Autos im Film Abgang am Abhang

Warum gibt es eigentlich keine Oscar-Kategorien, die das "beste abstürzende Auto" oder den "besten Ausstieg aus einem Fahrzeug" küren? Beispiele solcher Szenen gibt es im Kino genug. Ein junger Russe hat sie gesammelt.
Filmszene aus "Thelma und Louise": Mit dem Thunderbird in den Grand Canyon

Filmszene aus "Thelma und Louise": Mit dem Thunderbird in den Grand Canyon

Foto: ddp images

Louise muss sich wohl verhört haben. Hat Thelma gerade "Just keep going, fahr einfach weiter" gesagt? Die beiden sitzen in einem blauen Ford Thunderbird Cabrio, Louise am Steuer und Thelma neben ihr. Vor ihnen die Schlucht des Grand Canyon. Hinter ihnen die Cops. "You're sure?", fragt Louise. "Yeah", sagt Thelma. Die beiden geben sich einen Kuss, Louise drückt aufs Gas, sie rasen auf den Abgrund zu. Dann schießt der Wagen über die Steilkante. Das Bild bleibt stehen, der Film ist aus.

Das Finale des Roadmovies "Thelma und Louise" verdient eine Stammplatzgarantie auf der ewigen Bestenliste der berühmtesten Schlussszenen. Haben Sie den Film gesehen? Dann haben Sie sich doch bestimmt auch schon einmal eingeredet, dass der Thunderbird weich landet und Susan Sarandon mit Geena Davis ins Happy End statt ins Verderben braust. Denn Regisseur Ridley Scott ersparte den Zuschauern die bei solchen Szenen üblichen Einstellungen: Nämlich dass das Auto den Hang hinunterpoltert, demoliert im Tal liegen bleibt und - ganz wichtig - schlussendlich explodiert.

Falls Ihnen jetzt gerade kein Beispiel vor Augen kommt: Lassen Sie sich einfach von Misha Petrick auf die Sprünge helfen. Der junge Russe hat ein Best-of dieser Szenen zusammengeschnitten - "Car Falls Off a Cliff" ("Auto stürzt von Klippe").

"In meinem Blog analysiere ich Filme", sagt Petrick, "und als ich über die gängigsten Kino-Klischees nachdachte, fielen mir sofort die abstürzenden Autos ein." Es blieb jedoch nicht bei diesem einen Klischee, bei dem Autos eine Rolle spielen. Petricks zweites Beispiel immer wiederkehrender Abfolgen von Kameraeinstellungen trägt den Titel "A Tribute to Stepping Out Of Car":

Supercuts werden solche Zusammenschnitte genannt, und es gibt eine ganze Reihe anderer Beispiele  dafür, wie wiederkehrende Szenen  oder einfach nur häufig benutzte Worte  eines Protagonisten aneinandergehängt werden. Nicht alle Supercuts sind allerdings mit einem so guten Gespür für Timing und passender Musik produziert wie die beiden Clips von Misha Petrick . Für den Animationsfilmer aus Moskau waren sie eine Fingerübung: "Ich habe sie einfach für mich selbst gemacht, neben meiner eigentlichen Arbeit. Derzeit sitze ich gerade an einer Kinderserie fürs Fernsehen."

Petricks genaue Beobachtungen beschränken sich längst nicht nur auf Fahrzeuge. Auf seinem Blog widmet er sich zum Beispiel auch der Netflix-Serie "Better Call Saul" und dem darin vorherrschendem Farbton. Mit besonderer Leidenschaft zerpflückt er außerdem die Werke von Wes Anderson, dem Regisseur von "The Royal Tenenbaums", "Grand Budapest Hotel" oder "Moonrise Kingdom". "Ich mag Anderson, weil in seinen Filmen sich die Erwachsenen wie Kinder benehmen und die Kinder wie Erwachsene", sagt Petrick.

"Die Leute sollen raten"

Den Spieltrieb möchte er auch bei den Zuschauern seiner Supercuts fördern. Bei "A Tribute to Stepping Out Of Car" sind die Werke, bei denen er sich bedient hat, unter dem Clip aufgelistet. Bei "Car Falls Off a Cliff" hat er aber auf die Quellenangabe verzichtet. "Die Leute sollen raten, aus welchen Filmen die Szenen stammen."

Ein lässiger Auftritt wie den Filmfiguren aus seinem "Tribute to Stepping Out Of Car" bleibt Petrick übrigens verwehrt. Jedenfalls wird er seine Füße vorerst nicht aus der Fahrertüre setzen. "Ich stehe auf wirklich sehr auf Autos", sagt er. "Aber um ehrlich zu sein: Ich habe nicht mal einen Führerschein."

cst
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