Kleinstserienhersteller Pagani und Koenigsegg "Lamborghini ist was für Angeber"
Horacio Pagani sitzt auf einem Ledersofa und nippt an einem Mate-Tee. Ein paar Meter entfernt dreht sich eines seiner Produkte im Scheinwerferlicht des Genfer Autosalons: Der Huayra, 730 PS stark und mehr als eine Million Euro teuer. Neben Pagani sitzt Luca, sein Übersetzer. Horacio Pagani ist 60 Jahr alt, Argentinier, er spricht fließend italienisch, aber kein Englisch. Luca sagt, dass Pagani sagt, dass ein Pagani ein zurückhaltendes Auto sei. Auch die Kunden: "Bescheidene und zurückhaltende Menschen. Die Autos sind etwas Intimes. Wer angeben will, fährt Lamborghini."
Das ist die Autowelt der Kleinstserienhersteller: Von den Exoten mit den irrwitzigen PS-Zahlen und Preisen werden jährlich kaum mehr als 50 Exemplare verkauft. Ferraris, Lambos, Porsche und selbst McLaren sind im Vergleich dazu Massenprodukte.

"Zurückhaltend"? Das Interieur eines Pagani Zonda
Foto: PaganiDer Stand von Koenigsegg befindet sich auf dem Genfer Autosalon in Nachbarschaft zu Pagani. Die schwedische Marke präsentiert in diesem Jahr ein neues Modell, den Regera. Sein 5,0-Liter-Biturbo-V8 leistet 1100 PS - aber das ist nicht der einzige Motor in dem Wagen. Drei Elektromotoren (jeweils einen an jedem Hinterrad sowie einen direkt an der Kurbelwelle) liefern noch mal 700 zusätzliche PS. Macht insgesamt 1800 PS, zum Preis von rund zwei Millionen Euro.
Christian von Koenigsegg ist 45 Jahre alt, er hat seine Sportwagenmanufaktur 1994 gegründet - zwei Jahre nach Pagani, der zuvor Chefentwickler bei Lamborghini war. "Unsere Kunden sind nicht alle superreich", sagt von Koenigsegg SPIEGEL ONLINE, "bei manchen ist das Auto der wertvollste Besitz, den sie haben."
"Ich mag SUVs nicht!"
Er sieht sich als klassischen Entrepreneur, "als Selfmademan", der etwas Eigenes aufgebaut hat. Sowohl von Koenigsegg als auch Pagani erzählen, dass viele ihrer Kunden ebenfalls Selfmade-Unternehmer seien. Und schon fällt wieder das M-Wort: "Sie schätzen es, dass ihre Autos nicht von Massenherstellern stammen", sagt von Koenigsegg.

Kleinstserienhersteller Pagani und Koenigsegg: Von Agera bis Zonda
Fragt man ihn, ob er dem derzeit größten Trend der Autobranche folge und neben Sportwagen auch einen SUV zu entwickeln plane, reagiert er beinahe empört. "Ich mag SUVs nicht! Es wird vielleicht auch mal ein praktischeres Auto von uns geben, aber das dauert noch ein paar Jahre."
Laut von Koenigsegg wird in der Produktionsstätte im südschwedischen Ängelholm derzeit ein Auto pro Monat gefertigt. Für 2016 hat er sich zum Ziel gesetzt, 20 Exemplare des Modells Regera und 25 des Agera zu verkaufen. Ähnliche Zahlen peilt Pagani an: "Im vergangenen Jahr haben wir 38 Autos verkauft, 2015 werden es 45 sein. Mehr sollen es nicht werden. Exklusivität ist ein Wert unserer Marke."
Für beide ist die Herstellung der Luxusflitzer profitabel. "Wir haben bisher insgesamt 50 Millionen Euro in die Entwicklung unserer Autos investiert und machen seit fünf Jahren in Folge Gewinn", sagt Koeniggsegg. Auch Pagani ist nach eigenen Angaben im Plus, seine Manufaktur für die nächsten zwei Jahre ausgelastet.
Was es nicht zu kaufen gibt: Historie
Die Zukunftsaussichten für die Kleinstserienhersteller sind gut, sagt Stefan Reindl, stellvertretender Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) in Geislingen. "Vor allem in Asien und Nordamerika wächst die Nachfrage nach solchen exklusiven Autos." Paganis These vom "bescheidenen und zurückhaltenden Kunden" kann er aber nicht ganz nachvollziehen: "Wer so einen Supersportwagen kauft, will ein Prestige-Objekt für spektakuläre Auftritte", sagt Reindl.
Ob ein Koenigsegg oder Pagani als Anlageobjekt taugt, muss sich laut dem Autoexperten erst noch herausstellen. "Das hängt davon ab, wie sich die Hersteller entwickeln, ob bei künftigen Fahrzeugen zum Beispiel eine Evolution im Design stattfindet." So stolz die Manufakturen auch auf ihre exklusiven Stückzahlen sind - was ihnen im Vergleich zu den "Massenherstellern" wie Ferrari oder Porsche fehle, sei die Historie: "Durch eine Rennsportgeschichte wird eine Marke zum Beispiel auch mit Wert aufgeladen."
Rennsportgeschichte schreiben: Genau das ist der größte Traum von James Glickenhaus. Der 64-jährige US-Amerikaner ist ebenfalls in Genf vertreten. Auf seinem Stand sind zwei auf den ersten Blick unterschiedliche Autos zu sehen, doch eigentlich handelt es sich um das gleiche Modell, den SCG003. Der Preis: 2,3 Millionen Dollar. Die Motorisierung ist mit 530 PS vergleichsweise schwach.

James Glickenhaus neben dem SCG003 auf dem Genfer Autosalon
Foto: Scuderia Cameron GlickenahusAber wo Horacio Pagani darauf hinweist, dass in jeder Schraube seiner Autos der Firmenname eingelasert ist und Christian von Koenigsegg damit prahlt, seine Autos seien schneller als jedes andere Serienfahrzeug, hebt Glickenhaus folgende Eigenschaft seiner Entwicklung hervor: "Das ist ein Motorsportwagen alter Schule - man kann damit zur Rennstrecke fahren, den Rennmotor einsetzen, andere Reifen aufziehen und dann an den Start gehen. Er erfüllt dafür alle Vorschriften. Anschließend baut man ihn wieder schnell um und fährt damit nach Hause. Versuchen Sie das mal mit einem Koenigsegg oder Pagani!"
Früher "Frankenhooker", jetzt Nürburgring
Beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring will er demonstrieren, wie das funktioniert. Und 2017 möchte er im LMP1-Feld von Le Mans, der Königsklasse des berühmtesten Langstreckenrennens der Welt, an den Start gehen. Dort, wo derzeit Großhersteller wie Audi, Porsche, Toyota und Nissan gegeneinander antreten und eigentlich ein Hybridantrieb vorgeschrieben ist. "Die Veranstalter wollen Privatiers wie mich", sagt Glickenhaus, "dafür gibt es Ausnahmeregeln."
Unter den Herstellern von Exoten ist er in Genf vermutlich der größte Exot. Bevor er Autos entwickelte, führte er die Investmentfirma seines Vaters, war Regisseur bei Filmen wie "Der Protektor" (mit Jackie Chan) und produzierte B-Movies wie "Frankenhooker". "Ich weiß noch genau, wie ich mit zwölf Jahren zum ersten Mal auf einer Automesse war", erzählt Glickenhaus, "ich habe mich damals in einen Ferrari verliebt. Vielleicht passiert das jemandem hier auch mit meinem Wagen."
Die Kosten für die Entwicklung werde er sowieso nicht reinkriegen. "Ich mache große Verluste, aber das ist okay. Ich bin jetzt Rentner und mache genau das, wovon ich schon immer geträumt habe".