
65 Jahre Land Rover: Allrad bereit
65 Jahre Land Rover Jubilar im Dreck
Laut, lahm und unbequem - eigentlich gibt es keinen vernünftigen Grund, einen Land Rover Defender zu fahren. Wer nicht gerade in Kamtschatka oder Kinshasa lebt oder wenigstens als Schafshirte im schottischen Hochland, der ist selbst in einem 30 Jahre alten VW Golf noch besser aufgehoben als in diesem Dinosaurier aus England, der sich auf den ersten Blick seit über sechs Jahrzehnten kaum verändert hat.
Dass es trotzdem jedes Jahr über 20.000 Menschen gibt, die sich meist in ziemlich zivilisierten Gegenden für den fabrikneuen Oldtimer entscheiden, hat einen einfachen Grund: Kaum ein anderes Auto ist so authentisch, so einfach und ehrlich wie der legendäre Geländewagen, dem allenfalls noch der Toyota Land Cruiser, der Jeep Wrangler und die Mercedes G-Klasse das Wasser reichen können.
Der Defender will nichts anderes sein als eine motorisierte Blechkiste, mit der Mensch und Material überall hinkommen. Der Land Rover gaukelt keinen falschen Luxus vor und hat mit Lifestyle nichts am Hut. Genau deshalb ist er bei der Lifestyle-Fraktion so beliebt. Weil er anders ist, ein Blech gewordenes Manifest, dass man nicht jedem Trend hinterherrennen muss.
Einfach, ehrlich und beliebt
Außerdem ist dieses Auto eine Art Bewusstseinserweiterung auf Rädern: Sobald man sich hinter das viel zu große Lenkrad klemmt, gehen die Gedanken auf Reisen. Selbst wenn der Weg nur durchs Sauerland führt, hat man sofort die Serengeti im Kopf, und jeder Bürohengst wird zumindest für ein paar Minuten gefühlt zum Expeditionsleiter.
Das alles funktioniert nur, weil sich an diesem Auto seit Ewigkeiten quasi nichts geändert hat. Okay, aus dem "Landy" ist in der mittlerweile vierten Generation ein "Defender" geworden, es gibt ein festes Dach statt der grauen Plane sowie elektrische Fensterheber statt der Schiebefenster. Und aus dem röchelnden 50 PS-Benziner aus dem Rover-Regal ist ein allerdings kaum weniger asthmatischer 2,2-Liter-Diesel mit 122 PS geworden.
Doch im Grunde sieht ein Defender heute noch so aus, wie am 30. April 1948 als Rover-Chefentwickler Maurice Wilks vor 65 Jahren auf der Motor Show in Amsterdam das Tuch von jenem für die Bauern gedachten Auto gezogen hat. "Ein Fahrzeug, mit dem man überall hinkommt und alles machen kann, ein universeller Land Rover", nannte er den Ur-Landy.
Exportschlager nach zwei Jahren
Seine Schöpfung war ein Instant-Hit. Schon nach zwei Jahren wurde der Wagen in 70 Länder exportiert, fuhr mit seiner unverwüstlichen Technik bis in die entlegensten Gegenden der Welt und wurde so zu einem Mythos, von dem die Marke noch heute zehrt.
Gleichzeitig haben die Briten ihre alten Ideale längst auf dem Altar des zwanghaften Wachstums geopfert. Da hilft es auch nicht, dass zwecks Legendenpflege aktuelle Modelle zur Premiere in die hintersten Ecken des Globus geschickt und zu wichtigen Geburtstagen, wie jetzt dem 65., Land-Rover Oldtimer auf alten Landsitzen durch den Schlamm gejagt werden. Lifestyle und Luxus - nicht erst seit dem Evoque sind das zwei wesentliche Stützen der Firmenpolitik.
Bereits 1970 startet Land Rover in die Zweiklassengesellschaft: Wo der Landy der Alleskönner für den Farmer blieb, sollte der neue Range Rover zum Allradler für den Adel werden und hat damit das Segment der Luxusgeländewagen begründet. Danach ging es für Land Rover-Verhältnisse Schlag auf Schlag: 1989 schloss der Discovery die riesige Lücke zwischen diesen beiden Extremen, 1997 kam als neues Einstiegsmodell der Freelander, 2005 der Range Rover Sport und 2011 schließlich der Evoque, der Land Rover erstmals monatelange Lieferfristen bescherte.
Rente mit 67
Jedes dieser fünf Modelle bietet mehr Komfort als der Defender, hat mehr Kraft und ist sicherer. Und wo eine Fahrt im Defender echte Arbeit ist, könnte man in ihnen die Sahara mit dem kleinen Finger durchqueren - wohl klimatisiert, zum Teil sogar mit Luft gefedert und mit Massagefunktion im Sitz.
Aber keines der anderen Land-Rover-Modelle hat so viel Seele - und keines ist so haltbar. Es muss schließlich einen Grund haben, dass 75 Prozent aller Defender und seiner Vorläufer noch auf der Straße sind. Und sei es nur, weil die Alu-Karosse nicht rostet und der Rest von jedem Dorfschmied mit bloßen Händen repariert werden kann.
Trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Modelle das Original vom Thron stoßen und die gut zwei Millionen gebauten Exemplare knacken, auf die das Urmeter der Marke mittlerweile kommt. "Für die erste Million verkaufter Land Rover haben wir 30 Jahre gebraucht", sagt Markenchef John Edwards, der im Augenblick Jahr für Jahr neue Rekordzulassungen vermelden kann: "Aber jetzt kommt alle drei Jahre eine neue Million dazu." Und daran hat der Defender den geringsten Anteil.
Außerdem zwingen die Zulassungs- und Sicherheitskriterien das Relikt aus den Gründertagen 2015 endgültig in den Ruhestand, so dass der Defender mit 67 Jahren doch zum Rentner wird. Doch ganz zu Ende ist die Geschichte damit noch nicht. Im Gegenteil, versprechen die Briten: 2016 kommt der Nachfolger, und der soll zumindest in einer Variante wieder genau so echt und ehrlich werden wie das Original.