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Mallorca-Automarke Loryc: Die Wiedergeburt

Foto: Fabian Hoberg

Mallorca-Automarke Loryc Das Ballermännchen

Für viele ist Mallorca ein Synonym für Sangria und Massentourismus. Was kaum einer weiß: Auf der Baleareninsel gab es eine eigene Automarke. Die soll nun wiederbelebt werden - von einem Schwaben.

Schnelle Autos bereiten ihm Stress. "Irgendeiner will immer schneller sein. Das nervt. Vor allem hier auf Mallorca", sagt Charly Bosch. Stress kann der Erfinder und Autobauer nicht leiden, schon gar nicht in seiner Wahlheimat. Seit zehn Jahren lebt der gebürtige Schwabe in Spanien, auf Mallorca seit zwei Jahren. Damit er auch beim Brötchenholen und auf dem Weg zum Golfplatz keinen Bluthochdruck bekommt, baute er sich ein Auto zum Entschleunigen.

Als Bosch vor zwei Jahren nach Mallorca zog, suchte er ein Auto aus den Zwanzigerjahren, ein Ford Modell T. Damit wollte er gemütlich über die Insel tuckern, ohne quietschende Reifen. Ein Cabrio, aber ohne PS-Geprotze.

"Durch Zufall habe ich dann 2013 einen Bericht über Loryc gelesen. Eine mallorquinische Familie inserierte darin ihr Auto, das sie seit 80 Jahren besaß", sagt er. Dem Verkäufer war es wichtig, dass das Auto auf der Insel bleibt. Nach langen Verhandlungen erhielt Bosch den Zuschlag für den Oldtimer.

In den ersten Monaten ging ihm zweimal der alte Motor kaputt und er musste einsehen, dass er ein mehr als 90 Jahre altes Auto nicht im Alltag fahren konnte. "Ich wollte den Loryc täglich nutzen, da musste ich das Auto umrüsten", sagt der Tüftler. Schon seit 25 Jahren entwickelt und forscht Bosch an Maschinen und an Elektromotoren. Er entfernte den Motor, setzte einen E-Antrieb ein, schraubte die Akkus unter die lange Motorhaube. Nach vier Tagen und Nächten war er fertig. Bisher fuhr er mit seiner Bastellösung rund 6000 Kilometer. Ohne Probleme, wie er sagt.

Bosch ist glücklich mit dem Auto: Er sicherte sich die Markenrechte und dachte sofort über eine Neuauflage nach. Er sprach mit Zulieferern, zeichnete eine neue Version und kümmerte sich um eine europaweite Zulassung. 2015 soll eine Kleinserienproduktion starten - wie damals.

Mit 34 PS zum Straßenrennen

Loryc S.A. aus Mallorca ist eine Firma aus der ersten Boomzeit der Autoindustrie, als es eine Firmengründung nach der anderen gab. Der Erste Weltkrieg war vorbei, Kriegsgeräte waren nicht mehr gefragt. Automarken dagegen schon - auch auf Mallorca.

Der Name Loryc setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Firmengründer zusammen: Lacy, Ouvrard, Rivas, und - dafür steht das "y" - Cia. Zwei von ihnen, Rivas und Lacy, vertrieben seit 1919 Autos, unter anderem vom französischen Hersteller De Dion-Bouton. Von ihm erwarben sie eine Lizenz zum Bau eigener Fahrzeuge, Ende 1920 erhielten sie die erste Straßenzulassung.

Zwei Jahre später starteten ihre Fahrzeuge mit 34 PS bei Straßenrennen, unter anderem in Le Mans. Die schnellste Runde und der dritte Platz machte die Marke bekannt, die Aufträge häuften sich. Sogar Ernest Hemingway fuhr angeblich ein Fahrzeug während seiner Zeit in Paris (1921-1927).

Bis zu 60 Mitarbeiter schraubten an den Fahrzeugen. Karosserie und Rahmen stammten aus Mallorca, der Rest kam aus Frankreich. Das wurde 1925 zum Problem: Die Materialbeschaffung bereitete Schwierigkeiten, oft hingen die Teile monatelang im Zoll fest. Ende 1925 ging die Firma pleite. Bis dahin verließen zwischen 80 und 120 Fahrzeuge die Hallen, genau lässt sich das nicht mehr bestimmen. Heute soll es noch sechs fahrbereite Autos geben.

40 Automobilzulieferer unterstützen das Loryc-Revival

Mit einem dieser Exemplare fährt Bosch über die Insel. "Meinen jetzigen Loryc habe ich bei 65 km/h abgeregelt, die neue Version fährt 100 km/h", sagt Bosch. Das Serienauto soll moderner werden, zumindest technisch. Seine Idee vom neuen Loryc unterstützen nach Boschs Aussage rund 40 Automobilzulieferer. Bei einem großen Hersteller darf er sich im Baukasten bedienen. Dazu zählen unter anderem Bremse, Fahrwerk und Lenkung. Bauteile, die tausendfach produziert werden und zuverlässig sind. "Wir bauen ein Auto mit europäischen Certificate-of-Conformity-Papieren (COC), das alle Normen in der EU erfüllt", sagt er.

Der Rahmen schlängelt sich beim neuen Loryc  um eine große, tief liegende Batterie. Die soll für 250 Kilometer Energie liefern. "Ziel ist es, mit einer Stromladung an jeden Punkt der Insel zu kommen", sagt Bosch. Geschwindigkeit sei jedenfalls nicht alles. "Der Loryc ist ein Schönwetter-Fahrzeug. Die Kombination aus Zwanzigerjahre-Optik und Elektroantrieb genießt man besser bei Sonnenschein", sagt Bosch.

Bis zu 300 Fahrzeuge wollen Bosch und sein Mitstreiter Wolfgang Lindner pro Jahr in der kleinen Halle auf Mallorca zusammenschrauben. "Es werden deutlich weniger sein, viele Kunden wird es für das Nischenauto nicht geben", weiß Bosch.

"Es ist aber nicht ein reines Geschäft, sondern es geht auch um die Geschichte, um die Insel. Das Standardfahrzeug kostet rund 45.000 Euro, mit ein paar Extras mehr werden es etwa 50.000 Euro. Die Batterien alleine würden rund 20.000 Euro kosten. Die ersten Fahrzeuge sollen im Frühjahr fertig sein. Damit hätte Mallorca wieder eine eigene Automarke - wie vor 95 Jahren.

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