Abgasskandal Softwareupdate bei Mercedes-Diesel wohl wirkungslos

Mercedes ruft derzeit Kunden für ein Softwareupdate in die Werkstatt, um Abschalteinrichtungen in ihren Autos zu beseitigen. Der Stickoxidausstoß soll sinken. Messungen zeigen: Das Programm macht die Motoren nicht sauberer.
Die Emissionen eines Mercedes stiegen nach einem Softwareupdate laut einer Messung sogar an

Die Emissionen eines Mercedes stiegen nach einem Softwareupdate laut einer Messung sogar an

Foto: ZDF

Die silberne C-Klasse, die in den vergangenen Wochen gleich mehrere Male durch Stuttgart fuhr, machte auch einen Abstecher nach Untertürkheim. Sie drehte vor dem Haupteingang der Mercedes-Zentrale eine Schleife, und sie stach hervor aus der Masse von Daimler-Fahrzeugen: An ihrem Hinterteil war ein mobiles Messgerät montiert, dessen Schlauch im Auspuff des Kombis verschwand.

Am Steuer des C220 CDI, Baujahr 2011, saß ein Fahrer der britischen Messfirma "Emissions Analytics", die den Ausstoß insbesondere von Stickoxiden aufspüren wollte. Das Messprotokoll enthält brisante Ergebnisse: sowohl für den Hersteller als auch für das Bundesverkehrsministerium und ihre nachgeordnete Behörde, das Kraftfahrtbundesamt.

Überprüft wurde die Wirksamkeit des Softwareupdates, das Mercedes derzeit auf die Steuergeräte Hunderttausender Dieselmotoren spielt. Mercedes-Kunden erhalten seit Wochen schon entsprechende Post, in der sie gebeten werden, mit ihrem Wagen eine Vertragswerkstatt aufzusuchen. Dort wird dann die neue Software aufgespielt, sie soll den Schadstoffausstoß der Dieseltriebwerke erheblich senken. Entsprechend wurden die Stickoxidwerte des Testfahrzeuges einmal vor und einmal nach dem Update gemessen. Bei ziemlich genau 12 Grad Außentemperatur.

Die neuen Messungen lassen ernste Zweifel aufkommen, was der Rückruf tatsächlich für die Luftqualität bringt: Vor dem Update maßen die Kontrolleure 715 Milligramm Stickoxid pro gefahrenem Kilometer, nach dem Update waren es sogar 792 Milligramm. Erlaubt sind für den Wagen 180 Milligramm.

Fahrzeuge ohne Update verlieren die Zulassung

Die Resultate, die heute Abend im ZDF-Magazin "Frontal21" um 21 Uhr veröffentlicht werden und die dem SPIEGEL vorliegen, betreffen einen Motor, mit dem der Daimler-Konzern tief in die Dieselaffäre verstrickt ist: Der OM651 ist zu Hunderttausenden in Mercedes-Dieseln der Schadstoffnorm Euro 5 eingebaut worden, unter anderem auch in die Modelle der A-, B- und der V-Klasse. Das KBA hatte einen Rückruf und ein Softwareupdate angeordnet. 360.000 Mercedes-Fahrzeuge betrifft der Dieselrückruf derzeit allein in Deutschland.

Die Kunden haben angesichts der Tatsache, dass es sich um einen verpflichtenden und keinen freiwilligen Rückruf handelt, keine Wahl: Sie müssen die Maßnahme über sich ergehen lassen, ein Fahrzeug ohne Update verliert seine Zulassung. Ein Fahrzeug mit Update hingegen ist legal, schließlich sollen durch das neue Progamm sämtliche unrechtmäßigen Abschalteinrichtungen beseitigt werden. Und dadurch die Wagen auch wieder so sauber, wie die Gesetze es verlangen. Damit brüstet sich jedenfalls Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), der im Frühjahr und Sommer 2018 den damaligen Mercedes-Chef Dieter Zetsche vorgeladen hatte. Unter anderem wegen der nun getesteten C-Klasse.

Der Umwelteffekt jedoch scheint nach dem Straßentest mit dem sogenannten RDE-Verfahren, wie ihn "Emissions Analytics" vorgenommen hat, nicht vorhanden. Das ist vor allem deshalb pikant, weil das KBA eigene Tests durchgeführt hatte, die genau zum gegenteiligen Ergebnis kamen. "Die Reduktion der NOx-Emissionen im praktischen Fahrbetrieb liegt nach KBA-Messungen bei mehr als 30 Prozent", teilte ein Sprecher des KBA auf Anfrage des ZDF mit.

Daimler spielt auf Zeit

Daimler versucht angesichts der neuen Messungen ein Spiel auf Zeit. „Das Fahrzeug und die Rohdaten der Testverläufe konnten uns bisher nicht zur Verfügung gestellt werden. Somit können wir die Messungen nicht nachvollziehen und kommentieren“, so ein Sprecher.

Die britischen Prüfer bleiben bei ihren Resultaten. "Die Softwareupdates haben allenfalls einen kosmetischen Effekt, aus politischen Gründen", sagt Nick Molden, der Chef von "Emissions Analytics". Eine politische Wirkung könnten seine Messungen tatsächlich entfalten: nämlich ein Umdenken bei den politischen Verantwortlichen in der Landesregierung Baden-Württemberg.

Sie sind zuständig für die Verbesserung der schlechten Luftqualität und die hohen Stickoxid-Konzentrationen in Stuttgart. Eine Reihe von Einfallsstraßen in der Landeshauptstadt sind seit diesem Monat für Diesel mit Euro-5-Norm gesperrt, wie eben auch jenen C220 – allerdings haben die Beamten in den Luftreinhalteplan Stuttgarts eine Ausnahme aufgenommen: für Diesel mit Softwareupdates.

Die sollen noch zwei weitere Jahre in die Stadt fahren dürfen. Die aktuellen Messdaten könnten die Gerichte vielleicht dazu bringen, diese Regelung zu Fall zu bringen. Deutlich geringere Stickoxidwerte lassen sich bei Dieseln wie jenem der C-Klasse nur mit einem Hardwareupdate erreichen. Dabei wird ein sogenanntes SCR-System eingebaut, inklusive Katalysator und einer Harnstoff-Einspritzung ( Markenname "AdBlue").

In die Kritik gerät auch die Bundesregierung. "Nach den vorliegenden Informationen hätte das KBA dieses Softwareupdate nicht genehmigen dürfen", sagte der Verwaltungsrechtler Martin Führ dem ZDF.

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