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Fahrrad-Blog: Es wird schmutzig

Foto: Rapha/ Sebsatian Schels

Fahrrad-Blog Blut, Schweiß und Matsch

Fahrradrennen? Nein, danke. Und dann habe ich doch an einem teilgenommen - ausgerechnet einem Querfeldeinrennen, auch Cyclocross genannt. Es lief anders als erwartet.

Von unten hatte die Abfahrt am Morgen recht harmlos ausgesehen. Mäßig steil, nicht zu lang, dicht mit Gras bewachsen. Kein Problem, dachte ich. Von oben stellt sich die Sache jetzt anders dar. Es hat seit mehreren Stunden geregnet. Vom Gras ist nicht mehr viel zu sehen, überall nur tiefer Matsch. Dass die Fahrer vor mir reihenweise in den Schlamm purzeln, macht es nicht besser. Was für eine Schnapsidee!

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Foto: Hanna Becker

Zunächst deutete wenig auf eine andauernde Liebesaffäre hin. Die erste Begegnung mit einem Fahrrad, an die Ralf Neukirch sich erinnert, endete mit einem Sturz. Doch irgendwann wurde für den SPIEGEL-Redakteur das Radfahren von der Notwendigkeit zur Leidenschaft. Seither hält er es mit John F. Kennedy: "Nichts ist vergleichbar mit der einfachen Freude, Rad zu fahren."

Von den schönen Momenten, aber auch den sportlichen, technischen und persönlichen Herausforderungen des Radfahrens erzählt Ralf Neukirch regelmäßig in diesem Blog. 

Aber es hilft nichts. Ich nehme an meinem ersten Querfeldeinrennen teil, dem Rapha Super Cross in München. Ich kann schlecht gleich am ersten Hang aufgeben.

Cyclocross wird auf kurzen Rundstrecken im Wald oder auf Feldwegen gefahren. In der Regel sind Hindernisse oder steile Abhänge in den Kurs eingebaut, die man nur überwinden kann, wenn man das Rad trägt. Die Stimmung beim Cyclocross scheint mir entspannter als bei Straßenrennen. Ich komme schnell mit anderen Radfahrern ins Gespräch. Viele sind wie ich Neulinge und freuen sich auf die Erfahrung. Andere erteilen wertvoll klingende Ratschläge, die ich im Rennen alle vergessen werde. Ich hatte gelesen, dass Stürze kein Problem sind, weil man weich landet. Das trifft nicht ganz zu, wie sich später herausstellen soll.

Weil ich mich nicht gänzlich unbedarft auf das Abenteuer einlassen will, habe ich mich für einen einstündigen Workshop vor dem Rennen angemeldet. Dennis, ein erfahrener Querfeldeinfahrer, zeigt mir und sechs anderen Neulingen die Grundlagen des Sports: die verschiedenen Techniken beim Absteigen, das Tragen über Hindernisse und das Schultern, wenn es steile Hänge hinaufgeht. Besonders schwierig ist das Aufspringen: Man muss aus dem Lauf den Oberschenkel über das Rad schwingen und sich auf den Sattel gleiten lassen. Einer aus unserer Gruppe springt beim Üben zu hoch und landet krachend auf dem Sattel. Es dauert eine Weile, bis er wieder normal atmen kann.

So soll es nicht sein: eigentlich werden die Bikes an Steilhängen geschultert

So soll es nicht sein: eigentlich werden die Bikes an Steilhängen geschultert

Foto: Rapha/ Sebsatian Schels

Das Fahrrad habe ich mir, wie eine Reihe von Mitfahrern, an einem der Sponsorenstände ausgeliehen. Solche Veranstaltungen sind für die Firmen gute Gelegenheiten, ihre neuesten Räder zu präsentieren - und für uns Fahrer die Chance, Rennmaschinen auszuprobieren, die die meisten von uns sich nicht kaufen würden, weil sie so teuer sind. Mein Leih-Bike ist ein Cannondale Super X, ein Carbonrad mit Shimano-105-Schaltung und hydraulischen Scheibenbremsen, Kostenpunkt: 2500 Euro.

Crossbikes sehen aus wie klassische Rennräder, sind aber meist mit Scheibenbremsen ausgerüstet, weil der Schlamm sich in schmalen Rennradbremsen zu schnell festsetzen würde. Außerdem haben sie breitere Reifen mit Profil. Die Bowdenzüge für Hinterradbremse und Gangschaltung sind nicht unter dem Oberrohr verlegt, weil das beim Schultern des Rades ziemlich schmerzhaft wäre.

Der Cyclocross-Kurs bei München ist anspruchsvoll

Der Cyclocross-Kurs bei München ist anspruchsvoll

Foto: Rapha/ John Braynard

In meiner Gruppe fahren etwa 60 Männer. In der Hobbyklasse werden vier Runden absolviert, für die die schnellsten Fahrer etwa eine halbe Stunde brauchen. Die Strecke am Rande des Olympiastadions in München ist anspruchsvoll. Es gibt drei schwierige Abfahrten und drei Anstiege, an denen das Rad getragen werden muss. Dazwischen schlängelt sich der Weg in engen Kurven auf und ab. Auf zwei kurzen flachen Streckenteilen sind Hindernisse aus Holz aufgebaut.

Mein Ziel: Ich will das Rennen unbeschadet überstehen, egal, an welcher Position. Es stellt sich schnell heraus, dass das nicht klappen wird. Genauer gesagt, am bereits erwähnten ersten Hang.

Nicht bremsen, rät mir ein freundlicher Streckenposten, und so fahre ich zügig und halbwegs kontrolliert die Matschpiste herunter. Das Unheil kommt am Ende der Abfahrt. Weil das Absperrband sich gefährlich nähert, ziehe ich das Rad zu schnell nach links und verliere auf dem schweren Boden die Haftung. Leider schlittere ich unter der Absperrung hindurch auf einen asphaltierten Spazierweg, ein paar unschöne Abschürfungen an Hüfte und Oberschenkel sind die Folge.

Ich kann weiterfahren, aber es läuft nicht gut. Ich steige vor den Hindernissen zu früh vom Rad ab. Statt danach wieder aufzuspringen, wie am Morgen geübt, steige ich schwerfällig über das Pedal aufs Rad. Ich bin froh, dass mich niemand sieht, der mich kennt. Dass selbst der spätere britische Tour-de-France-Sieger Bradley Wiggins beim Cross einst Probleme hatte, tröstet mich nicht.

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Als ich zum zweiten Mal an den Sturzhang komme, fällt mir endlich der Rat ein, den Dennis mir am Morgen gegeben hat: auf Abfahrten und in Kurven immer nur stur dahin gucken, wo man hinfahren will, nicht auf das Vorderrad und auch nicht auf die Zuschauer. Ich meistere den Hang diesmal ohne Sturz, den nächsten auch.

Ich werde immer besser. Die engen Kurven steuere ich schneller an, die bissigen Anstiege machen plötzlich Spaß. Auf den Abfahrten überhole ich sogar den einen oder anderen Fahrer. Alles wäre gut, wenn das Kräftemessen jetzt zu Ende wäre. Aber das ist es nicht.

Die alte Maxime, dass Rennen im Kopf entschieden werden, gilt für mich leider nicht. Die Beine spielen auch eine große Rolle. Meine sind jetzt sehr schwer. Kurz vor dem Ziel rutsche ich auf einem technisch leichten Asphaltstück weg. Ich richte mich mühsam auf und rolle über die Ziellinie, die Schürfwunden brennen, eine Rippe schmerzt. Trotzdem habe ich wie die meisten anderen ein Grinsen im Gesicht. Ich bin stolz, es geschafft zu haben.

Und ich will mehr. Ich habe mir vorgenommen, diesen Winter an meiner Fahrtechnik zu arbeiten. Kurvenfahrten auf nassem Gras, steile Hänge im Schlamm, das alles ist anspruchsvoller, als ich gedacht hatte. Ich muss noch eine Menge lernen. Dann will ich es wieder probieren.

In Belgien sind Querfeldeinrennen Volkssport. In den USA sind sie in den vergangenen Jahren enorm populär geworden. Ich hoffe, dass diese Bewegung zu uns herüberschwappt. Es gibt in Deutschland zu wenig Crossrennen für Hobbyfahrer. Das muss sich ändern.

Natürlich reizt mich noch ein anderer Aspekt: Man braucht für diesen Sport ein geeignetes Fahrrad. Aber das ist ein Thema für ein späteres Blog.

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