Feinstaub Regierung verschleppt neue Abgaskontrolle

2021 sollte ein neues Verfahren für die Abgasuntersuchung in Kraft treten, mit dem der Ausstoß von Feinstaubpartikeln geprüft werden soll. Nun verzögert sich das neue Verfahren um Jahre.
Zum Jahreswechsel sollte die Abgasuntersuchung strenger werden, die Einführung des neuen Messverfahrens verzögert sich nun offenbar deutlich

Zum Jahreswechsel sollte die Abgasuntersuchung strenger werden, die Einführung des neuen Messverfahrens verzögert sich nun offenbar deutlich

Foto: U. J. Alexander / imago images

Noch rund drei Jahre wird sich die Einführung des angekündigten strengeren Messverfahrens für die Abgasuntersuchung von Autos verzögern und erst Mitte 2023 kommen. Dies geht aus regierungsinternen Dokumenten hervor, die dem SPIEGEL vorliegen. Geplant war ab dem Jahreswechsel, im Rahmen der TÜV-Hauptuntersuchung auch Feinstaubpartikel  bei Dieselautos zu messen. Doch die dafür nötigen Geräte müssen nach Auffassung des zuständigen Bundesverkehrsministeriums dringend geeicht werden. Dafür seien allerdings das Wirtschaftsministerium und dessen nachgeordnete Behörden zuständig. Bis die staatlichen Ingenieure so weit sind, dauere es, heißt es von der Bundesregierung.

Der Verein "Deutsche Umwelthilfe" (DUH) will das nicht hinnehmen. "Dass das eine zufällige Panne ist, ausgerechnet in Deutschland, dem Land der Ingenieure und Prüfnormen, glaubt doch wohl niemand", klagt Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung bei der DUH. Statt die Gesundheit der Bürger zu schützen, dürften defekte Fahrzeuge weiterfahren, kritisiert Saar - "das fügt sich ein in eine ganze Reihe von Entscheidungen und angeblichen Pannen unter Minister Scheuer."

Stickoxidwerte werden nicht gemessen

Auch das nötige Eichen will die Umwelthife nicht als Grund für die Verzögerung gelten lassen. "Die notwendigen Messgeräte sind vom Werk aus kalibriert und für zwei Jahre zugelassen", sagt DUH-Experte Axel Friedrich, "in dieser Zeit kann die Bundesregierung alle nötigen Details zur künftigen Eichung der Geräte klären."

DER SPIEGEL 37/2020

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Zusätzlich solle die Einhaltung der Grenzwerte für Stickoxide (NOx) gemessen werden, fordert Friedrich. Unterstützung bekommt er von Prüfunternehmen. Die Abgasthematik sei heute beinahe genauso wichtig wie die technische Sicherheit der Fahrzeuge, sagt Frank Schneider vom Verband der Technischen Überwachungsvereine (VdTÜV). Zwar helfe die Messung der Partikelanzahl bei Dieselfahrzeugen, fehlerhafte Abgasnachbehandlungssysteme zu entdecken. Der VdTÜV hätte es aber begrüßt, "wenn bei der Abgasuntersuchung alles geprüft wird, was technisch und betriebswirtschaftlich machbar ist, also auch die Partikelanzahl bei Benzinern und der NOx-Ausstoß bei allen Verbrenner-Pkw." Die Messung bei Benzinern könne dem VdTÜV-Experten zufolge sogar mit dem gleichen Gerät erfolgen.

Für die Stickoxidwerte sind dagegen weitere Geräte nötig und es müsse unter tatsächlicher Last, also während einer kurzen Fahrt oder auf einem Rollenprüfstand gemessen werden, beides würde künftige Abgasuntersuchungen aber offenbar nur minimal verteuern. Die jährliche Mehrbelastung für Fahrzeughalter liegt laut VdTÜV bei etwa 6,40 Euro .

Neue Abgasuntersuchung könnte bald erneut reformbedürftig sein

Dabei wäre es besonders wichtig, diese Messung in die Abgasuntersuchung zu integrieren, erklärt Stefan Carstens vom Abgassensorik-Unternehmen Enginesens, da die Stickoxidbelastung in vielen Städten nach wie vor ein Problem sei. "Eine NOx-Messung ist problemlos machbar, die nötigen Sensoren sind robust und günstig. Man kann bereits mit einem einfachen Aufbau prüfen, wie sauber ein Fahrzeug wirklich ist und ob es die Grenzwerte einhält", erklärt Carstens.

Die Reform wäre eigentlich eine gute Chance, die Abgasuntersuchung auf den aktuellen Stand der Technik zu heben, mit dem man über längere Zeit arbeiten könne, sagt DUH-Leiterin Luftreinhaltung Dorothee Saar. Nur so könne man dem Kfz-Gewerbe die Kosten für die ohnehin nötigen, neuen Prüfgeräte auch vermitteln. "Diese Gelegenheit lässt das Bundesverkehrsministerium nun verstreichen", klagt Saar. Das Trödeln bei den Vorschriften und der Verzicht auf eine Messung der gesundheitsschädlichen Stickoxide könnte sich jedoch bald rächen und den Bund zu einer erneuten Reform zwingen. So geht VdTÜV-Experte Schneider davon aus, "dass die EU eine NOx-Messung mittelfristig vorschreiben wird."

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