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High-End im Auto: Lukrative Lautsprecher-Kombo

Foto: Daimler

High-End-Musikanlagen im Auto Der Klang des Geldes

Immer mehr Autohersteller verbünden sich mit High-End-Audio-Firmen, deren Produkte normalerweise so viel kosten wie ein ganzes Auto. Die staffieren Luxusautos mit Edelanlagen aus - ein für beide Seiten sehr lukratives Geschäft.
Von Kevin Schrein

Im Sommer 2006 rollt ein Porsche Cayenne auf das Werksgelände des Hi-Fi-Herstellers Burmester in Berlin. Es ist der Beginn einer dreimonatigen Hochdruck-Schaffensphase für das Unternehmen, dessen Name bei audiophilen Klangfetischisten Ehrfurcht auslöst. Und es ist der Beginn einer äußerst lukrativen Liaison, für Burmester - und für Porsche.

Ein Vierteljahr hat Geschäftsführer Dieter Burmester Zeit, den Hochpreis-SUV in einen rollenden Konzertsaal zu verwandeln. Er steht dabei im Wettbewerb, neben Burmester sollen auch drei andere Hi-Fi-Hersteller je einen Cayenne mit ihren Komponenten ausstaffieren. Wer die Ingenieure in Zuffenhausen überzeugt, wird sozusagen Hi-Fi-Partner und darf die Sportwagen in Zukunft ausrüsten. Es wäre ein Auftrag in Millionenhöhe.

Burmester, ergrautes Haar, randlose Brille, ist ein Hi-Fi-Urgestein. Teure Lautsprecher und Elektronik verkauft er in die ganze Welt. Nun sollen seine Produkte ins Auto. Drei Monate später testen die Porsche-Ingenieure die Wagen. Der Klang der Berliner Hi-Fi-Schmiede überzeugt.

Mittlerweile, fast neun Jahre später, kann der Kunde nicht mehr nur im Cayenne, sondern in jedem Porsche-Modell eine Burmester-Soundanlage dazu buchen.

Das Auto ist die neue Wohnung

Die Automobilhersteller setzen auf den guten Klang. Sie wollen einen Trend ausgemacht haben: Immer mehr Kunden wohnen in Großstadtwohnungen und haben dort kaum noch die Möglichkeit, Musik bis spät in die Nacht und in hoher Lautstärke zu hören. Das Auto, so die Überlegung der Automobilkonzerne, mutiert zum letzten Ort für hochwertigen Musikgenuss.

Das ist nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fragen die Deutschen durchaus Lautsprecher für den Heimgebrauch nach. Beliebt sind sogenannte Soundbars, die unter dem Fernseher Platz finden und sich am besten mit Smartphone oder Tablet bedienen lassen. Einige Audiofirmen verzeichnen hohe zweistellige Wachstumsraten.

In einem Punkt haben die Automobilhersteller aber Recht: Qualität ist gefragt. "Der Kunde will zunehmend eine hochwertige Anlage", sagt Bettina Steinbrenner von der GfK.

Ein Sound wie auf dem Kopfhörer

Die Automobilkonzerne gehen deshalb Partnerschaften mit High-End-Herstellern ein. Porsche und Mercedes setzen auf Burmester, Audi auf Bang & Olufsen und Jaguar verbaut Meridian. "Die Strahlkraft der Marken möchten wir nutzen", sagt Mathias Renz, Leiter der Sound-Systeme bei Porsche.

Doch es geht auch um das Know-how der Hi-Fi-Firmen. Sie bringen jahrzehntelange Erfahrung und frische Ideen mit - zum Beispiel in der Verstärkertechnologie. In der Regel verbauen Audiofirmen digitale Verstärker. Burmester setzt im Hoch- und Mitteltonbereich auf analoge Verstärker. "Das klingt feiner", sagt Dieter Burmester.

Doch lässt sich in einem Auto überhaupt ein Klang erzeugen, der dem einer Wohnzimmer-High-End-Anlage auch nur nahe kommt? Burmester zeigt sich davon überzeugt, auch wenn er schlecht etwas anderes sagen könnte, denn er verdient ja inzwischen gut mit den Autoanlagen. Doch er beharrt und betont die Vorteile des Autos: "Da braucht man nur vier Kubikmeter zu beschallen", sagt er. "Verzerrungen treten praktisch nicht auf." Außerdem sitzen Fahrer oder Beifahrer immer im Direktschall, erklärt Burmester, störende Reflexionen gebe es kaum. "Das ist wie hören mit einem Kopfhörer.

High-End zum Schnäppchenpreis

In der sogenannten Konzeptphase kommen Autobauer und Hi-Fi-Firma das erste Mal zusammen. Gemeinsam identifizieren sie Hohlräume wie zum Beispiel Türen, die als "Lautsprechergehäuse" dienen könnten. Danach geht der Audiohersteller mit einem Lastenheft an Anforderungen nach Hause und beginnt mit der Zusammenstellung und dem Einbau der Anlage.

Zuletzt justieren Ingenieure die Anlage bei Testfahrten. "Wichtig ist, den Sound nicht nur nach Messgeräten, sondern auch nach dem Gehör abzustimmen", sagt Burmester. Dank Digitaltechnik lässt sich für jeden Platz die beste Soundkonfiguration abspeichern. So viel Arbeit hat ihren Preis. Je nach Anzahl der Lautsprecher und der Verstärkerleistung verlangen die Autobauer zwischen 1000 und 7000 Euro Aufpreis. Bis zu 20 Lautsprecher und 1500 Watt beschallen bei den Top-Ausführungen die Passagiere.

Das ist vergleichsweise günstig. Eine Burmester-Anlage fürs Wohnzimmer kostet mindestens so viel wie ein Golf, schnell aber auch so viel wie ein Porsche. Die im Vergleich dazu günstigen Preise für die High-End-Autoanlagen werden möglich, weil im Auto teure Lautsprechergehäuse wegfallen und der Verstärker ohne chromverziertes Chassis auskommt. Und nicht zuletzt verbaut die Automobilindustrie weit höhere Stückzahlen als Burmester mit seinen Wohnzimmer-Lautsprechern. Das drückt den Preis der einzelnen Komponenten.

Für die Autokonzerne sowie die Hi-Fi-Hersteller ist die Zusammenarbeit ein lukratives Geschäft. In den vergangenen Jahren hat sich die Nachfrage deutlich erhöht. Porsche teilt mit, die Einbaurate habe sich im Geschäftsjahr 2014 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Bei Audi buchen zwei Drittel der Käufer eines A7, A8 oder Q7 eine Bose-, oder die teurere "Bang & Olufsen"-Anlage hinzu. Im vergangenen Jahr verbauten die Ingolstädter 300.000 Einheiten der hochwertigen Anlagen in ihre Autos. Mercedes will sich zu Einbauraten nicht äußern, spricht aber von einem guten Geschäft - und bietet die Burmester-Option mittlerweile auch in seinen Mittelklassewagen an.

Und wie klingt es? Burmester sitzt auf dem Firmengelände in einer S-Klasse. Er drückt ein paar Knöpfe und "Child in Time" von Deep Purple ertönt: Unverzerrt mit drückendem, sauberen Bass und der Stimme von Ian Gillan direkt vor dem Zuhörer. Es kling wie im Wohnzimmer.

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