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Jaguar XKSS Recreation: Phönix aus der Asche

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Jaguar XKSS Recreation Renner aus Ruinen

60 Jahre nach einem Feuer in der Fabrik beseitigt Jaguar jetzt sozusagen den Brandschaden: Neun verkohlte Sportwagen-Legenden werden nachgefertigt. Dabei geht es weniger um Geschichte - sondern ums Geschäft.

Der 12. Februar 1957 war buchstäblich ein schwarzer Tag in der Geschichte von Jaguar: Damals wütete in der Fabrik in der Browns Lane in Coventry ein verheerendes Feuer. 270 Neuwagen wurden verkohlt, darunter auch neun von insgesamt nur 25 Exemplaren des XK SS, der zu den spektakulärsten Autos seiner Zeit gehörte. Jetzt machen die Briten, mit etwas Verspätung, den Schaden wieder gut.

Verantwortlich für die Wiederauferstehung der neun Fahrzeuge ist die Klassiksparte von Jaguar. Viele Marken unterhalten inzwischen derlei Abteilungen. Sie sollen die Historie pflegen und das lukrative Geschäft mit Oldtimern wieder zurück in die Hände der Hersteller führen. Jaguar war bei diesem Trend vergleichsweise spät dran, landete dafür auf Anhieb einen Coup: Mit dem Nachbau von sechs "Lightweight"-Versionen des legendären E-Type vor zwei Jahren machten sich die Briten über Nacht einen Namen in der Szene. Jetzt baut die noch junge Klassiksparte bis Anfang nächsten Jahres die neun verbrannten Renner nach.

Das Auto gilt als einer der ersten Supersportwagen der Welt und war vor allem ein Kind des Marketings. Der XKSS wurde hergestellt, um Kapital aus den drei aufeinander folgenden Siegen des D-Types beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans zu schlagen. Die Briten entwickelten die Restbestände des D-Types so weiter, dass sie eine Straßenzulassung erhalten konnten, und hofften darauf, dass die Wagen den Ruhm der Rennerfolge mehren würde.

Die wohl sexieste Werkstattwerbung der Autobranche

Zwar fiel der Zähmung die spektakuläre Finne zum Opfer, die das Heck des Rennwagens ziert. Es gab für die zivile Variante eine zweite Tür, neue Scheinwerfer und sogar Stoßstangen. Doch das Design mit der stark geschwungenen Motorhaube blieb und war genau so spektakulär wie die Fahrleistungen: Angetrieben von einem Sechszylinder mit 3,4 Litern Hubraum und 266 PS brachte es der XKSS auf damals irrwitzige 230 Km/h.

Diese Werte gelten auch heute noch - genau wie die Motivation für das Projekt: Marketing. "Nur wenn wir damit Geld verdienen, können wir uns solche Projekte leisten", räumt Classic-Chef Tim Hannig ein. Das Geld verdient Hannigs Abteilung aber nicht nur mit dem Verkauf der neun Nachbauten, die in monatelanger Kleinarbeit mit Originalwerkzeugen und Original-Bauteilen nach Originalplänen an Originalschauplätzen in Browns Lane entstehen.

Die Fahrzeuge werden überwiegend in Handarbeit mit Originalwerkzeug gebaut

Die Fahrzeuge werden überwiegend in Handarbeit mit Originalwerkzeug gebaut

Foto: Jaguar

Vor allem sind diese sogenannten Recreations eine Werbemaßnahme für die Wartungs- und Restaurierungsarbeiten, mit denen die Heritage-Truppe den größeren Umsatz macht: "Seitdem wir uns mit dem Nachbau des Lightweigt E-Type einen gewissen Ruf erarbeitet haben, sind unsere acht Werkstattplätze auf Monate ausgebucht", verrät Hannig das Kalkül hinter der Wiederbelebungsmaßnahme.

Bei dem Projekt gewinnen alle

Gleichzeitig hat Jaguar mit fabrikneuen Oldtimern wie dem E-Type Lightweight oder nun dem XKSS möglicherweise eine Marktlücke gefunden, aus der sich größere Konkurrenten mit einer längeren Historie und einer größeren Klassikabteilung bislang herausgehalten haben. Vielleicht zu Recht - das wird die Zukunft zeigen. Die Jaguar-Nachbauten sind seltsame Zwitterwesen in der Oldtimer-Welt. "Einerseits originalgetreu und exakt nachgebildet", sagt Dietrich Hatlapa, der von London aus die Klassikszene beobachtet und den Oldtimer-Preisindex Hagi erstellt. "Nur sind es eben trotzdem keine Originale, und sie sollten auch nicht als solche ausgegeben werden", mahnt der Experte.

Werde das beherzigt, gibt es in seinen Augen bei diesem Projekt nur Gewinner: Jaguar, weil die Briten auch für die Nachbauten eine erkleckliche Summe einstreichen werden. Die Kunden, weil sie nur eine Million Pfund für einen immerhin echten Jaguar XKSS bezahlen müssen. Denn wenn mal eines der 16 Originale den Besitzer wechselt, dann stets für Summen im zweistelligen Millionenbereich, sagt Hatlapa. Ein XKSS, der zwischendurch mal Steve McQueen gehört hat, wird gar auf 30 Millionen Dollar taxiert.

Natürlich seien die neuen Originale nicht ganz so viel wert wie die alten, schränkt Hatlapa ein. Doch als Klassiker ab Werk sei bei derart geringen Stückzahlen und einer so ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte der Wertzuwachs fast programmiert: "Geld verlieren wird man damit wahrscheinlich nicht."

Schwierige Auswahl der Kunden

Aber auch wenn Hatlapa vor allem Analyst ist und deshalb in Zahlen denkt, gibt es für ihn bei dieser Rarität noch einen ganz anderen Reiz - das Fahren. Kein 70 Jahre altes Auto kann so gut in Schuss sein wie ein Neuwagen, selbst wenn die Technik identisch ist, sagt der Experte: "Wen stört es da, ob die Fahrgestellnummer neu oder alt ist?"

Sorgen um den Verkauf der neun Exemplare muss sich Classig-Chef Hannig sowieso nicht machen. Kaum hatten die Briten das Projekt am Rande der New York Motorshow angekündigt, standen weit mehr Interessenten Schlange, als Hannig Autos verteilen kann. Dass trotzdem noch nicht alle Fahrzeuge vergeben sind, liegt an der Mühe, die sich Jaguar bei der Auswahl der Kunden macht: Es sollen keine Spekulanten sein und keine Sammler, die den Wagen auf Nimmerwiedersehen in einer private Garage stellen. Und halbwegs gleichmäßig über den Globus verteilt will Hannig die neun Exemplare auch noch wissen.

Deshalb werden wohl noch ein paar Wochen vergehen, bis unter jedem Vertrag die Tinte trocken ist. Aber nachdem die neun XKSS nun fast 60 Jahre Lieferzeit hatten, kommt es darauf nun auch nicht mehr an.

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