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Walter Röhrl wird 70: Bei diesen Sprüchen fließen die Tränen

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Walter Röhrl wird 70 Ehrlich fährt am schnellsten

Walter Röhrl ist der vermutlich beste Autofahrer Deutschlands. Jetzt wird er 70. Der zweifache Rallyeweltmeister ist aber nicht nur versiert am Steuer, sondern auch eine besondere Persönlichkeit.

"Rufen Sie ruhig an morgen", sagt Walter Röhrl, "wenn ich nicht rangehe, hacke ich gerade Holz." Beim letzten Anruf, fällt mir jetzt ein, musste ihn seine Frau ans Telefon holen. Rund ein Jahr ist das her, er schippte gerade draußen Schnee. Walter Röhrl ist zweifacher Rallyeweltmeister, gekrönt in einer Zeit, als die Rallye so spektakulär und so gefährlich war wie nie wieder. Er hat am Steuer seiner Rennwagen Dinge vollbracht, die übermenschlich wirkten. Von Rallyefans wird er deswegen bis heute vergöttert. Aber er ist weder überirdisch noch abgehoben. Walter Röhrl kann man einfach anrufen. Und dann hackt er gerade Holz oder schippt Schnee.

Das vermeintlich Einfache ist das Faszinierende an Walter Röhrl, und ehrlich gesagt, einer von zwei Gründen dafür, dass es diesen Text gibt. Der andere Grund ist relativ profan: Röhrl feiert am 7. März seinen 70. Geburtstag, ein Jahrestag, ein runder Geburtstag für einen herausragenden Sportler. Den vermutlich besten deutschen Fahrer in der Geschichte von Automobil und Motorsport.

Röhrl ist einer der Helden der ebenso legendären wie gefürchteten Gruppe B im Rallyesport, in der die Autos zu Ungetümen gezüchtet wurden, bis sie Fahrer und Fans töteten. Röhrl bezwang diese Monster auf eine fast einzigartig spielerische Art. Er hatte auch schon zuvor als Fahrer für Opel und Fiat teils unfassbare Leistungen erbracht. Aber am Steuer des heckgetriebenen Lancia 037 im Kampf gegen die wegen ihres Allradantriebs überlegenen Audi Quattro wurde sein Genie noch sichtbarer, der Wechsel zu Audi und seine kunstvollen Ritte im Quattro zementierten seinen Legendenstatus.

Ende Gelände: Röhrl verkündet nach dem Unfall in Portugal 1986 den Boykott der Fahrer

Ende Gelände: Röhrl verkündet nach dem Unfall in Portugal 1986 den Boykott der Fahrer

Foto: Mcklein

Ein Weltmeister zum Anrufen

Röhrl spielt aber auch eine entscheidende Rolle beim Ende der Gruppe B. Als bei der Rallye Portugal ein Ford RS 200 in die Zuschauer raste, drei Menschen tötete und 33 verletzte, war es Röhrl, der den Boykott der Fahrer verkündete und gegen den teils immensen Druck von Veranstalter und Teamchefs die Entscheidung verteidigte, nach der Tragödie nicht einfach zur Tagesordnung zurückzukehren und weiterzufahren. Und hier nähern wir uns wieder dem eigentlichen Grund für diesen Text. Es gibt viele herausragende Sportler. Längst nicht allen möchte man zum Geburtstag gratulieren. Menschen wie Walter Röhrl schon.

Ich erinnere mich noch sehr gut an unser erstes Gespräch, für einen historischen Artikel über die Gruppe B. Über seinen alten Arbeitgeber Audi hatte ich Röhrls Telefonnummer bekommen und konnte es kaum fassen: Ein Weltmeister, der nicht von PR-Leuten abgeschirmt wird? "Röhrl, bitte?", meldete er sich. Im ersten Moment irritierte mich dieses "bitte", später merkte ich, dass er es immer sagt. Und was es über Röhrl aussagt.

Wir redeten rund anderthalb Stunden und ich war baff, wie lebendig, wie geschliffen Röhrl sich ausdrückte. Sportler sind ja eher selten gute Erzähler. Er berichtete farbig und direkt, hin und wieder benutzte er auch Kraftausdrücke. Umso erstaunter war ich bei seiner Reaktion auf meine Frage, wohin ich die Zitate zur Autorisierung schicken soll. "Brauchen's nicht - ich weiß, was ich rede", sagte er nur. Auch als ich fragte, ob das auch für die Kraftausdrücke gelten würde. "Dazu stehe ich."

Manchmal rächt sich Röhrls Offenheit

Und so blieb es. Ich habe über die Jahre für verschiedene Artikel mit Röhrl gesprochen oder ihn getroffen. Nie wollte er ein einziges Wort gegenlesen oder zurücknehmen. Auch nicht, als er bei einem Interview anlässlich der 100. Rallye Monte Carlo tiefe Einblicke in sein Seelenleben gab. Er schilderte sich selbst als Menschen, der heftig zwischen "Selbstzweifeln und Größenwahn" pendelte und der zu einer Zeit, wo ihn die Fans feierten, seine Erfolge kaum fünf Minuten genießen konnte. Der sich schämte, auf die Siegerehrung am Abend zu gehen, der eigentlich nur heimwollte, weg von allen. Die Legende Röhrl, plötzlich ein trauriger, verletzlicher, auf gewisse Weise schwacher Mensch.

Es kommt durchaus vor, dass auch andere Personen des öffentlichen Lebens sich im Gespräch mit Journalisten offenbaren. Meist bereuen sie es aber, oder dürfen das Gesagte, zum Beispiel, wenn sie Repräsentant für eine Marke sind, so nicht stehenlassen. Dann werden die entsprechenden Passagen aus dem Interview wieder getilgt, die nicht zum dem Bild passen, das die Öffentlichkeit haben soll. Von diesen "Stars" gibt es immer zwei Versionen. Die offizielle, nach außen kommunizierte Variante, und den echten Menschen. Walter Röhrl gibt es nur einmal.

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Walter Röhrl - Querlenker: Eine Zeitreise in Bildern

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Kürzlich haben wir wieder gesprochen und ich habe Walter Röhrl gefragt, ob ihn seine Offenheit gelegentlich in Schwierigkeiten bringt. Er erzählte von einer Begebenheit vor ein paar Wochen. Röhrl ist seit einigen Jahren Repräsentant für Porsche, er ist dabei, wenn die Zuffenhausener vor Journalisten neue Sportwagen vorstellen. Bei einer dieser Veranstaltungen wurde er von englischen Reportern gefragt, ob es einen neuen Porsche GT3 geben werde. Bei der letzten Version des Ultra-911 gab es Probleme mit den Motoren, etliche gingen in Flammen auf, ein PR-Gau. Röhrl sagte den Journalisten, der neue GT3 werde gut, der Motor sei ein Wunder. Er dachte, er tue etwas Gutes. Am nächsten Tag schrieben die englischen Journalisten, dass Porsche wieder einen GT3 bauen wird, und was Röhrl dazu gesagt hatte. Die Presseleute von Porsche waren nicht erfreut. Porsche hatte den GT3 offiziell noch gar nicht angekündigt.

Ärger bei Porsche

Natürlich ist Röhrl darüber nicht glücklich. Würde er etwas ändern? "Nein. Wenn mich die Leute fragen, ob es einen neuen GT3 gibt, und ich weiß, dass Porsche daran arbeitet, dann lüge ich denen nicht ins Gesicht. Ich kann das nicht." Für Porsche ist das sicher nicht immer einfach. Dass die Firma einen Menschen wie Röhrl aushält, ist nicht selbstverständlich. Zuletzt gab es Anfang letzten Jahres Ärger wegen seiner Nebenbeschäftigung als Cheftester bei der österreichischen "Kleinen Zeitung". Röhrl hatte dort den Mazda MX5 in einem Fahrbericht gefeiert. Dass ihr Repräsentant ein Konkurrenzprodukt lobt, schien bei manchen PR-Leuten in der Porsche-Zentrale in Zuffenhausen Fracksausen zu verursachen. Die Antwort war typisch Röhrl: Der Mazda sei ein tolles Auto und falls er das nicht schreiben dürfe, würde er bei Porsche den Dienst quittieren. "Danach habe ich nie wieder was von der Sache gehört", sagt Röhrl.

Röhrl und seine Beifahrerin fürs Leben: Frau Monika

Röhrl und seine Beifahrerin fürs Leben: Frau Monika

Foto: Mcklein

Es ist diese Geradlinigkeit, die heute selten geworden ist und wegen der man Walter Röhrl zum Geburtstag gratulieren möchte. Sportler werden schnell als Idole gefeiert. Oft sind sie das vor allem in Bezug auf ihren sportlichen Erfolg. Walter Röhrl ist auch als Mensch eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Weil er trotz aller Erfolge, trotz aller anscheinend überirdischer Leistungen nicht die Bodenhaftung verloren hat. Weil er auf eine fast kauzige Art sparsam ist und das auch offen zugibt ("Ich würde eher verdursten, als eine überteuerte Flasche Wasser an der Tankstelle zu kaufen."). Weil er höflich ist ("Röhrl, bitte?"). Und weil er selbstbewusst und selbstreflektiert zugleich ist.

"Ich bin kein einfacher Mensch", sagt er und erzählt, wie glücklich er ist, seine Frau zu haben. Sie sei ein Mensch wie kein zweiter - weil sie es mit ihm aushält. Seine Launen, wenn ihm, dem Perfektionisten, etwas misslungen ist. Und er dann manchmal tagelang missgelaunt ist, "unansprechbar", wie er sagt. Die ihm, wenn er nicht auf Reisen ist, sein Leben organisiert, "weil ich ein vollkommen unselbstständiger Mensch bin". Er sagt das, ich schreibe es, alle dürfen’ es wissen.

Hat er eine Lebensphilosophie? "Ich wusste immer, dass ich etwas Besonderes kann. Ich habe nie gedacht, dass ich etwas Besonderes bin", sagt Walter Röhrl. Das stimmt und stimmt deshalb nicht. Lieber Herr Röhrl, Sie sind etwas Besonderes. Alles Gute zum 70 Geburtstag. Bleiben Sie so, wie Sie sind.

Walter Röhrl ist nicht nur versiert am Steuer, sondern auch ein Rhetorik-Künstler. Seine besten Sprüche finden Sie in dieser Bildergalerie:

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