Schönes Ding: Fiat Turbina Dem ging die Düse

Die Automobilgeschichte ist voll von irren Studien, die erst begeisterten und dann verschwanden. Diesmal: ein Fiat mit Turbinenantrieb.
Der Fiat Turbina wurde 1954 fertiggestellt und erprobt. Für die Großserie jedoch war der Jetantrieb unbrauchbar

Der Fiat Turbina wurde 1954 fertiggestellt und erprobt. Für die Großserie jedoch war der Jetantrieb unbrauchbar

Foto: torephoto / CC BY 2.0 / wikimedia commons

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Am 14. April 1954 erschütterte ein ohrenbetäubendes Fauchen den Süden von Turin. Der Lärm kam von einem neuen Auto, das an diesem Tag erstmals auf dem Testoval auf dem Dach der Fiat-Fabrik Lingotto getestet wurde. Es handelte sich um einen Prototyp mit Gasturbinenantrieb, den Fiat Turbina, den Testfahrer Carlo Salamano dort oben durch die überhöhten Kurven scheuchte.

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Fiat Turbina Prototyp: Hochfliegende Pläne

Foto: Fiat

Dante Giacosa, damals technischer Direktor bei Fiat, hatte die Idee zu einem Düsenauto. Die Entwicklung in der Luftfahrt hatte ihn darauf gebracht. Während des Zweiten Weltkriegs hatten zunehmend Düsenflugzeuge die von Kolbenmotoren angetriebenen Propellermaschinen verdrängt; in der Nachkriegsphase deutete sich dieser Technologiewechsel auch in der zivilen Luftfahrt an. Warum sollte das nicht auch beim Automobil so sein? Zumal der englische Hersteller Rover bereits 1950 ein Düsenauto namens Rover Jet 1 vorgestellt hatte.

Fiat zog mit dem Turbina nach. Die Gasturbine wurde eigens für den Einsatz als Automobiltriebwerk entwickelt. 260 Kilogramm wog das Aggregat, eine Turbine mit drei Brennkammern, zweistufigem Kompressor und drei Turbinenstufen, von denen zwei den Kompressor antrieben, und die dritte über ein Reduktionsgetriebe auf die Hinterräder wirkte. Mit bis zu 22.000 Umdrehungen pro Minute arbeitete das Triebwerk. Die Leistung lag bei rund 220 kW (300 PS), die Höchstgeschwindigkeit bei etwa 250 km/h.

Düsenantrieb und Jetdesign

Die jedoch wurde nicht auf der Fiat-Teststrecke auf dem Dach erzielt, sondern auf der Rollbahn des Flughafens Turin-Caselle. Öffentlich präsentiert wurde der Turbina wenig später auf dem Autosalon in Turin. Das spektakulär gestaltete Coupé mit den hinten angeschlagenen Türen, der geschmeidig-geduckten Form, den hohen Heckflossen und der verchromten Turbinenöffnung am Heck verzückte das Publikum.

Auch Aerodynamiker waren begeistert. Mehrere Quellen sprechen von einem Luftwiderstandsbeiwert des Wagens von 0,14 – und davon, dass diese Bestmarke 30 Jahre hielt. Im Innenraum des Zweisitzers fallen das große Holzlenkrad und die zwölf Rundinstrumente auf, die unter anderem Drehzahl, Geschwindigkeit, Öltemperatur, Brennkammertemperatur sowie den Druck in den beiden getrennten Kraftstoffsystemen anzeigen. Die beiden Kerosintanks des Fiat Turbina befinden sich in den Schwellern unterhalb der Türausschnitte links und rechts.

Zu hoher Verbrauch, zu heiße Abgase

Obwohl die Turbinentechnik an sich funktionierte, war rasch klar, dass sie als Automobilantrieb unbrauchbar ist. Viel zu hoch war der Kraftstoffverbrauch, viel zu stark die Hitzeentwicklung. Für den Fiat Turbina bedeutete dies, dass er ein Unikat blieb.

Überhaupt gab es Düsen-Pkw meist nur als Prototypen – als höchst exotische Ausnahmen. Ein Feldversuch der US-Marke Chrysler mit insgesamt 50 »Turbine Cars« von 1963 bis 1966 mit insgesamt 1,8 Millionen Testkilometern verlief zwar vielversprechend, doch ernsthaft weiterverfolgt wurde das Projekt nicht. Fast alle Testautos wurden zerstört.

Dieses Schicksal teilte der Fiat Turbina nicht. Das Auto steht heute im »Museo Nazionale dell'Automobile« in Turin. Allerdings ohne den Gasturbinenantrieb, denn der wird im »Centro Storico« von Fiat verwahrt.

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