Rigaer Automuseum Breschnews Blechschaden
Letten sind wahre Autofanatiker. Überall in der schicken Rigaer Altstadt fallen die großen Allrader auf: In BMW X5, Toyota Landcruiser oder Range Rover Vogue lassen sich nicht mehr ganz junge Männer gerne sehen. Was noch ins Auge fällt: starrender Schmutz. Nur in Ausnahmefällen sind die teuren Karossen geputzt. Bei aller Liebe zum fahrbaren Untersatz verwenden Letten offenbar wenig Sorgfalt auf dessen Pflege.
Im Automobilmuseum von Riga zeigt sich ein anderes Bild. Hier sind die Vehikel mächtig herausgeputzt. Überall blitzt polierter Chrom und auf Hochglanz gewienerter Autolack auf. Ein signalroter Cadillac Sedan de Ville von 1959 mit dreißig Zentimeter hohen Heckflossen, der ganze Stolz der Sammlung, funkelt gleich am Eingang den Besucher an. Dagegen wird das eigene Spiegelbild vom stumpfen Lack eines ZiL 111 aus Moskauer Produktion fast vollständig geschluckt. Das "Motor Musej" befindet sich am äußersten östlichen Stadtrand der lettischen Metropole, noch "hinter der Coca-Cola-Fabrik", wie die Hotelrezeptionistin sagt. Ein opulenter Eingang, dem Kühlergrill eines Rolls Royce nachempfunden, lädt den Besucher zu einem Rundgang durch die Automobilgeschichte Lettlands ein. In der umfangreichen Schau spiegeln sich sowohl die politischen Wirren des Landes, als auch der Autofanatismus seiner Bürger wider.
Deutsche Oldtimer, ZIL-Limousinen
Im Laufe des 20. Jahrhunderts geriet Lettland zwei Mal unter deutsche und zwei Mal unter sowjetische Besatzung. Erst im August 1991 erlangte das Land die Unabhängigkeit zurück. Dass in der Ausstellung so viele deutsche Oldtimer zu sehen sind - etwa ein elegant geschwungener DKW-F8, ein blauweißer BMW 327/28 oder das spektakuläre Sportcabrio Horch 853 -, entspricht wohl nicht ganz dem allgemeinen Straßenbild Rigas in den vierziger Jahren. Vielmehr sind die Karossen Kriegstrophäen, die sich die sozialistische Siegermacht einverleibt hatte.
Gegen solche Westimporte hatte die Staatsführung der UdSSR wenig einzuwenden. In den fünfziger Jahren spielten allerdings Oberklasse-Vehikel des sowjetischen Herstellers Zavod Imeni Stalina (ZIL) schon aus Imagegründen eine zunehmende Rolle. Von der Prachtlimousine ZiS-115 S, einem Opel Kapitän nicht unähnlich, ließ Josef Stalin nur 38 Stück bauen - kugelsicher, mit Panzerglas ausgestattet und insgesamt 7800 Kilogramm schwer.
Mit Leonid Breschnew zog ab 1964 Glamour in den Autopark des Kreml ein. Mehr als zwanzig Luxusschlitten aller namhaften Hersteller versammelten sich in der Kreml-Tiefgarage. Zum Teil handelt es sich um Staatsgeschenke: So überließ Richard Nixon 1973 Breschnew einen trapezförmigen Lincoln Continental Town Car. Und Erich Honecker besiegelte 1980 den sozialistischen Bruderkuss mit einem schnittigen Mercedes 280 SEL.
Breschnew im Royce
Dem lettischen Automobilclub gelang es schon vor dem Mauerfall, sich einige dieser Exponate zu sichern, die meist gut erhalten sind. Vom Rolls Royce Silver Shadow lässt sich das allerdings nicht behaupten. Darin war der sowjetische Parteilenker Breschnew 1980 höchstselbst in einen Autounfall auf den Straßen Moskaus verwickelt.
Die Rigaer Ausstellung rühmt sich, das einzige nicht reparierte Exemplar des britischen Luxusherstellers zu zeigen, und leistet sich einen bizarren politischen Kommentar: Im Wageninnern ist eine Wachsfigur Breschnews im Moment des Aufpralls zu erkennen. Handelt es sich hier nur um einen Unfall, oder ist ein ganzer Staat vor die Wand gesetzt worden?
Anders als es einem die Hummer und die Ford Expeditions auf den Straßen Rigas weismachen wollen, ist die Zukunft des Automobils längst entschieden. Zumindest aus der Perspektive der Museumsleute. Sie gleicht entweder einer aerodynamischen Studie von Volkswagen, die schon 1980 einen Turbodiesel hatte und mit sechs Litern Spritverbrauch auf Tempo 250 km/h kam. Oder sie liegt im Amphibienfahrzeug des lettischen Konstrukteur Krlis Krauklis, das einem Fliewatüüt zum Verwechseln ähnlich sieht.