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Porsche Semper Vivus: Der Urahn aller Hybridautos

Porsche Semper Vivus Das erste Hybridauto der Welt

Erst seit kurzem hat Porsche ein Modell mit Hybridantrieb im Programm. Dabei hat Firmengründer Ferdinand Porsche schon im Jahr 1900 das weltweit erste Auto mit Verbrennungs- und Elektromotor entwickelt. Einen originalgetreuen Nachbau zeigen die Zuffenhausener jetzt auf dem Genfer Salon.

Genfer Auto-Salon

Am Ende wurde es noch knapp. Mehr als drei Jahre lang forschte, dengelte und schraubte der Fahrzeugrestaurator Benjamin Drescher, doch fertig wurde sein Werk erst wenige Tage vor der geplanten Premiere auf dem . Dort tuckert das wuchtige Vehikel dann auf die Bühne: Der Semper Vivus, der detailgetreue Nachbau des ersten Hybridautos der Welt.

Ferdinand Porsche

Der weiße Riese stand schon wiederholt im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Zum ersten Mal auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900. hatte den im Auftrag der Wiener Lohner-Werke entwickelten Wagen an der Seine präsentiert und stahl damit den meisten anderen Fahrzeugen die Schau, denn einen Wagen wie den 3,40 Meter langen und 1,85 Meter hohen Viersitzer mit elektrisch angetriebenen Vorderrädern hatte die Welt bis dato noch nicht gesehen.

Hybridfahrzeug

Porsche allerdings tüftelte weiter an dem Auto, ergänzte den bis dahin rein elektrischen Antrieb durch zwei Benzinmotoren und hatte so das erste der Welt gebaut. Beim Automobilsalon des Jahres 1901 in Paris präsentierte Porsche seine Erfindung: Die zwei Einzylindermotoren trieben während der Fahrt einen Generator an und luden so die Batterien stetig nach. Porsche nannte den Wagen "Semper Vivus" - übersetzt etwa "immer lebendig". Denn während andere Elektrofahrzeuge nach ein paar Dutzend Kilometern zum Nachladen pausieren mussten, lief der Lohner-Porsche bis zu 200 Kilometer ohne Stopp.

Der Hybrid-Prototyp war 2,7 PS stark und 35 km/h schnell. Porsche entwickelte das Auto bis zur Serienreife weiter, ab 1902 wurde das Gefährt als Modell "Mixte" angeboten. Doch die Technologie war anfällig, die Autos ließen sich aufgrund der ungeheuer schweren Vorderrädern kaum auf Kurs halten und sie kosteten rund doppelt so viel wie konventionelle Fahrzeuge. Obwohl Porsche mit einem Hybridmodell ein prestigeträchtiges Bergrennen gewann und sich selbst Erzherzog Franz Ferdinand in einem "Mixte" chauffieren ließ, blieb der kommerzielle Erfolg aus: Bis Ende 1905 wurden nur 65 elektrische Lohner-Porsche verkauft.

Keine Restauration, sondern ein kompletter Neubau

Heute sind davon allerdings nicht mehr als ein paar Erinnerungen geblieben. Als Porsche den Hybridantrieb wiederentdeckte und die hauseigene Kompetenz bei dieser Antriebsform mit einem Nachbau des Oldtimers unterstreichen wollte, musste Restaurator Benjamin Drescher ganz von vorn anfangen. Das war im Herbst 2007. "Es gab nur ein paar alte Skizzen und vergilbte Schwarz-Weiß-Fotos", sagt Drescher.

In Museen in Berlin, Budapest und München konnte er zwar Einzelteile wie etwa einen Radnabenmotor aus jener Zeit unter die Lupe nehmen. "Aber einfach anschauen, nachmessen und nachbauen, das ging leider nicht", sagt Drescher. Der Semper-Vivus musste nicht rekonstruiert, sondern eigentlich noch einmal neu erfunden erfunden werden. Drescher gelang dies mit Hilfe von Historikern und Ingenieuren. Es wurde auf Millimeterpapier gezeichnet, nach kaum noch gebräuchlichen Formeln von Hand berechnet und immer wieder ausprobiert, bis die Elektromotoren richtig dimensioniert waren, alle Widerstände passten und die Kapazität der Akkus stimmte.

Eine Karosserie aus Holz, Sackleinen und Teer

"Nicht nur bei der Konstruktion, auch bei der Montage haben wir alles beim Alten belassen", berichtet Drescher, dessen Werkstatt sich in Hinterzarten im Schwarzwald befindet. Die Teile entstanden also nicht an Computerfräsen, sondern an der Drehbank; die Kupferspulen der Motoren wurden von Hand gewickelt; das Lohner-Logo ist nicht gedruckt, sondern gemalt. Und die Karosserie besteht nicht aus Kunststoff oder Metall, sondern aus Holz, das mit Sackleinen überzogen und mit Teer imprägniert wurde. Wer mit dem Finger über den Lack fährt, spürt deshalb noch die grobe Struktur.

Der Ehrgeiz der historischen Präzision hat Drescher etliche Überstunden eingebracht - etwa bei der Herstellung der hüfthohen Vollgummireifen auf der Hinterachse. Die konnten selbst Spezialisten nicht exakt so liefern, so dass er sie an der Drehbank selbst herstellen musste. Bei anderen Komponenten dagegen hatte er Glück. "Einen der beiden 2,5 PS starken und 0,7 Liter großen Benzinmotoren von DeDion haben wir durch Zufall auf einem Teilemarkt in Straßburg entdeckt, den anderen konnten wir in England auftreiben." Die Kosten des Oldie-Neubaus: rund eine halbe Million Euro.

Jedes Vorderrad wiegt mehr als 250 Kilogramm

Das Auto zu fahren ist noch immer Schwerstarbeit. Weil die beiden Vorderräder jeweils mehr als fünf Zentner wiegen, ist das Lenken ein Kraftakt. Vom Bremsen und Gasgeben ganz zu schweigen. "Außerdem braucht man eigentlich immer einen Mitfahrer, der auf der Rückbank sitzt und die Benzinmotoren bedient", sagt Drescher.

Nach mehr als drei Jahren Arbeit ist Drescher mit dem Semper Vivus mittlerweile so verwachsen, dass natürlich er das Auto beim Auftritt zum Genfer Salon auf die Bühne fahren durfte. Auftraggeber und Porsche-Vorstandschef Matthias Müller kam stattdessen im neuen Panamera Hybrid herein gerollt. Der sei nicht nur leichter zu fahren, sagte der Müller, sondern er biete noch einen weiteren Vorteil: "Man sitzt einfach bequemer".

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