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Legendäre Weslake-Motoren: Fords Goldene Zeiten

Foto: Ford-Werke GmbH, Koeln

Legendäre Weslake-Motoren Ein perfekter Ford

Der Tuner Harry Weslake bescherte dem Ford-Rennstall einst eine goldene Ära. Seine Motoren waren komplexe Meisterwerke - wer sie heute entschlüsseln will, muss nach Köln-Ossendorf.

Wer an Ford denkt, sieht vor seinem geistigen Auge mit ziemlicher Sicherheit solide, aber eher langweilige Alltagsautos. Wohl kaum aber brüllende Boliden, die auf der Rennstrecke Modelle von Porsche und BMW hinter sich lassen.

Früher war das anders. In den Sechziger- und Siebzigerjahren war Ford der Inbegriff einer sportlichen Automarke, mit Piloten wie Hans-Joachim Stuck, Dieter Glemser, Jackie Stewart oder Jochen Mass und dem Rennleiter Jochen Neerpasch. Auch ein junges Talent namens Walter Röhrl sammelte seine ersten Siege mit Ford.

Wer bei Rallyes oder auf der Rundstrecke gewinnen wollte, musste an ihren Escorts und Capris vorbeikommen. Alfa, BMW und Porsche hatten ihre Mühe, Mercedes und Audi probierten es erst gar nicht.

Doch es war vor allem ein Tuner aus Großbritannien, dem die Marke damals die meisten Motorsporterfolge verdankte: Harry Weslake.

Tuning, bis der Motor platzt

Den meisten Ford-Fans ist eher dessen Nachfolger, die Tuningschmiede Cosworth, bekannt. Weslake war es jedoch, der bis 1973 die Renn-Capris nahezu unschlagbar machte.

Wo Harry Weslake war, gab es für Ford-Piloten was zu feiern (hier Dan Gurney, rechts im Bild)

Wo Harry Weslake war, gab es für Ford-Piloten was zu feiern (hier Dan Gurney, rechts im Bild)

Foto: imago/ UIG

Anfang der Fünfziger hatte sich Weslake auf die Konstruktion und Bearbeitung von Zylinderköpfen spezialisiert. Bald konnten die Gemischfabriken aus seiner Werkstatt Wunderdinge vollbringen, Austin-Healey und Jaguar setzten auf seine strömungsoptimierten Teile, zwischen 1958 und 1973 baute er Rennmotoren für die Formel 1 und sogar die legendären Ford GT40-Rennwagen, die Ender der Sechziger in Le Mans triumphierten, arbeiteten mit seinen Zylinderköpfen.

1970 landete dann der Motor aus dem Capri RS 2600 auf Weslakes Werkbank. Fords Forderung: Gib dem mal mehr Dampf.

V6-Zylindermotor von Weslake

V6-Zylindermotor von Weslake

Foto: Fabian Hoberg

Harry Weslake war Pragmatiker. Er drehte nach dem Trial-and-Error-Prinzip so lange an der Leistungsschraube, bis der Motor kaputt ging. Danach drehte er die Leistung wieder ein Stück zurück. Den 2,6-Liter-V6 des RS 2600 bohrte Weslake auf drei Liter Hubraum auf, entwickelte Aluminium-Zylinderköpfe und konstruierte einen Ansaugschieber aus Magnesium für die mechanische Einspritzung.

Das Ergebnis der Weslake-Behandlung: Statt ursprünglich 150 PS arbeiteten nach seinen Modifikationen 340 PS an den Hinterrädern des Capris. Die Motoren waren stark und solide, allerdings auch sehr pflegebedürftig.

Weslake machte sich mit dem modifizierten Capri-Aggregat als Tuner unsterblich. Sein Herz hörte 1978 bei einer Rennveranstaltung im Londoner Wembley-Stadion auf zu schlagen, während auf der Strecke vor ihm die Fahrzeuge mit seinen Motoren weiterliefen.

Traditionspflege in doppelter Hinsicht

Wie viele der rund 80 gebauten original Weslake-Motoren heute noch existieren, ist nicht bekannt. Aber es gibt eine Werkstatt in Köln, in der sie bestens aufgehoben sind: Die "Rheinlandgarage " von Hans-Gerd Brauneiser und Thomas Uhles ist einer von nur zwei Betrieben in Europa, in denen sich Mechaniker an die komplizierte Technik der Weslake-Aggregate wagen.

Ihre Werkstatt ist gleichzeitig ihr Zuhause, so viel Zeit verbringen Brauneiser und Uhles hier. Sie bauen historische Rennwagen auf und verfeinern sie. "Es war von Anfang an klar, dass wir uns auf Ford-Rennmotoren spezialisieren", sagt Brauneiser. Das hat zwei Gründe: Zum einen, so der 41-Jährige, "deckt Ford ein breites Spektrum im historischen Motorsport ab. Für uns und unsere Kunden gibt es für jedes Budget eine Möglichkeit, ein siegfähiges Fahrzeug zu bauen." Und zum anderen, sagt er, "ist mein Vater daran schuld."

Hans-Gerd Brauneiser (links) und Thomas Uhles bei der Arbeit in ihrer Rheinlandgarage

Hans-Gerd Brauneiser (links) und Thomas Uhles bei der Arbeit in ihrer Rheinlandgarage

Foto: Fabian Hoberg

Brauneiser Senior frisierte als Privatmann in den Siebziger- und Achtzigerjahren Ford-Rennwagen, unter anderem die Weslakes. Er tüftelte an den Einspritzdüsen, schliff größere Ventile ein, verwendete schärfere Nockenwellen und optimierte die Ansaugwege. Die von Brauneiser bestückten Rennwagen waren auf der Piste so erfolgreich, dass selbst die von den Ford-Werken unterstützten Teams neidisch wurden.

Zwischen den Motoren und Werkzeugen des Vaters spielte Sohn Hans-Gerd. Später absolvierte der Junior eine Ausbildung zum Feinmechaniker und entdeckte seine Liebe zur Metallbearbeitung. Nebenbei lernt er seinen jetzigen Geschäftspartner Uhles kennen, einen Kfz-Mechaniker. 2002 bauten die beiden ihren ersten Ford-Escort-Rennwagen auf, noch mit Teilen aus Vaters Keller. Beim ersten Rennen schlug sich das Auto so gut, dass sofort andere Rennteams anklopften: Ob Uhles und Brauneiser mal einen Blick auf ihre Motoren werfen könnten?

Ein modifizierter Weslake-Motor kostet so viel wie ein Tesla Model S

Rund 15 Jahre später parkt auf dem Hof im Gewerbegebiet Köln-Ossendorf ein alter Transit und zwei Escort-Rennwagen. Daneben wartet ein Lancia auf eine Inspektion, die Hebebühne belegen zwei Renn-Capris. Ein Escort MK I soll ebenfalls fürs nächste Rennen vorbereitet werden. Und: Zwei Weslake-V6-Triebewerke benötigen die finale Abstimmung.

Brauneiser dreht, fräst, schleift, hont und plant Zylinderbänke, -köpfe und Ventile. Mit einer eigenen Strömungsbank optimiert er die Kanäle der Motoren, um noch mehr Power rauszukitzeln. Für einen Motor benötigen er und Uhles zwischen drei und sechs Monate, je nach Aufwand kann es auch mal ein Jahr dauern. Rund 80.000 Euro kostet dann so ein modifiziertes V6-Kraftwerk.

"Es gibt alte Ford-Motoren, die komplizierter waren als die von Porsche oder Mercedes", sagt er. Der Weslake-V6 wird von einer zentralen Nockenwelle gesteuert. Um diese Konstruktion drehzahlfest zu bekommen, ist ein Spagat nötig. Brauneiser erklärt das Dilemma so: "Größere Ventile bringen mehr Leistung, sind aber schwerer, was stärkere Ventilfedern verlangt, die aber Stößel und Stößelstangen mehr belasten."

Gehören bei alten Ford Escorts und Capris dazu: Goldene Felgen von BBS

Gehören bei alten Ford Escorts und Capris dazu: Goldene Felgen von BBS

Foto: Fabian Hoberg

Hinzu kommt, dass es kaum Normware gibt, in jedem Motor des britischen Konstrukteurs sind unterschiedliche Teile verbaut. Und aus einem Basis-V6 lässt sich ohnehin kein Weslake-Motor zaubern, nur das Blech zwischen Motorblock und Steuergehäusedeckel ist ein Serienteil.

Weil Brauneiser und Uhles mit der Komplexität der Weslake-Motoren umgehen können, haben sie Kundschaft aus ganz Europa und den USA. Ford-Aficionados kommen mit ihren historischen Rennwagen und lassen ihre Motoren überholen. Und sie verlangen nach Ersatzteilen.

Die Rheinlandgarage gilt als Fundgrube für Seltenheiten. Während es heute viele Teilezulieferer für die deutschen Hersteller gibt, ist das Angebot bei Ford dünn. Viele Ersatzteile gibt es weder für Geld noch über Beziehungen. Brauneisers Vorteil: Er kann die Teile selbst anfertigen - weil er die originalen Zeichnungen von seinem Vater besitzt. Während der Ruhm von Ford auf den Rallyepisten und Rennstrecken etwas verblasst ist, wird das Erbe der goldenen Weslake-Ära zumindest in Köln-Ossendorf noch gepflegt.

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