Faktencheck Was zum Erfolg der Stromer noch fehlt

CO2-frei sind E-Autos nur lokal. Wie umweltfreundlich sie wirklich sind, soll eine Studienanalyse des Fraunhofer-ISI untersuchen.
Foto: Florian Gaertner/ Photothek/ Getty ImagesStudien rund ums Elektroauto sorgen oft für intensive Diskussionen. Sind die Stromer trotz der energieintensiven Akkuproduktion klimafreundlicher als gleichwertige Verbrenner? Gibt es für zig Millionen E-Autos überhaupt ausreichend Lithium und Kobalt? Und bricht nicht das Stromnetz zusammen, sobald alle Autofahrer abends ihr Auto zum Laden anstecken?
Diesen Fragen hat sich das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in einer Meta-Studie gewidmet, bei der 13 Autoren fremde und eigene Studien zu diesen Themen untersuchten. Sie charakterisieren die Jahre bis 2030 als entscheidende Hochlaufphase der Elektromobilität, der kein unüberwindbares Hindernis mehr im Wege stehe. Trotzdem seien noch einige Herausforderungen anzugehen. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen unter anderem folgende Fragen:
Ist die Umweltbilanz von E-Autos besser als die konventioneller Pkw?
Die Herstellung eines Batteriefahrzeugs ist deutlich energieintensiver als die eines Verbrenners. Laut ISI fallen je nach Energiequelle, Energieeffizienz der Produktion und der Batteriegröße um 70 und bis 130 Prozent höhere Treibhausgasemissionen als bei der Herstellung von Benzinern oder Dieseln - diesen Nachteil können die Stromer jedoch im realen Betrieb ausgleichen.
Die Treibhausgasemissionen eines heute angeschafften E-Autos sind der Untersuchung zufolge über die gesamte Lebensdauer 15 bis 30 Prozent niedriger als die eines vergleichbaren Verbrenners. Diese wurde für Kleinwagen, Mittelklassemodelle und Oberklassefahrzeuge mit 150.000, 180.000 beziehungsweise 220.000 Kilometern angesetzt. Dabei sind die Herstellung, der Betrieb mit dem deutschen Strommix sowie der geplante Verlauf der Energiewende und die Verwertung des Wagens miteingerechnet. Diese Bilanz werde sich der Studie zufolge künftig sogar noch weiter verbessern. Die Forscher haben jedoch auch einen Problemfall identifiziert: Autos mit großen Akkus und mehr als 80 Kilowattstunden Batteriekapazität und Fahrleistungen von nur 8000 bis 9000 Kilometern im Jahr, die mit dem derzeitigen deutschen Strommix betrieben werden, haben laut ISI eine kaum bessere CO2-Bilanz als ein vergleichbarer Verbrenner.
Trotz der geringeren CO2-Emissionen habe auch die Elektromobilität ökologische Auswirkungen, wie zum Beispiel durch eine höhere Wasserentnahme und die Emissionen säurebildender Gase, die Ökosysteme belasten. Die ISI-Forscher empfehlen deshalb ein anderes Mobilitätsverhalten mit kleineren Autoflotten und geringeren Fahrleistungen. Ein geeigneter Ansatz sei unter anderem eine innovative Stadtplanung mit besonderer Berücksichtigung des öffentlichen Nahverkehrs.
Gibt es überhaupt genügend Rohstoffe?
Lithium, Kobalt, Nickel, Mangan und Grafit: Die weltweiten Vorkommen der Batterierohstoffe übersteigen der Analyse zufolge den prognostizierten Bedarf deutlich, selbst wenn die Nachfrage durch andere Anwendungen parallel steige. Andere Zellzusammensetzungen verringern außerdem den Bedarf für manche Rohstoffe. Der nötige Lithiumanteil von rund 72 Gramm pro Kilogramm Zelle werde sich der Studie zufolge zwar nicht verringern lassen, der Kobaltanteil werde durch veränderte Zusammensetzungen der Batteriezellen dafür wahrscheinlich drastisch sinken. Nickel, aber auch das unter oft schwierigen Bedingungen geförderte Kobalt könnten der Studie zufolge außerdem zu über 90 Prozent aus gesammelten Batterien zurückgewonnen werden.
Durch den künftig deutlich geringeren Kobaltbedarf könne das Recycling laut ISI den Bedarf womöglich komplett decken. Bei hohen Sammelquoten und einer Rückgewinnung von 25 bis 50 Prozent des enthaltenen Lithiums könnte die Wiederverwertung bis 2050 10 bis 30 Prozent des jährlichen Bedarfs an Rohstoffen für Batterien liefern, auch bei einer steigenden Nachfrage. Dabei gibt es der Studie zufolge jedoch einen Unsicherheitsfaktor. Denn wie der Gebrauchtwagenmarkt künftig aussieht und wie sich das auf den Verbleib der Batterien auswirkt, sei noch unklar.
Welche Reichweiten sind künftig zu erwarten?
Das hängt vor allem von der Entwicklung neuartiger Batterien ab. In den kommenden Jahren wollen die Hersteller der Studie zufolge immer mehr nickelreiche Hochenergie-Kathoden und -Anoden einsetzen, die für eine höhere Energiedichte sorgen. Dadurch hätten die Batterien bei gleicher Größe künftig eine höhere Kapazität.
Zusammen mit einem sinkenden Energieverbrauch könnten die neuen Batterien der Studie zufolge die Reichweiten bei gleicher Akkugröße in den kommenden zehn Jahren verdoppeln.
Sind die Stromnetze für die E-Mobilität gerüstet?
Würden alle rund 45 Millionen Pkw in Deutschland elektrisch fahren, rechnet das ISI vor, stiege die Gesamtstromnachfrage um rund 20 Prozent. 2030 werden der Analyse zufolge jedoch nur sieben bis zehn Millionen E-Autos in Deutschland unterwegs sein. Dadurch erhöhe sich die Stromnachfrage aber nur um 3 bis 4,5 Prozent. Die nötigen Investitionen in die Stromverteilnetze sind der Studie zufolge überschaubar, auch da der sogenannte Gleichzeitigkeitsfaktor bei rund 30 Prozent liege, es laden also nur 30 Prozent der E-Autos zur gleichen Zeit.
Da Pkw in Deutschland 95 Prozent der Zeit stehen und die Beladung zu 80 bis 90 Prozent zu Hause und am Arbeitsplatz erfolgen wird, sei laut ISI ein gesteuertes Laden möglich, also zu Zeiten von Stromüberschuss. Wichtig sei lediglich, dies zu fördern, um es für die Autofahrer attraktiv zu machen und die nötigen Investitionen zu senken. Die Einnahmen aus einem höheren Stromabsatz übersteigen den Forschern zufolge aber die Investitionen in Leitungen und Trafos, wodurch der Strompreis für Haushalte durch die Elektromobilität sogar sinken könnte. Damit immer am Arbeitsplatz oder zu Hause geladen werden kann, müsse der Analyse zufolge jedoch das Miet- und Wohneigentümergesetz geändert werden, da es laut ISI derzeit den Ausbau der Ladeinfrastruktur behindert.
Was passiert mit alten Batterien?
Die Akkus wiederzuverwerten sei zwar technisch prinzipiell machbar, den Forschern zufolge ist jedoch zu wenig über die Wirtschaftlichkeit des Recyclings bekannt. Auch die aktuell gültigen Richtlinien werden der steigenden Bedeutung der Lithium-Ionen-Batterien aus E-Autos dem ISI zufolge nicht gerecht. Bisher habe sich nur das Recycling kleinerer Lithium-Ionen-Batterien zum Beispiel aus Handys in Europa etabliert, viele Prozesse werden entweder in kleinen Maßstäben betrieben oder seien nicht speziell auf die Auto-Akkus ausgelegt, in denen deutlich mehr Energie gespeichert ist. Das Recycling sei den ISI-Forschern zufolge jedoch in industriellem Maßstab möglich, die derzeit größte Anlage kann der Studie zufolge bis zu 7000 Tonnen pro Jahr behandeln. Darin werden Kupfer, Kobalt und Nickel aus den Batteriezellen zurückgewonnen, das Lithium in einem Folgeprozess, dessen Recyclingquote dem ISI zufolge jedoch unbekannt sei. Auch Kupfer, Stahl, Kunststoff und Elektronik werden separat zurückgewonnen.
Die Analyse schätzt den Ertrag des Batterierecyclings pro Tonne auf 210 bis 240 Euro, wobei die Hälfte auf das enthaltene Aluminium entfalle, ein Viertel auf den Stahl und ein weiteres Viertel auf Kupfer aus Kabeln und Leiterplatten - also nicht auf die Materialien aus der eigentlichen Batteriezelle. Die Wiederverwertung der Batteriezellen sei deutlich komplexer als die Wiederverwertung der Hülle und der Elektronik. Zu deren Kosten gibt es der Studie zufolge jedoch keine genauen Daten. Das Zellrecycling könnte künftig aber noch weniger rentabel werden. Dessen Wirtschaftlichkeit hängt stark von der Zusammensetzung der Batterie ab und könnte durch den sinkenden Kobaltgehalt weiter abnehmen. Auch die Umweltbewertung des Recyclings ist noch unklar. Zwar zeigen einige Untersuchungen der Meta-Studie zufolge, dass das Recycling die Klimabilanz verbessern kann, diese basieren laut ISI aber nur auf Daten im Labormaßstab.