Corvette C4 Targa, Baujahr 1987 Wuchtbrumme aus dem Autoquartett
Das Durchschnittsalter der rund 46 Millionen Pkw in Deutschland liegt bei knapp acht Jahren, einige Autos sind noch deutlich älter. SPIEGEL ONLINE testet mit Hilfe der Leser, wo die Stärken und Schwächen des Altmetalls liegen. Diesmal berichtet Robert Spranger über seine Corvette C4 Targa, Baujahr 1987.
Träume, die man mit 40 hat, sollten sich durch ein überschaubares Risiko und eine gewisse Praktikabilität auszeichnen. Werden diese Kriterien nicht erfüllt, gerät man unweigerlich in den Verdacht in die Midlife Crisis geschlittert zu sein.
Ohne Rücksicht auf soziale Kollateralschäden und mit Gespür für Proll und Protz fand ich bei einer Internetauktion genau jene Corvette, die mich als Kind im Autoquartett schon immer begeistert hatte: hellrot lackiert, tiefer gelegt, Distanzscheiben, Plexiglasdach, Ledersportsitze und ein plüschiger Teppichboden. Standort war Manchester. Meine Gattin guckte mich an wie die Queen, der zum Staatsbankett ein Big Mac serviert wurde. Egal - Corvette ersteigert, Flug- und Bahntickets sowie eine Rückfahrt mit der Fähre Dover-Calais gebucht und ab ins Vereinigte Königreich. Im Gepäck führte ich ein Bündel verwitterter 50-Pfund-Noten mit.
Eine schrecklich nette Familie
Am Bahnhof holte mich der freundliche und wohnungslose Steve ab und brachte mich zu der englischen Bilderbuchfamilie, die den Traumwagen beherbergte: Der Vater wog geschätzte 180 Kilo, die Mutter kaum weniger. Hinzu kamen eine Teenie-Tochter mit Baby, ein Sohn mit wilden Piercings sowie einige Halbwelttypen, die sich im 12-Quadratmeter-Wohnzimmer um mich herum postierten.
Mein zugegeben zunächst leicht mulmiges Gefühl wich schnell der Erleichterung, als ich die begeisterte Reaktion des versammelten Clans sah, als ich die 50-Pfund-Noten auspackte. Von da war der Bann gebrochen, und die überaus hilfsbereiten Engländer steckten mir sogar noch ein paar Münzen für die Mautgebühr zu.
Nach der kurzen Einführung in die Bedienung der Wuchtbrumme ging es auf den Motorway. Die in England wegen ihrer Linkslenkung wenig gefragte Corvette war schwer zu bändigen. Nur widerstrebend ließ sie sich durch den Nieselregen Richtung London bugsieren.
Grenzpolizei suchte nach Waffen
Auf dem Weg konnte ich übrigens durch meine mangelnde Ortskenntnis den Verkehr aufhalten, ohne auch nur einmal mit einem Hupkonzert bedacht zu werden. Vielleicht lag es an der stattlichen automobilen Erscheinung, vielleicht auch daran, dass viele in einer Corvette stets einen Fahrer vermuten, der im kriminellen Gewerbe tätig ist - an der Fähre zumindest wurde ich von britischen Grenzpolizei sofort in eine abgeriegelte Halle geleitet und nach Waffen durchsucht. Meine Naivität muss sie gerührt haben, nur mit Mühe fand ich den Tank meiner Neuerwerbung.
Meine Corvette erwies sich als welterfahrene Globetrotterin. Zwei Vorbesitzer hatten sie laut Papieren bereits in den USA, Hongkong, Lanzarote und England zugelassen, bevor sie sich mit mir auf den Weg in die verschneiten Bayerischen Berge machte. Passend zum Wetter war der unterkühlte Empfang meiner wenig begeisterten Ehefrau, die nicht das 20 Jahre alte Prachtstück, sondern stratosphärische Tank- und Werkstattrechnungen darin sah.
Meine bessere Hälfte, die so sehr ihr Näschen über mein "Zuhältermobil" gerümpft hatte, ersteigerte per Internet übrigens einige Monate später in Amsterdam einen Familienbus. Wie sich nach dem Kauf herausstellte, hatte der Vorbesitzer dieses Gefährt dazu benutzt, Damen aus Osteuropa "als Krankenschwestern und so" nach Holland zu importieren. Altmetall: Alle bisher erschienenen Folgen