
Vespa-Tour quer durch die USA: Mit zehn PS von LA nach New York
Vespa-Tour quer durch die USA "Alle hielten uns für verrückt"
SPIEGEL ONLINE: Herr Heyne, Sie sind 9253 Kilometer durch die USA gefahren, auf einer Vespa. Welches Körperteil schmerzt auf so einer Tour am meisten?
Heyne: Nicht der Hintern. Mir haben die Handgelenke weh getan, weil ich das Schalten nicht gewohnt war.
SPIEGEL ONLINE: Waren Sie darauf nicht vorbereitet?
Heyne: Nein, nur einer von uns dreien hatte vorher eine Vespa. Die anderen haben ihre Roller erst ein halbes Jahr vor der Reise gekauft. Eigentlich ist keiner von uns ein richtiger Vespa-Freak. Sonst hätten wir die Tour wahrscheinlich auch nicht gemacht.
SPIEGEL ONLINE: Warum nicht?
Heyne: Alle Vespa-Fahrer, denen wir von unserem Plan erzählten und die wir unterwegs getroffen haben, hielten uns für verrückt. Wir bekamen dauern zu hören, dass man so einen Trip nur mit zwei Austauschmotoren machen kann.
SPIEGEL ONLINE: Und?
Heyne: Die alten Vespas sind schon Diven. Mitten in einem Indianerreservat mussten wir zum Beispiel zwei Motoren komplett auseinandernehmen, weil die Dichtringe kaputt waren. Das hat uns zehn Stunden Arbeit gekostet. Aber generell sind die Dinger unverwüstlich. Nicht mal ein falsch herum eingesetzter Kolben konnte eine der Vespas stoppen.
SPIEGEL ONLINE: Wie bitte?
Heyne: Wir sind alle drei geübte Schrauber und haben unsere Maschinen vor der Reise einmal komplett zerlegt und wieder zusammengesetzt. Dabei haben wir bei einer aber offenbar einen Kolben falsch herum eingebaut. Wir wissen bis heute nicht, wie das passieren konnte. Nach 8000 Kilometern ist es uns dann aufgefallen.

Die drei Vespa-Fahrer in den Weiten Amerikas
Foto: MotorliebeSPIEGEL ONLINE: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit dem Roller durch Amerika zu fahren?
Heyne: Ich bin schon mal quer durch die USA gereist, allerdings mit dem Auto, beruflich. Das war zwar schön, aber richtig genießen konnte ich diesen Trip nicht. Deshalb wollten wir ihn wiederholen - und zwar auf möglichst verrückte Art und Weise. Ich habe mich von einer Amerikanerin inspirieren lassen, die vor zehn Jahren auf einer Vespa von der Ostküste zur Westküste gefahren ist. Sie war mit einem modernen Modell unterwegs - wir haben uns aber für die 30 Jahre alte Variante entschieden: Die PX 200 mit luftgekühltem Zweitaktermotor und zehn PS. Die ist unserer Ansicht nach die letzte echte Vespa.
SPIEGEL ONLINE: Wie haben Sie ihr Gepäck transportiert?
Heyne: Wir hatten einen Begleitbus dabei. In dem haben wir auch geschlafen.
SPIEGEL ONLINE: Der Bus musste die ganze Zeit den Rollern hinterherschleichen?
Heyne: Ja. Uns war es wichtig, dass es nicht so aussieht, als ob wir hinter jemandem herfahren! In dem Bus saß ein Freund von uns. Den mussten wir nicht lange überreden, er war vorher noch nie in den USA und wir haben ihm das Flugticket spendiert.
SPIEGEL ONLINE: Mit welcher Geschwindigkeit waren Sie denn unterwegs?
Heyne: Meistens sind wir so zwischen 70 und 80 Stundenkilometer gefahren. Wir fuhren fast nie über Highways, sondern immer abseits großer Straßen. Unsere Route führte entlang von Sehenswürdigkeiten wie dem Santa Monica Pier, der Route 66 Monument Valley und Pikes Peak. Da waren auch lange Strecken durchs Niemandsland dabei, deshalb haben wir vorsichtshalber alle 200 Kilometer vollgetankt.
SPIEGEL ONLINE: An was denkt man, wenn man mit 70 Stundenkilometern durch die Weiten der USA rollt?
Heyne: Am Anfang ist man damit beschäftigt, Abstand von seinem normalen Leben zu kriegen. Wir haben alle Familie und Job, da denkt man natürlich darüber nach, was jetzt gerade zu Hause passiert. Irgendwann lässt man die Gedanken dann aber einfach ziehen. Und schließlich ist man mitten in der Reise drin und freut sich auf die nächste Station.

"Da waren auch lange Strecken durchs Niemandsland dabei"
Foto: MotorliebeSPIEGEL ONLINE: Beim Roadtrip im Auto kann man sich mit den Mitfahrern unterhalten. Wie erlebt man so eine Reise, wenn jeder auf seinem eigenen Roller sitzt?
Heyne: Wir hatten immer das Gefühl, miteinander unterwegs zu sein und gaben uns abwechselnd Windschatten. Wir trugen Jet-Helme ohne Visier, und wenn es die Verkehrslage zuließ, fuhren wir auch mal nebeneinander und unterhielten uns. Man nimmt alles noch intensiver wahr als im Auto, weil man nicht so abgekapselt ist. Außerdem kriegt man viel schneller Kontakt zu den Leuten.
SPIEGEL ONLINE: Inwiefern?
Heyne: Wenn man sich zum Beispiel nach einem Café erkundigen will, fährt man einfach rechts ran, steigt ab und quatscht jemanden an. Uns wurde immer geholfen, oft hat sich ein Gespräch entwickelt. Die Amerikaner wollten wissen, was wir da mit unseren Vespas machen und wo wir hinfahren. Weil wir unsere Tour über Facebook dokumentiert haben, wussten manche sogar schon, dass wir in ihre Gegend kommen. Der Höhepunkt war, dass uns die Veranstalter des größten Vespa-Treffens an der Ostküste in den USA zu ihrem Festival eingeladen haben.
SPIEGEL ONLINE: Wir wurden Sie dort empfangen?
Heyne: Wir haben den Ehrenpreis für die längste Anreise bekommen.
SPIEGEL ONLINE: In den USA sind riesige Trucks, Wohnwagen und SUVs unterwegs. Wie viel Angst hat man da auf einem kleinen Roller?
Heyne: Wenn uns Trucks überholten, hatten wir manchmal schon ein mulmiges Gefühl. Aber meist waren die Autofahrer überhaupt nicht aggressiv. Im Gegenteil, die haben uns sogar oft freundlich gewunken. Und mit der Polizei hatten wir auch eine sehr freundliche Begegnung.
SPIEGEL ONLINE: Erzählen Sie.
Heyne: Auf einer einsamen Straße kurz vor Minneapolis hat uns ein Streifenwagen zuerst überholt, ist uns eine Stunde später wieder entgegengekommen und kurz darauf hat er uns mit Blaulicht verfolgt. Als wir anhielten, sprach uns der Cop auf Deutsch an. Es stellte sich heraus, dass er aus Franken kommt. Er musste zwei Mal an uns vorbeifahren - beim ersten Mal hat er seinen Augen nicht getraut, als er die deutschen Nummernschilder an den Vespas sah.

Gruppenfoto mit Cop
Foto: MotorliebeSPIEGEL ONLINE: Haben Sie nach diesem Trip erst einmal genug vom Rollerfahren?
Heyne: Nein, die Amerikareise soll der Beginn eines großen Kultur-Checks sein.
SPIEGEL ONLINE: Wie darf man das verstehen?
Heyne: Wir sind alle drei schon viel gereist, und haben dabei festgestellt: Egal, wo man hinkommt - McDonald's, Starbucks und so weiter sind leider schon da. Wir wollen deshalb herausfinden, welche Unterschiede es überhaupt noch gibt. Die USA sind ja so etwas wie der Vorreiter für moderne westliche Kulturen, deshalb haben wir dort angefangen und arbeiten uns jetzt immer weiter östlich vor. Natürlich immer auf dem Roller.
SPIEGEL ONLINE: Was ist das nächste Ziel?
Heyne: Im kommenden Juni durchqueren wir Island. Wir wollen mit der Vespa einmal um die Welt, in Etappen. Wie bei der USA-Reise werden wir anschließend ein Buch darüber schreiben. Es geht uns dabei nicht so sehr darum, ein Tagebuch zu verfassen oder einen Ratgeber. So abgedroschen das jetzt klingen mag: Wir wollen mit den Büchern daran erinnern, dass man seine Träume leben sollte.

Motorliebe:
Auf der Vespa durch die USA
Delius Klasing;
272 Seiten; 19,90 Euro.

Das Buch erscheint am 16. April.