
Flotter Schwedenhappen: Günstiger Oldtimer Saab 99
Günstiger Oldtimer - Saab 99 Der Schwedenhammer
Sie haben richtig Lust auf einen Oldtimer, trauen sich aber nicht, einen zu kaufen, weil Altautos in vielen Medien nur noch als Wertanlage thematisiert werden? Keine Angst, man muss nicht erfolgreich an der Börse spekuliert haben, um schönes Blech zu fahren.
Klar, für Großvaters abgelegte Karren von Mercedes oder BMW sind inzwischen stolze Summen fällig, und für die meisten alten Porsches werden heute Mondpreise gezahlt. Aber zwischen all den teuren Strahlemännern, die in der Regel kaum noch bewegt werden, gibt es sie noch: die Mauerblümchen, die Exoten, die kaum jemand auf dem Schirm hat – und die entsprechend wenig kosten. Und das nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im Unterhalt. Autos, bei denen die Ersatzteilversorgung kein Problem ist und für einen Auspuff nicht ein ganzes Monatsgehalt einkalkuliert werden muss.
Wir haben sie zusammengetragen und stellen sie in einer Serie in regelmäßigen Abständen vor.

Flotter Schwedenhappen: Der Saab 99
Foto: Vivian J. RheinheimerAllgemeines zum Modell: Wer einen Saab 99 als Neuwagen kaufte, war mutig. Beim Verkaufsstart 1969 war die schwedische Automobilmarke in Deutschland kaum bekannt. Die Konkurrenz in der oberen Mittelklasse hieß damals Mercedes Strich-Acht, BMW 02 oder Audi 100. Und sie war dem Saab in mancher Hinsicht unterlegen.
So überraschte der Saab 99 mit technischen Innovationen. Die Fahrgastzelle der Karosserie setzte neue Maßstäbe in Sachen passiver Sicherheit. Das Zündschloss positionierten die Entwickler in der Mittelkonsole, um bei einem Unfall das Risiko von Knieverletzungen zu senken. Auch Sicherheitsgurte und Kopfstützen waren Serie - damals längst keine Selbstverständlichkeit.
In Mittelklasseautos war in den Siebzigerjahren zudem Hinterradantrieb der Standard. "Beim Saab 99 setzten die Ingenieure auf Frontantrieb, was anfangs belächelt wurde", sagt Ralph Bredlow aus Berlin. Bredlow Automobile wurde 1966 einer der ersten offiziellen Vertragspartner der Marke aus Trollhättan.
Das Lächeln verging den Kritikern schnell. Denn der Saab 99 nutze die Vorteile des Konzepts konsequent. Zum einen überzeugte er mit viel Platz im Innenraum: Weil das Getriebe unter dem Motor angeflanscht war, konnten die Konstrukteure auf einen raumschluckenden Mitteltunnel verzichten. Zum anderen wurde durch den so verblockten Antriebsstrang praktisch die gesamte Last auf die Vorderachse verteilt. "Das brachte ein hervorragendes Fahrverhalten, besonders im Winter", erklärt Bredlow.
Dazu kamen kleine, aber spritzige Motoren. Schon der Einstiegs-Vierzylinder mit 1,7 Litern Hubraum und Vergaser leistete 80 PS, die Variante mit Einspritzung 87 PS. Dieses Aggregat kaufte Saab von der britischen Marke Triumph zu. Ein Jahr später wuchsen Hubraum (1,85 Liter) und PS-Zahl (86 bzw. 97 PS). Die erste Eigenkonstruktion war ab 1973 der sogenannte B-Motor, ein Triumph-Triebwerk abgeleiteter Motor mit zwei Litern Hubraum und 95 PS als Einfach- sowie 108 PS mit zwei Vergasern. Mit einer Einspritzanlage von Bosch leistete das Aggregat 110 und ab 1975 sogar 118 PS.
Eine Sensation war dann 1977 die Einführung des Saab 99 Turbo. Eine Leistungssteigerung mit Ladetechnik boten damals nur die Sportwagen Porsche 911 und BMW 2002. "Saab machte den Turbo für die Masse erreichbar", sagt Ralph Bredlow. Mit Zwangsbeatmung rannte der Saab 99 rasante 200 km/h.

Flotter Schwedenhappen: Günstiger Oldtimer Saab 99
Seine Avantgarde ließ sich Saab teuer bezahlen. Bei Markteinführung kostete der 99 in Deutschland üppige 10.600 D-Mark. Andererseits lief schon das Basismodell mit Extras vom Band, die bei anderen Marken Aufpreis kosteten: etwa heizbare Heckscheibe, Scheinwerferreinigungsanlage oder Sitzheizung. Auf Wunsch waren auch Schiebedach oder Klimaanlage erhältlich, Ledersitze dagegen nicht.
Mit dem Sondermodell EMS konnten sportlich orientierte Kunden ihren 99 aufmotzen - Lederlenkrad, Einspritzmotor, strafferes Fahrwerk, Alufelgen, Sonderlackierung und edlere Sitze gehörten zu dem Paket. Eher auf Komfort ausgerichtet war dagegen das Modell GLE mit weichem Fahrwerk, elektrischen Außenspiegeln, speziellem Interieur sowie später einer Servolenkung.
Warum ausgerechnet der? Mit dem 99 zeigte Saab schon vor 50 Jahren, wie Downsizing geht. Während die Konkurrenz spritsaufende Sechszylinder verbaute, setzten die Schweden auf kleine, sparsame Motoren mit viel Leistung. Schon mit den Vierzylinder-Saugern ist die Limousine flott unterwegs, egal ob Vergaser-, oder Einspritzvariante.
Zur Rakete wird der 99 mit dem Zweiliterturbo, mit dem Saab in den Siebzigern auch Rennsportgeschichte schrieb. "Der 99 war das erste Rallyeauto mit Turbolader, das Punkte bei Rallye-Weltmeisterschaften holte", sagt Ralph Bredlow, der selbst seit 1981 einen weißen Turbo besitzt und jede Fahrt genießt. "Ich bin jedes Mal begeistert von der Straßenlage und der Leistungsentfaltung."
Auch das Turbokonzept hatte Saab klug durchdacht: Statt den Lader auf maximale Leistung auszulegen, entwickelten die Schweden die Turbine in eine andere Richtung. Schnelles Ansprechverhalten und Fahrbarkeit im Alltag waren die Prämisse. Bei 1500 Umdrehungen pro Minute beginnt der Schub des Turbo, schon bei 3000 Umdrehungen pro Minute entwickelt er seinen maximalen Druck. Das gefürchtete Turboloch (erst passiert bis 4000 Umdrehungen nichts und dann erfolgt der Tritt ins Kreuz), das alle Konkurrenten jener Zeit plagte, hatte Saab so erfolgreich geschlossen. Zudem produzierte die Turbine deutlich mehr Drehmoment als Leistung, was den Motor wunderbar elastisch machte.
Praktisch vor allem für Großstädter sind auch die Saab-typischen, vollgummierten Stoßstangen. Die obligatorischen Rempler beim Straßenparken verlieren damit komplett ihren Schrecken.
Verfügbarkeit: Bis 1984 wurde der Saab 99 gebaut, insgesamt 588.643 Exemplare liefen vom Band. Heute ist das Angebot trotzdem überschaubar. Am häufigsten findet man Modelle mit Saugmotor, die Turbos sind selten und teurer. Deutlich größer ist das Fahrzeugangebot in Skandinavien, je nach Modell kann es sich lohnen, ein Exemplar von dort zu kaufen.
Ersatzteilversorgung: Obwohl die Automarke Saab längst untergegangen ist, sind Ersatzteile erstaunlich gut zu bekommen. Die frühere Saab Parts GmbH - heute Orio Deutschland GmbH - hat weiter viele Komponenten auf Lager, auch für den Saab 99. Was nicht mehr lieferbar ist, wird teils nachgefertigt. Nur bei Blechteilen wie Kotflügel oder Türen sowie speziellen Interieur- und Zierteilen kann die Beschaffung schwierig werden.
Ersatzteilpreise (beispielhaft):
Reparaturblech Radlauf: ab 70 Euro
Satz Bremsscheiben vorn: ab 70 Euro
Wasserpumpe B-Motor: ab 130 Euro
Turbolader B-Motor: ab 900 Euro
Schwachstellen: Saab hat beim 99 hochwertige und dicke Bleche verwendet, der Wagen gammelt deswegen längst nicht so leidenschaftlich wie viele Altersgenossen anderer Marken. Wenn sich die braune Pest ausbreitet, dann hier: Türunterkanten, Radläufe und die Achswellentunnel sind typische Nester.
Motorgeräusche wie Rasseln können auf eine malade Steuerkette hinweisen. Bei den Triumph-Aggregaten macht häufiger die Zylinderkopfdichtung Probleme. Die weiterentwickelten B-Motoren gelten als robuster, allerdings muss bei ihnen die Wasserpumpe mit Spezialwerkzeug gewechselt werden. Im Alter anfällig ist auch die Dreigang-Automatik, spezialisierte Betriebe bieten eine Überholung an.
Anlaufstellen im Internet:
Preis: Für 2000 Euro kann man schon fahrbereite Exemplare des Saab 99 bekommen. Wer dann länger Freude an dem Auto haben und es nicht nur herunterreiten will, muss meist größere Investitionen tätigen. Oder gleich ein gepflegtes Muster kaufen. Die Preise für derlei 99 muss man bei mindestens 5000 Euro ansiedeln. Doch auch das ist noch günstig: Für gute Turbomodelle zahlen Liebhaber 20.000 Euro und mehr.

Günstige Oldtimer: Bock auf Blech? Bitte hier lang
Haiko Prengel