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Fahrbericht BMW i3: Pioniergeist hat seinen Preis

Foto: Michael Specht

BMW i3 im Alltagstest Laut ist out

Vernünftig oder verrückt? Wer heute ein Elektroauto kauft, weiß nicht, was ihn morgen erwartet. Unser Autor Michael Specht wagte es trotzdem und stromert seit einigen Monaten durch Hamburg. Ein Erfahrungsbericht.

Zu teuer, zu geringe Reichweite, zu wenig Ladestationen. Im Freundeskreis hört man viele gut gemeinte Ratschläge, warum man kein Elektroauto kaufen sollte. Bewirkt haben sie bei mir nichts. Der BMW i3 schien mir endlich ein wirklich neues Fahrzeug zu sein und nicht nur die x-te Auflage eines beliebigen Modells. Aber wie bewährt sich der Wagen im Alltag?

Der erste Eindruck: anderes Konzept, anderes Design, andere Werkstoffe, anderes Cockpit, anderer Antrieb. Ein Auto ohne Tank und Gestank, ohne Getriebe und Schaltung, ohne Auspuff, ohne Keilriemen und ohne Ölwechsel. Im Vergleich zu einem konventionellen Diesel oder Benziner wirkt der i3 wie ein Sprung vom Nokia-Knochen zum Apple iPhone.

Dabei muss ich erwähnen: Der Kauf erfolgte nicht aus ökologischen Gründen. Es ist Augenwischerei zu glauben, man könne mit dem Elektro-BMW die Welt verbessern - Stichwort Kohlestrom. Nein, die ausschlaggebende Rolle spielte einzig der Fahrspaß. Die geschmeidige Art der Beschleunigung, wie sie der i3 liefert - dagegen kommt in diesem Segment kein Auto mit Verbrennungsmotor an. Zudem ist für mich laut out. Den wahren Genuss liefert erst das leise Fahren. Selbst das Radio bleibt häufig aus. Ruhe beruhigt.

Wer abends vergisst zu laden, steht am Morgen dumm da

Noch zieht der i3 aufgrund seiner ungewohnten Form und der geringen Verbreitung die Blicke der Passanten und anderer Autofahrer auf sich. BMW hat sich mit dem Design weit aus dem Fenster gelehnt. Doch die Reaktionen sind durchweg positiv. Das mag auch am Statement liegen, das der i3 vermittelt: Seht her, ich bin anders und gut zur Umwelt. Ein konventionell gestalteter E-Golf kann das nicht. Sein Besitzer müsste es groß an die Tür schreiben, dass er mit Strom fährt.

Das Leben mit dem i3 erfordert Umgewöhnung. Wer abends vergisst zu laden, steht am Morgen dumm da. Nach einigen Tagen aber hat man das Ritual drauf. Das Laden an der Haushaltssteckdose ist kinderleicht und kostet knapp drei Euro. Allerdings dauert es rund acht Stunden.

Anschließend lassen sich rund 140 Kilometer zurücklegen. Die von BMW maximal angegebenen 190 Kilometer? Reine Utopie. Wer Heizung oder Klimaanlage einschaltet, verliert mindestens zehn bis 15 Prozent Reichweite. Empfehlung: Sitzheizung einschalten und so den Körper direkt wärmen. Am meisten Strom frisst die Autobahn. Selbst bei gemäßigtem Tempo von 100 bis 120 km/h sind die Akkus nach wenig mehr als 100 Kilometern leer.

An einer öffentlichen Ladestation habe ich bislang nicht "getankt". Schon der erste Versuch scheiterte. An der ersten Säule parkte ein Range Rover, die zweite tauchte nur im Navi auf, war aber real nicht vorhanden, die dritte gehörte dem Stromanbieter Vattenfall - BMW hat in Hamburg derzeit aber nur eine Zusammenarbeit mit Konkurrent RWE. Sinnvoll wären auch ein paar Ladesäulen am Flughafen. Doch Politik und Parkhausbetreiber scheinen in Hamburg oftmals nicht in der Lage, eine gewöhnliche Steckdose zu montieren.

Man hat ständig das Gefühl, durch schmutziges Glas zu schauen

Glücklicherweise hat BMW sich beim i3 vom Zwang befreit, ein klassisches Cockpit zu bauen, mit Rundinstrumenten, vielen Knöpfen und einer Mittelkonsole, die den Fahrer vom Beifahrer trennt. Stattdessen bilden zwei iPads das Informationszentrum. Das Interieur wirkt modern und strahlt die Leichtigkeit einer Beach Lounge aus - wozu wesentlich der durchgehende Fußraum beiträgt.

Als nicht wirklich vorteilhaft im Alltag erweisen sich die gegenläufigen hinteren Türen. In seitlich engen Parklücken ist es fast unmöglich, beispielsweise eine Tasche vom Rücksitz zu greifen, weil die Türe im Weg ist. Man gewöhnt sich daher daran, ausschließlich den Kofferraum zu benutzen.

Ein weiterer Konstruktionsfehler ist das filzartige obere Armaturenbrett. Öko hin, Recycling her - die hellen Fasern spiegeln sich bei Sonneneinstrahlung einfach massiv in der Frontscheibe. Man hat ständig das Gefühl, durch schmutziges Glas schauen zu müssen. Trübe Aussichten.

Die Leasingrate für den i3 ist so hoch wie für einen Siebener

Abschreckend beim i3 sind auch die Finanzierungskonditionen. Diesen Brocken muss man erst einmal schlucken. BMW verlangt für den i3 eine Leasingrate, die man auch für einen Siebener bezahlen müsste. In meinem Fall waren das 856 Euro im Monat, ausgehend von einem Neuwagenpreis von 46.000 Euro, Laufzeit zwei Jahre, keine Anzahlung. So würden nach Vertragsende mehr als 20.000 Euro zusammenkommen. Absolut inakzeptabel.

Es scheint so, als wolle hier der Hersteller dem Kunden das volle Risiko des Wertverlusts bezüglich der Batterie aufbürden. Denn sollten in zwei oder drei Jahren Akkus auf dem Markt sein, die bei gleicher Größe doppelt so viel leisten, somit auch die doppelte Reichweite schaffen und obendrein weniger kosten, dann lässt sich für den heutigen i3 kein vernünftiger Gebrauchtwagenpreis mehr erzielen.

Die "Early Adopters" oder "First Movers", wie die Frühkäufer im Marketingdeutsch gern genannt werden, sie hätten dann ihren Pioniergeist extrem teuer bezahlt.

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