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Lkw-Blog: Mit der Feuerwehr in die Wüste

Foto: Gerrit Sievert

Lkw-Blog Ich kauf mir eine Feuerwehr

Vor mir ragt ein Ungetüm auf. Eine Motorhaube, wie man sie seit Jahrzehnten nicht mehr im Straßenverkehr sieht. Ein Fahrerhäuschen, das den Namen auch verdient. Grobstollige Reifen, so hoch wie manch anderes Auto. Ich habe ein Date mit einem alten Feuerwehrauto. Baujahr 1963, knallrot, ein Monster.

Ich bin drauf und dran, mir einen uralten Haufen Blech anzuschaffen. Kein schnuckeliger, schicker Oldtimer, sondern ein grobschlächtiges Nutzfahrzeug; ein Magirus-Deutz Mercur, auch "Eckhauber" genannt.

Ich kann nicht erklären, warum, aber der Wagen hat mich in seinen Bann gezogen: schlicht, simpel, und so solide wie eine Axt. Ich träume schon lange von einem robusten Fahrzeug, das mich, meine Freundin und eine Behelfsbehausung schleppt, vielleicht sogar bis in die Wüste. Meine Freundin meldete zwar leise Zweifel an meinem Verstand an, als sie von meinen Plänen hörte, aber die würde sich schon noch überzeugen lassen.

Weil Recherche vor dem Autokauf immer hilft, meldete ich mich im Allrad-Lkw-Forum an. Dort lernte ich Michael kennen. Er ließ mich seinen Mercedes Feuerwehr-Oldtimer fahren und kennt sich gut mit der Materie aus. Zusammen stehen wir also vor dem Deutz. Auf der Tür prangt das Wappen der Stadt Siegen. Erst mal reinsetzen, falsch: hochklettern, und sehen, wie sich das so anfühlt.

Sofort kommt mir dieser Geruch von altem Auto in die Nase, dieser ganz besondere Duft von Dingen, die schon lange auf der Erde sind und gelebt haben. Das riesige Bakelit-Lenkrad, die Instrumente, die, ganz modern, mittig angeordnet sind, chromumrandet und nüchtern, besonders viele gibt es nicht: Tacho, Öl- und Bremsdruck, das war's, dazu ein paar verstreute Schalter, einige davon für die Feuerwehrausrüstung. Schöne, etwas zierliche Fensterkurbeln und Türgriffe. Nicht einmal die Frontscheibe ist eine gewölbte, durchgehende, sondern besteht aus zwei flachen Einzelfenstern.

Ich verliebe mich in all das auf Anhieb und natürlich auch in die riesige Motorhaube vor mir. Dass man einen Meter Nutzfläche verliert, kann mir ja egal sein - es ist schön und irgendwie technisch, das zählt. In späteren Lkw wurden die Motoren aus Effizienzgründen unter der Fahrerkanzel versteckt, die Hauben waren Geschichte.

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Auf zur Probefahrt. Ich traue mich erst mal nicht und überlasse es meinem Kumpel, die erste Runde zu drehen. Eine volle Minute Vorglühen, dann eine Dieselwolke, und los geht's. Lärmgekapselt ist hier nichts. Der Motor ist luftgekühlt, wodurch er zwar lauter ist, aber auch weniger Teile hat, die kaputtgehen können.

9,5 Liter Hubraum, auf sechs Zylinder verteilt, das bedeutet: Jeder einzelne Zylinder hat ein Volumen von knapp 1,6 Litern - so viel, wie moderne Pkw-Motoren insgesamt haben! Downsizing? Nie gehört. Michael hat ein Lächeln im Gesicht und fährt den Wagen auch ganz zackig. Dann bin ich dran.

Weiche Knie, ich geb's ja zu. Wenn man die Größe nicht gewöhnt ist, kommt einem jede Straße zu klein vor. Von Spaß kann noch keine Rede sein, eher Gottesfurcht und der unbedingte Wille, nirgendwo gegenzufahren. Trotzdem, diese große Kiste zu bewegen, das hat was, und es geht tatsächlich leichter von der Hand als gedacht. Die Servolenkung fehlt nur beim Rangieren, die Gänge lassen sich gut schalten, an das nur teilsynchronisierte Getriebe muss ich mich noch gewöhnen: Ich muss lernen, mit Zwischengas zu fahren, und das im Jahr 2014.

Ich bin total fasziniert und fahre trotzdem ohne Feuerwehr zurück nach Berlin. Ich tue das Ganze als schöne, aber abstruse Idee ab. Doch diese Strategie zieht nur kurz. Das sogenannte Magi-Virus hat mich infiziert: Der Wagen lässt mich einfach nicht mehr los. Ich fühle mich irgendwo zwischen Midlife-Crisis und kleinem Jungen - eine Feuerwehr, mit Blaulicht, ein automobiles Kulturgut, ein richtiger Lkw! Mal abgesehen davon, dass ich schon einen Mercedes 508 habe, eine 30 Jahre alte "Wanne", den ich mir zum Camper ausgebaut habe, und es insofern völliger Quatsch wäre.

Aber der Mercedes ist deutlich moderner und kleiner. Ich spüre es ganz stark: Der Trend geht zum Zweit-Lkw, das Virus hat dafür gesorgt, was kann ich tun?

Wie es weitergeht (und dass es weitergeht, vermutet ihr ganz richtig), beschreibe ich in meinem nächsten Eintrag.

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