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"Tron: Legacy": Wie ein deutscher Fahrzeugdesigner in Hollywood landete

Foto: Disney

Ex-VW-Designer in Hollywood Herr der "Tron"-Bikes

Früher entwickelte er Autos für VW, jetzt motorisiert er Traumwelten: Der Fahrzeugdesigner Daniel Simon aus Stralsund hat die Motorräder und Jets für das Disney-Spektakel "Tron: Legacy" entworfen - und mit deutscher Ingenieurskunst in Hollywood Karriere gemacht.

Wenn er einkaufen fährt im Smart seiner Freundin, gucken die Leute, als säße Daniel Simon am Steuer eines Raumschiffs. In Los Angeles können sich viele einfach nicht vorstellen, warum jemand einen so winzigen Wagen fährt. "Da werde ich dann von 18-jährigen Halbstarken ausgelacht", sagt Simon, ein Mann mit kurzen Haaren und Drei-Tage-Bart, der es aus Stralsund nach Amerika geschafft hat.

Nein, Daniel Simon steuert keine Raumschiffe - er sorgt dafür, dass andere sie steuern können, jedenfalls virtuell. Der Fahrzeugdesigner, einst bei VW, jetzt in Hollywood, motorisiert jene Welten, die Regisseure und Drehbuchautoren sich ausdenken. Er hat die futuristischen Kampfjets und Rennwagen für Disneys Kinospektakel "Tron: Legacy" entworfen und auch die Motorräder, die "Lightcycles"; zehn Fahrzeugtypen insgesamt.

Jetzt, zum Filmstart, fliegt er mit den Disney-Leuten zu Premieren, läuft über rote Teppiche, lässt sich fotografieren mit Regisseur Joseph Kosinski und Schauspieler Jeff Bridges. Bei der Vorführung in Berlin trat er mit dem Modedesigner Michael Michalsky auf. Wie die großen Stars gibt Simon Interviews im Viertelstundentakt.

Dann spricht er über die "Pseudo-Physik" bei "Tron", an deren Gesetze sich auch seine Phantasie-Fahrzeuge halten müssen. Und er erzählt, warum Science-Fiction-Motorräder Bremshebel haben und futuristische Wagen ein Gaspedal. Zwar sagt Simon, dass künftige Autos in der wirklichen Welt solche Steuerelemente irgendwann nicht mehr bräuchten, denn der Fahrer werde sie Kraft seiner Gedanken steuern. "Doch im Film muss der Zuschauer in einer Sekunde begreifen, was er sieht." Seine Designs dürfen wegführen von der Realität, aber nicht zu weit. "Das ist alles gute deutsche Ingenieursleistung." Auch in der Computerwelt gilt Helmpflicht.

Von der Elite-Schmiede in Pforzheim zu VW

Die Filmfirma präsentiert ihn wie einen Ferdinand Porsche des Cyberspace. In einem YouTube-Film lässt ihn Disney das "ikonische" Design der "Lightcycles" erklären - als wäre ein neuer VW-Käfer entstanden. Simon sitzt am Zeichentisch und malt die Frontansicht des Licht-Rollers auf ein Blatt. "Das Fahrzeug selbst hat ein Gesicht", sagt er. Mit wenigen Strichen zeigt er, dass es freundliche und grimmige Tron-Räder gibt.

Simon, geboren 1975 in Stralsund, erzählt gern, dass er schon als kleines Kind viel zeichnete - und immer eigene Ideen zu Papier brachte. "Die anderen haben abgemalt und durchgepaust, ich habe selbst gezeichnet", sagt er, "dafür konnte ich nicht singen." Sein Handwerk lernte er an der Fachhochschule Pforzheim, mit 19 begann er sein Studium im Fach "Transportation Design". Es ist die Elite-Schmiede für Autoentwickler; Mercedes, BMW, Volkswagen rekrutieren hier ihren Nachwuchs.

"Nach dem Abschluss hat mich VW geschnappt." Dort entwarf er Concept Cars, die bei den wichtigen Messen herumstehen; arbeitete für die Konzernmarken Bugatti und Lamborghini. Eine Spezialversion des 1200-PS-Überautos Veyron tüftelte er mit aus. Welches das erstes Auto war, das er privat fuhr, will er nicht verraten - "zu langweilig". Er spricht lieber über sein erstes "verrücktes Auto", einen Sport Spider von Renault, ein Cabrio ohne Frontscheibe.

Simons Buch: Playmates in Star-Wars-Landschaften

Bald langweilte ihn der Alltag in einem weitverzweigten Weltkonzern mit mehreren hunderttausend Mitarbeitern. "Ich hatte Angst, mein ganzes Leben dasselbe zu machen." Er kündigte, zog nach Brasilien und zeichnete Raumschiffe und Rennwagen für sein Buch "Cosmic Motors", das später erschien: Auf 176 Seiten räkeln sich spärlich bekleidete Frauen vor Phantasie-Flitzern. Die fotorealistischen Illustrationen sehen aus, als hätten sich Playmates in Star-Wars-Landschaften verirrt - Trieb der Sterne. "Ich habe während dieser Zeit nur von meinem Ersparten gelebt", sagt Simon, "aber es war die schönste Zeit meines Lebens."

In Berlin mietete er schließlich ein Büro, wollte sich als Freiberufler durchschlagen. Es lief eher schleppend. Doch "Cosmic Motors" verkaufte sich in den USA immer besser, ein Exemplar landete bei Kosinski, dem "Tron"-Regisseur. Der schrieb eine Mail: Ob Simon bei dem Film mitmachen wolle? Simons Antwort war knapp: Ja, bin dabei. "In Hollywood will niemand lange Mails lesen." Er zog erneut um und legte los.

Dass ausgerechnet ein Comic voller Halbnackter im konservativen Disney-Konzern als Bewerbungsmappe akzeptiert wurde, kann der Designer auch nicht wirklich erklären. "Die sind lockerer geworden", sagt er nur. "Die Frauen im Film haben ja auch nicht viel an".

Manchmal schaffen es Simons Entwürfe sogar jetzt noch auf echte Straßen: Eine Motorrad-Firma in Florida baut die Tron-Bikes nach. Doch von seinen anderen Film-Fahrzeugen wird allenfalls das Cockpit gebaut, aus Blech, Aluminium, Spachtelmasse und Farbe. Der Rest bleibt virtuell. Das aber störe ihn nicht, sagt Simon: "Wenn sie in meinem Kopf existieren, sind sie für mich real." Den nächsten Auftrag hat er bereits. Für die Neuverfilmung von "Captain America" zeichnet er die Wagen der Nazis, Rost und Nieten statt "Lightcycles".

Seine Fahrzeuge entwirft er an einem 30-Zoll-Bildschirm und einem aufgerüsteten PC, der sich bei laufenden Lüftern anhört, wie ein Windkanal. Die Riesenanlage passt allerdings nicht in den Smart seiner Freundin. Deshalb ist Simon seinem alten Arbeitgeber VW auch in Los Angeles treu geblieben: Er fährt einen weißen Touareg. Dann gucken ihn die Leute auch nicht an, als säße er in einem Raumschiff.

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