
Mofa-Revival: Hocker für die Rocker
Mofa-Revival Räng-täng-täng knattert die alte Liebe
Ein beherzter Tritt reicht, dann springt der Zweitakter an. Bläst sein verbranntes Gemisch in die Halle und knattert vor sich hin. Weißer Rauch füllt den großen Raum mit den rund 65 Mofas. Dirk Stölter grinst und freut sich sichtlich über den feinen Benzin-Öl-Geruch. Lässig zieht er am Gashahn seiner Kreidler Flory, der Einzylinder fleht um Gnade und das typische Räng-täng-täng-täng hallt nach. "Das ist ein Sound, oder?", sagt der 44-Jährige und freut sich. Er und sein Kumpel Thomas Bernsen können davon anscheinend nicht genug bekommen.
Nur so ist es zu erklären, dass die beiden Männer im besten Alter in ihrer Freizeit Mofas reparieren, warten und mit Fremden am Wochenende drei- bis vierstündige Touren durchs Münsterland und am Niederrhein drehen.
Wie das manchmal bei Erwachsenen ist, die sich schon seit frühster Jugend kennen und gerne mal ein paar Biere zu viel trinken, schwelgen die beiden Kumpels eines Abends in Erinnerungen an die wilde Jugend in Hünxe und Wesel. Die längst vergangenen Zeiten, mit viel zu langen Haaren und viel zu heißen Mofas. Und dann steht auf einmal die Frage im Raum: Warum nicht noch mal 15 sein und mit einem Zylinder und 49 ccm durch die Felder düsen?
Zurück zu den Wurzeln
"Wir wollten zuerst nur wieder mit den Maschinen aus unserer Jugendzeit fahren", sagt der 51 Jahre alte Betonbaumeister Thomas Bernsen. Mit 18 hatten sie die lahmen Dinger verkauft, um das Geld ins erste Auto zu investieren. Doch mit dem Alter kam die Lust auf die Wurzeln ihres motorisierten Lebens zurück. Also besorgten sich die beiden 2005 ihre ehemaligen Maschinen aufs Neue. Eine Kreidler Flory 3-Gang und eine Hercules HRZ Hobbyrider.
Die Bastler zerlegten die Mofas, restaurierten sie und fuhren anschließend wie in alten Zeiten unbeschwert durch die Gegend. Heute sieht die hellblaue Kreidler aus wie neu, hat einen Wert von rund 2500 Euro und ist unverkäuflich. "Was früher Spaß gemacht hat, macht heute noch mehr Spaß," sagt Stölter. Das Mofa ist für ihn Mobilität und Entschleunigung zugleich.
Doch das Mofa-Rocker-Revival hatte Folgen. Bald boten Bekannte den beiden ihre alten Zweitakter an. So kamen zu den ursprünglich zwei Zweitaktern schnell weitere Maschinen dazu. Einen großen Schub brachte der Arbeitgeber von Stölter, ein Autohändler, der eine Annonce mit dem klaren Titel "Suche alte Mofas" in einem überregionalen Anzeigenblättchen schaltete. Unpraktisch nur, dass Stölter und Bernsen genau zu dieser Zeit im Urlaub waren und ständig das Handy klingelte.
Von der Reise zurück, spannten sie einen großen Hänger an den Transporter und sammelten die fast 30 Mofas von Hercules, DKW, Puch Kreidler, Peugeot und Piaggio im Umkreis von hundert Kilometern ein, für die sie rund 200 Euro pro Stück zahlten.
Besser als ein Pferd
"Das Gleiche steckt man aber noch mal locker rein, damit die Mofas wieder verkehrssicher sind", sagt Hobbyschrauber Stölter, der für die Technik verantwortlich ist und dem das Reparieren ebenso viel Spaß macht wie das Fahren selbst. "Die Technik ist überschaubar, und ich bin froh, wenn es hinterher richtig rundläuft", sagt der gelernte Metallbauer und heute hauptberufliche Hausmeister. Bremsen, Motor und Vergaser werden überholt und neue Reifen aufgezogen. Einige Maschinen parken aber immer noch zerlegt in Holzkisten und warten auf ihre Restaurierung.
Irgendwann wurde der Platz in der alten Garage knapp und eine neue Halle musste her. Als diese endlich in einem Industriegebiet in Wesel am Niederrhein in Form einer ehemaligen Pflanzen- und Samenhalle gefunden war, fragten sich Bernsen und Stölter, ob es vielleicht noch andere Menschen gibt, die ihre Leidenschaft teilen. Seit Juli 2011 gibt es nun die Mofatouren für Gruppen bis zwölf Personen, mit anschließender Erholung in der eigenen Mofadisco mit Bar, Kicker und Achtziger-Jahre-Sound. Auf der großen Leinwand laufen dann Rockerfilme - auch ohne Lederkutte.
"Die meisten Teilnehmer sind Männer um die 40, die noch mal den Zweitaktgeruch genießen und sich an ihre Jugend erinnern wollen", weiß Bernsen, der genau aus diesem Grund an seinen Mofas hängt und für die Organisation zuständig ist. Aber auch Frauencliquen sind gegenüber den alten Maschinen nicht abgeneigt. "Eine Dame telefonierte nach einem Ausflug aufgeregt mit ihrem Mann und wollte statt des versprochenen Pferdes ein Mofa kaufen", erinnert sich Stölter. Bei Stölter und Bernsen biss sie aber auf Granit. Die Maschinen sind unverkäuflich. "Es war schon mühsam, an gute Kisten dran zu kommen, und noch mühsamer, die richtig flottzukriegen. Die geben wir nicht mehr her", sagt Stölter.
Originalität ab Werk ist den beiden besonders wichtig, Frisieren nicht drin. "Das hat zwar früher jeder gemacht, aber heute geht das nicht mehr, ist einfach zu gefährlich", sagt der 44-Jährige und grinst. Die meisten Kunden fragen aber vor dem Helmaufziehen, welche Kiste denn die schnellste sei - und wollen diese natürlich auch fahren. Gut 30 Mofas sind derzeit im Verleih, die älteste ist von 1968, die jüngste von 1988. Bei der 40 Kilometer langen Tour fährt einer vor, ein anderer gibt das Schlusslicht. Und falls mal ein Mofa stehenbleibt, bringt der dritte Mann mit einem Transporter schnell Ersatz her.
2012 war für die beiden Mofa-Maniacs ein gutes Jahr, ihre Touren fanden regen Zuspruch. Fast jedes Wochenende rissen sie zwischen April und Oktober am Gashahn. Jetzt, in der Winterzeit, werden die Kisten wieder fitgemacht, einige Maschinen komplett überholt und eine ganz besonders bearbeitet.
"Die schwarze Flory soll irgendwann mal auf der Autobahn fahren dürfen - ganz legal", sagt Stölter. Dafür sind allerdings noch einige Umbauarbeiten wie geänderte Gabelbrücke, steiferer Rahmen, andere Zündung und bissfestere Bremsen vonnöten. Damit kann er richtig am Hahn reißen und selbst den jungen Rollerfahrern die Zweitaktfahne ums Visier schleudern.
Wer selber fahren möchte: www.mofatouren.de