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Faltliegerad Azub Origami

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Stefan Weissenborn

Ratgeber Rad – Azub Origami Liegend gern

Wer erstmals eine Tour auf dem Liegerad genießen will, muss das Fahren neu lernen. Dass es sich lohnen kann, zeigt das gemütliche und faltbare Azub Origami. Doch das Risiko fährt mit.

Der erste Eindruck: Radeln und gleichzeitig gut abhängen – dieses Fahrrad sieht aus, als könne man beides auf ihm gut kombinieren.

Das sagt der Hersteller: Während eines Norwegen-Aufenthaltes sah Aleš Zemánek zum ersten Mal ein Liegerad und war begeistert. So sehr, dass er zu Hause anfing zu konstruieren und zu schweißen. Im Jahr 2000 gründete er Azub Bikes. Das Origami ist eines der kompakteren Modelle der Liegeradmarke aus dem osttschechischen Uherský Brod, die seit mehr als 20 Jahren unterschiedliche Typen baut – von Dreirädern mit Stollenreifen bis zu Liegetandems.

Liegerädern eilt der Ruf voraus, lang und sperrig zu sein. Das Origami aber sei für Fahrer entworfen, »die das Liegerad so klein wie möglich brauchen«, sagt Marketing-Mitarbeiter Honza Galla. Als sogenannter Kurzlieger zählt das Modell zu den kürzeren einspurigen Liegerädern. Vom hinteren Schutzblech bis zum Kettenblatt am Frontausleger misst es 1,90 Meter – kaum mehr als ein Cityrad.

So könne man das Origami bequem transportieren – in Bussen, Flugzeugen und sogar Kleinwagen, so Galla. Denn das Origami lässt sich, der Name sagt's, falten. »Japan inspired« wirbt Azub in Anlehnung an die japanische Faltkunst – eine schiefe Werbebotschaft, denn das Falten des Rades soll ja gerade keine Kunst sein. Das Packmaß gibt Azub mit 84 x 105 x 47 Zentimetern an. Klassische Falträder lassen sich etwa auf die Hälfte davon zusammenlegen. Das So-klein-wie-möglich hat Grenzen.

Ein Alltags- oder Pendlerrad soll das Origami nicht sein. Gedacht sei es für »bequeme Fahrten am Nachmittag, am Wochenende oder für lange Touren«, sagt Galla. Für ein Liegerad seiner Bauart laufe das Origami stabil und komfortabel, was am vergleichsweise langen Radstand von 1,22 Meter liege.

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Das ist uns aufgefallen: Bevor es auf Tour gehen kann, beschwört das Origami Erinnerungen an Kindertage herauf: Je nach Talent im Gleichgewichthalten muss man das Fahren fast neu erlernen, so ungewohnt ist es. »Liegeradfahren ist definitiv etwas ganz anderes«, räumt Galla ein. Einen halben Tag brauche es meistens, um grundsätzlich fahren zu können, nach 500 Kilometern sei man »ein echter Liegeradprofi«.

Das Losfahren gestaltet sich kompliziert. Wer nicht schnell genug beschleunigt, droht auf den ersten Metern umzukippen. Damit das nicht passiert, dreht man die Pedale in eine obere Position, um viel Beinkraft auf die Kette zu bringen, und startet in einem kleinen Gang. Um das Gleichgewicht zu trainieren, empfiehlt der Azub-Mitarbeiter Anfängern, bei leichtem Gefälle erst mal zu rollen und immer bereit zu sein, sich mit den Füßen abzustützen.

Nach und nach werde ich sicherer im Schalensitz des Origami. »Die größte Herausforderung besteht darin, sich an die Liegeposition selbst zu gewöhnen, daran, dass man vor sich und nicht unter sich in die Pedale tritt«, sagt Galla. 

Obwohl das mit dem Gleichgewicht bald klappt, fühlt sich das alles noch länger äußerst zappelig an. Der gekrümmte Lenker, den man mit geknickten Handgelenken dicht vor der Brust hält, als wollte man Männchen machen, ist sehr schmal. Viel Kontrolle über das Fahrgeschehen gewährt er nicht.

Nach etlichen Kilometern gewöhne ich mich auch daran. Bekomme ein ruhigeres Händchen und merke: Ganz schön bequem, der Fahrradsitz des Origami. Das Treten fällt etwas schwerer, dafür komme ich schnell auf Tempo. Für mehr Komfort wären Federelemente gut am straff abrollenden Origami – die jedoch den Preis treiben würden, der beim flachen Nischenrad ohnehin höher liegt.

Das muss man wissen: Der Schalensitz ist für mehrere Rumpfgrößen verfügbar und lässt sich ja nach Beinlänge verschieben. Er schmiegt sich dem Rücken geradezu an, Sitzprobleme wie im Fahrradsattel gibt's nicht. Bespannt ist er mit einem Netzüberzug, der schnell trocknet. Anders als auf einem herkömmlichen Fahrrad mit sportlicher Geometrie wird der Nacken nicht gestaucht, der Kopf bleibt gerade. Kehrseite: Der Schulterblick fällt liegeradtypisch schwer, da man mit der Lehne im Rücken den Oberkörper kaum drehen kann. 

Rahmenmaterial:

Aluminium

Rahmengröße:

Einheitsgröße passend für Körpermaße von bis 1,60 m bis 2,05 m

Schaltung:

Shimano Alfine 11-Gang Nabe

Bremse:

Shimano V-Brakes

Bereifung:

Schwalbe Marathon Racer, 40 mm

Laufräder:

20 Zoll

Radstand:

122 cm

Gewicht:

ca. 17 kg laut Hersteller 

Zulässiges Gesamtgewicht:

100 kg, Gepäckträger für 20 kg zugelassen

Packmaß

84 x 105 x 47 cm (laut Hersteller)

Preis:

Testrad 3602 Euro (Basispreis: 2590 Euro)

Konzeptbedingt ist der Fahrer weit unten unterwegs: Mit unserem Po gut einen halben Meter über dem Asphalt könnte er Roadsterfahrern in die Augen schauen. Den Blickkontakt mit den vielen SUV-Fahrern da oben herzustellen, ist hingegen schwierig. Ergo: Das Risiko, auf der Straße übersehen zu werden, es ist erhöht. Wo möglich, nehmen wir den Radweg. Dass Rückspiegel (29 Euro) und Sicherheitswimpel (ab 9 Euro) Aufpreis kosten, kann man dem Hersteller ankreiden.

Die tiefe Sitzposition hat auch Vorzüge. Die Aerodynamik der faltbaren Kurzliegerfuhre soll besser sein als auf einem Rennrad, doch für Geschwindigkeitsrekorde bin ich noch nicht bereit. Gut auch, dass der Schwerpunkt im Vergleich zum normalen Velo nach unten rutscht. So beeinflusst Gepäck das Fahrverhalten kaum – was Liegeräder in ihrer kleinen Marktnische zu beliebten Reiserädern macht. Schade: Weil die Zuladung 100 Kilo nicht überschreiten darf, sollte der Fahrer nicht mehr als 80 Kilo wiegen, um nicht an Gepäck sparen zu müssen. Der Gepäckträger ist auf maximal 20 Kilo ausgelegt. 

Dafür aber ist das Origami für seine Gattung so kompakt, dass man es sich zusammengelegt über die Schulter hängen kann. Die passende Tasche mit Trageriemen kostet 99 Euro extra. So verpackt ist das Rad zwar immer noch recht sperrig, lässt sich aber recht bequem zum nächsten Autokofferraum tragen. Es zu verpacken, dauert beim ersten Mal 15 Minuten. Aber auch das ist Übungssache.

Das werden wir in Erinnerung behalten: Dass Fahrradfahren so gewöhnungsbedürftig sein kann, als hätte man einen Reset-Knopf gedrückt. Und wie das Azub einen deshalb lehrt, dass Geduld im Leben zu etwas führt.

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