bequem ist es im Fond nicht. Aber wer mag, kann den Vintage auch zu viert benutzen.