
Kustomizer Randy Grubb Der Autobildhauer
Aus Randy Grubb wäre bestimmt ein guter Zahnarzt geworden. Sein Vater war Zahnarzt und sein Großvater auch. Kampf gegen Karies in dritter Generation, das hätte Sinn ergeben. Aber es gab noch eine andere Familientradition bei den Grubbs, und das war die Liebe zu Autos. Der Verstand sagte Zahnarztpraxis, das Herz sagte Autowerkstatt.
Randy Grubb hörte auf sein Herz.
Grubb repariert keine Autos, er entwickelt sie auch nicht im Auftrag von großen Herstellern. Der 55-Jährige baut sie selbst. Er bezeichnet sich als "Automotive Artist", als Automobilkünstler. Seine Fahrzeuge, sagt er, sind Skulpturen.
Er sei ein exzellenter Künstler und ein exzellenter Ingenieur obendrein, behauptet Randy Grubb von sich selbst in exzellenter Unbescheidenheit. Das erste Auto, das er selbst konstruierte, war das sogenannte Tank Car - ein sechseinhalb Meter langer und viereinhalb Tonnen schwerer Roadster mit 815 PS, ein silbernes Monstrum, das einem Comicfilm für Erwachsene entsprungen scheint.
Grubb verkaufte es an Jay Leno. Der Starmoderator zeigte den Wagen Arnold Schwarzenegger mit den Worten, er fahre jetzt ein Terminator-Auto.

Randy Grubb (l.) mit Jay Leno und dem Tank Car
Foto: Randy Grubb Archives"Wenn man von sich sagen kann, 'Ich bin der Typ, der ein Auto gebaut hat, mit dem jetzt Jay Leno fährt', dann ist das schön", meint Grubb. "Was man aber auf gar keinen Fall von sich sagen will, ist 'Ich bin der Typ, der das Auto gebaut hat, das Jay Leno killte'". Worauf er hinaus möchte: So verrückt das Design sein mag, die Technik - Lenkung, Bremsen, Antriebssystem - funktioniert verlässlich. "Meine Skulpturen sind sicher."
Hier kommt wieder die Familie ins Spiel. "Ich habe jahrelange Erfahrungen mit der Schrauberei an Autos", sagt Grubb. Als er acht Jahre alt war, stellte sein Vater einen Ford Model A in die Garage, den die beiden gemeinsam restaurierten. "Das war ein Familienprojekt. Damals hat sich in mir ein Funke entzündet."

Ford Model A
Foto: imago/ alimdiSein Opa, erzählt er, fuhr zu dieser Zeit einen 1946er Lincoln Continental mit Carson Top - das ist ein flaches, abnehmbares Dach, das bis heute vor allem in der Hot-Rod-Szene beliebt ist. George Barris persönlich hatte den Continental lackiert. Jener George Barris, der später das erste Batmobil bauen sollte und als Koryphäe der Kustom-Kultur galt.
"Wir wohnten in Glendale, Southern California", sagt Grubb. "Glendale ist der Geburtsort des Hot Roddin'". Worauf er jetzt hinaus möchte: Er ist dort geboren, wo die Hot-Rod-Kultur geboren ist. Als historische Belege für Glendale zählt Grub die Namen von Kustomizing-Ikonen auf: "Frank Kurtis von Kurtis-Kraft, A.J. Watson mit seinen Watson-Roadstern, der Zulieferer Edelbrock - in dieser Welt bin ich aufgewachsen."
Schrecken der Nachbarschaft
An seinen ersten eigenen Hot Rod, einen 1931er Ford Roadster mit V8-Flathead-Motor, machte sich Grubb im Alter von zwölf. "Ich hatte als Kind eine Menge überschüssige Energie, heutzutage hätte man mich wahrscheinlich unter Medikamente gestellt", sagt er. "Aber damals wurde eben der Hot Rod zu meinem Ventil." Als er ihn mit 14 endlich zum Laufen gebracht hatte, terrorisierte er damit die Nachbarschaft. "Ich raste täglich nach der Schule durch die Gegend, an Bord immer ein paar Kumpels." Die Folge: "Mein Vater kriegte ein Menge Anrufe anderer Eltern. Sie wollten wissen, warum sein minderjähriger Sohn in einem Fahrzeug ohne Auspuff und Windschutzscheibe das Leben ihrer Kinder riskiert."
Wer jemals 14 Jahre alt war und Eltern hatte, die Anrufe von anderen Eltern erhielten, weiß: Es roch nach Ärger.
Randy Grubb ist in vieler Hinsicht eine interessante Persönlichkeit, man kann ihn für selbstverliebt halten, für eitel, für einen Angeber. Oder für einen Menschen mit gesundem Selbstbewusstsein, viel Fantasie und handwerklichem Geschick, der das Beste aus seinen Fähigkeiten macht. Er selbst sagt über sich: "Ich fühle mich einfach glücklich." Und je länger man sich mit ihm unterhält, desto deutlicher wird, welche Rolle seine Erziehung dabei gespielt hat.
Nach den Beschwerden über die Spritztouren mit dem Hot Rod schlug sein Vater ihm vor, den Wagen doch mal anständig zu lackieren. "Er kaufte eine Farbspritzpistole, wir nahmen die Karosserie auseinander und machten uns an die Arbeit. Anstatt mich anzuschreien, leitete mein Vater meine Energie einfach um. Mit 16, als ich offiziell Autofahren durfte, hatte ich dann einen komplett fertigen Roadster."
Und dann wurde er Glasbläser
Dass die Grubbs wohlhabend waren, half natürlich bei der Energieumleitung. "Dad war Zahnarzt, wir hatten jede Menge Geld, und Autos waren unser Hobby." Umso größer der Schock, als Randy Grubb seinem Vater eröffnete, nicht in seine Fußstapfen und die seines Großvaters treten zu wollen. "Ich hatte mich auf dem College schon für Zahnmedizin eingeschrieben, aber dann entdeckte ich meine Leidenschaft für Glasbläserei."
Ja: Glasbläserei.
Grubb hatte zufällig gesehen, wie ein Glasbläser auf dem Campus sein Können demonstrierte. "Ich war von diesem Material sofort fasziniert." Und sein Vater? Grubb lacht. "Er fragte mich, warum ich nicht gleich Unterwasserkorbflechter werden möchte. Aber als er sah, wie sehr ich mich darin vertiefte, ließ er mich einfach machen."
"10.000 Dollar für Briefbeschwerer, okay?"
"In meinem ersten Job stellte ich das Zubehör für Glasbläser her, zum Beispiel Öfen. Wie man mit Stahl umgeht, hatte ich ja bei der Arbeit an den Hot Rods gelernt." Nach einiger Zeit spezialisierte sich Grubb dann auf eine Glasbläserkunst, die ihren Ursprung im Frankreich des 19. Jahrhunderts hatte: filigrane Briefbeschwerer. "Ich verkaufte sie an Sammler, teilweise für 10.000 Dollar das Stück", erzählt Grubb. "10.000 Dollar für Briefbeschwerer, okay? Ich war jetzt ein Künstler, und ich verdiente gutes Geld."
Vor ungefähr 15 Jahren schlug Randy Grubb dann einen neuen Berufsweg ein. Er tauschte das Glas gegen Metall. "Ich begab mich auf die nächste Evolutionsstufe in meinem Dasein als Hot Rodder."
Er belegte Kurse in Metallverarbeitung, vertiefte seine Kenntnisse des Schmiede-, Biege- und Walzhandwerks. Warum? "Weil die Basisfahrzeuge für Hot Rods selten geworden waren", sagt er. Als Grundgerüst für einen klassischen Hot Rod dient in der Regel ein zweitüriges Vorkriegsmodell. "In den Siebzigerjahren, als ich jung war, gab es davon noch genügend. Aber in den Neunzigerjahren wurde die Suche immer schwieriger." Grubb beschloss, sich von den knappen Ressourcen unabhängig zu machen. "Ich wollte lernen, wie man eine flache Metallplatte in ein perfektes Karosserieteil verwandelt, in eine Skulptur. Und in diese Skulpturen wollte ich Motoren verpacken."
So wurde der Glasvirtuose zum Auto-Künstler - und Jay Leno zu Randy Grubbs erstem Kunden.
Grubb hat seitdem mehrere fantasievolle Fahrzeughüllen geschaffen, er ummantelte Piaggio-Roller und Harley-Davidson-Motorräder mit silbrigen Alukarosserien und gab ihnen Namen wie Deco Bi-Pod und Decoson. "Ich liebe die ausschweifende Eleganz der Art-déco-Bewegung. Ich will diese Kunstrichtung in die Gegenwart führen", sagt er. Das beste Beispiel dafür ist der Decoliner.

Der Decoliner
Foto: Randy Johnson"Die Idee für den Decoliner kam mir auf einem Hausboot", erzählt Grubb. Das Boot hatte eine sogenannte Flying Bridge - so heißt der Bereich auf dem Dach, von wo aus sich eine Jacht von außen steuern lässt. "Man hatte dort oben eine tolle Aussicht, und der Wind blies mir durch die Haare. So was wollte ich auch auf einem Fahrzeug haben."
Weil Randy Grubb ein großer Fan des Comic-Helden Flash Gordon ist ("Seine Raumschiffe sehen cool aus") ging er mit folgender Frage an sein Projekt: "Was würde Flash Gordon tun, wenn er ein Wohnmobil bräuchte?" Die Antwort darauf war der Decoliner.
Grubb konstruierte eine in Handarbeit gefertigte Alu-Karosserie auf die Plattform eines GMC Motorhome von 1973 und setzte als Sahnehäubchen einen Freisitz auf das Dach. Man steigt vom Heck des Decoliners über eine Treppe auf die obere Kommandozentrale, wo sich zwei Bänke und ein Sitz befinden. Über eine Lenksäulenverlängerung lässt sich der Bus von dort aus fahren. "Wenn man oben fährt, kann man an den Ampeln die Glühbirnen austauschen", sagt Grubb.
"Crazy, crazy, wild west, good fun!"
In Deutschland denkt man beim Anblick des Decoliners nicht an Flash Gordon, sondern an den TÜV. Wie hat dieser Bus eine Straßenzulassung gekriegt? "Das ist die Westküste!", antwortet Grubb. "Hier ist die letzte Bastion des Wilden Westens. Einem Auto wird nur dann die Zulassung verweigert, wenn es gegen ein bestimmtes Gesetz verstößt. Es gibt aber kein Gesetz gegen Flying Bridges auf Bussen."
Grubb besitzt den Decoliner nicht mehr ("Ich erhielt ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte"), war damit aber nach eigenen Angaben fast 25.000 Kilometer unterwegs. "Wir machten eine Tour durch fünf US-Bundesstaaten und wurden nicht ein einziges Mal von der Polizei gestoppt. Ein Cop fragte uns über Lautsprecher, ob wir da oben auf dem Bus auch angeschnallt seien. Wir nickten, er lachte. Crazy, crazy, wild west, good fun!"
Gerade hat Grubb sein neustes Werk vollendet: den Falconer Dodici. "Ich habe mich dabei von einem 1937er Delahaye Type 145 inspirieren lassen, der im Privatmuseum von Peter Mullin parkt. Als ich den Wagen sah, war ich wie vom Blitz getroffen - ich hatte das Gefühl, vor dem perfekten Automobil zu stehen."
In Grubbs Falconer Dodici steckt - der Name sagt es - ein V12-Motor von Ryan Falconer. Der Zwölfzylinder war eine Auftragsarbeit. "Falconer ist ein legendärer Motoringenieur! Glauben Sie mir, es gab Zeiten, da unterschrieb der Rennfahrer Jackie Stewart keinen Vertrag, wenn in seinem Boliden nicht ein Falconer-Motor steckte."

Grubb am Steuer des Falconer Dodici
Foto: Randy Johnson"Ich darf mich glücklich schätzen, solche Autos bauen zu dürfen", sagt Randy Grubb. "Jay Leno liebt sie, die Leute lieben sie, und ich werde aus Deutschland angerufen, um über sie zu erzählen."
Er klingt wie ein kleiner Junge, wenn er über seine Autos redet. Genau das ist das Beneidenswerte an ihm.