Schönes Ding: BMW Turbo Leider Keil

Die Automobilgeschichte ist voll von irren Studien, die erst begeisterten und dann verschwanden. Diesmal: der BMW Turbo, ein Technologiepaket aus den Siebzigerjahren, das BMW noch heute inspiriert.
Keilform, Flügeltüren und ein Auftritt wie ein Automobil gewordenes »Mia san mia«

Keilform, Flügeltüren und ein Auftritt wie ein Automobil gewordenes »Mia san mia«

Foto: Oliver Beckmann / BMW Group Archiv

Frühsommer 1972 – Deutschland und vor allem München fiebern den Olympischen Sommerspielen entgegen. Auch Autohersteller BMW will die weltweite Aufmerksamkeit nutzen. Das Unternehmen hat die finanziellen Turbulenzen der Sechzigerjahre überstanden und demonstriert wieder Zuversicht. So entsteht ein Konzeptfahrzeug, das bei Olympia auch für Autobegeisterung sorgen soll: der BMW Turbo.

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BMW Turbo: Zisch und weg

Foto: Hardy Mutschler / BMW Group Archiv

BMW sprach damals von einem »rollenden Versuchslabor« und bewarb die Studie etwas hölzern als »Sicherheitssportwagen«. Für den sportlichen Part war ein Turbomotor zuständig, in der Rubrik Sicherheit gab es gleich mehrere Innovationen.

Der eigentliche Name des Konzeptwagens lautete knapp und sachlich BMW Turbo. Er wies auf das Wesentliche hin: den Abgasturbolader. Der trieb die Motorleistung auf bis zu 280 PS. Eine klare Ansage – die stärkste Ausführung des Porsche 911 kam damals auf 190 PS. Bereits 1973 folgte auf das Konzeptmodell der BMW 2002 als Turboversion (internes Kürzel E20) – das erste europäische Serienfahrzeug mit Turbomotor (170 PS). Leider war das Timing katastrophal, die erste Ölkrise bereitete dem spritdurstigen Wagen ein jähes Ende. Lediglich 1672 Exemplare wurden gebaut. Der Weg für die Turbotechnik war dennoch bereitet. Porsche (ab 1975), erneut BMW (ab 1977) und fast alle anderen Hersteller bauten und bauen derartige, aufgeladene Motoren.

»Blockierschutzgerät« – Vorreiter des ABS

Für den Ur-Turbo von BMW, die spektakuläre Studie zu Olympia 1972, war eine Serienproduktion nie vorgesehen. Vielmehr sollten »Bauelemente aus diesem Forschungsobjekt laufend in die Serienwagenfertigung einfließen«, wie es in einer damaligen BMW-Mitteilung hieß. Die meisten dieser Neuerungen sollten die Sicherheit verbessern. So gab es an den vier innen belüfteten Scheibenbremsen des Flachmanns ein »Blockierschutzgerät« der Firma Teldix, die zur Hälfte Bosch gehörte. Die Technik kann als Vorläufer des Antiblockiersystems ABS angesehen werden, das Bosch später entwickelte und Mercedes 1978 in der S-Klasse erstmals in Serie brachte.

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Auch mit einer weiteren Technologie war der BMW Turbo seiner Zeit voraus, sie trug den Namen »Radar-Abstands-Warngerät«. Dahinter verbarg sich ein System, das die Entfernung zum vorausfahrenden Auto per Radar überwachte und bei zu dichtem Auffahren automatisch die Gaszufuhr drosselte. Sogenannte Abstandsregeltempomaten fanden allerdings erst gut 30 Jahre später ihren Weg in Serienautos.

Ganz neu waren am BMW Turbo auch Stoßfänger aus Kunststoffelementen, die sich nach kleineren Kollisionen selbst ausbeulten – also wegen der Elastizität des Materials in ihre ursprüngliche Form zurückkehrten. Die Stoßstangen waren komplett in die Karosserie integriert, was damals eine Ausnahme war. Im Interieur debütierte das zum Fahrer orientierte Armaturenbrett, das noch heute BMW-Innenräume prägt.

Stilbildend seit fast 50 Jahren

Sosehr diese Finessen spätere BMW-Modelle oder sogar die Autowelt insgesamt beeinflussten – beim Debüt 1972 war der größte Knaller die Optik. Der damalige BMW-Chefdesigner Paul Bracq hatte sich bei der Linienführung offenkundig vom 1969 präsentierten Mercedes C 111 (angetrieben von einem Wankelmotor) inspirieren lassen, ebenso von zahlreichen Keilformklassikern der italienischen Designhäuser Bertone und Pininfarina.

Der BMW beeindruckte auch mit gewaltigen Flügeltüren. Leider fehlten die sechs Jahre später beim BMW-Supersportwagen M1, der aus der Studie hervorging. Andere Details wurden nahezu unverändert übernommen: so die zugespitzte Frontpartie mit den Klappscheinwerfern oder die zwei BMW-Embleme am Heck. Bis BMW ab 2014 den i8 auf die Straßen schickte, blieb der M1 der einzige echte Serien-Supersportler der Münchner Marke.

Der BMW Turbo gehört damit zu den prägendsten Konzeptfahrzeugen überhaupt. Denn auch der Hybridrenner i8 gilt als Nachfahre des Sicherheitssportwagens – erkennbar unter anderem an den Flügeltüren. Und selbst die 2019 vorgestellte Studie Vision M Next nimmt Stilelemente des Ur-Turbos auf: in Form der zwei BMW-Logos am Heck. Vom BMW Turbo wurden zwei Exemplare gefertigt. Beide stehen heute im BMW-Museum in München. Sie werden noch immer regelmäßig an Museen sowie für Film- und Fotoproduktionen verliehen.

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