GM stoppt Verbrennungsmotor Frau Barra steigt aus

General Motors will elektrisch in die Zukunft, zum Beispiel mit dem Cadillac Lyriq
Foto: CadillacKaum ein Autokonzern steht so für die klassische Autowelt wie General Motors (GM). Heckflossengekrönte Straßenkreuzer, die US-Sportwagenikone Corvette, kernige Pick-ups und der Über-Geländewagen Hummer – General Motors ist gewissermaßen das Sinnbild der alten Autowelt.
Firmenchefin Mary Barra will das nun ändern. Ab 2035 soll ihr Unternehmen nur noch lokal emissionsfreie Pkw verkaufen, bis 2040 soll der Konzern CO2-neutral werden. GM werde sich »Regierungen und Firmen rund um den Globus anschließen und an einer sicheren, grüneren und besseren Welt arbeiten«.

GM und das E-Auto: Zaghafter Elektropionier
Große Worte von einer Frau, die noch zu Beginn der Amtszeit des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump auf lockerere Emissionsstandards hingearbeitet hatte . Aber dennoch ein außergewöhnliches Signal an die Konkurrenz, wie Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research in Duisburg erklärt: »Keiner der konventionellen Autohersteller hat sich bisher getraut, so einen konsequenten Schritt zu gehen«, so Dudenhöffer.
Während von den meisten Männern der Branche nur Lippenbekenntnisse zu hören seien, gehe GM-Chefin Mary Barra voran. »Den Schritt, sich vom Alten zu trennen, trauen sich die Männer in den Vorständen offenbar nicht zu«, kritisiert Dudenhöffer die Vorstände der übrigen Konzerne. Es sei traurig für die deutschen Hersteller, dass ausgerechnet der vermeintlich altmodische GM-Konzern als erster eine derartige Ansage mache und nicht ein im Grunde innovativer Hersteller wie BMW.
Ära des Verbrenners geht zu Ende
Zwar ist VW mit seinen Elektroplänen Dudenhöffer zufolge einen großen Schritt gegangen, GM gehe nun aber zu hundert Prozent in die Zukunft. Für den Autoexperten ist das nur konsequent. »Der Verbrennungsmotor hat bei Pkw keine Zukunft mehr, auch synthetische Kraftstoffe werden das nicht ändern«, prophezeit Dudenhöffer.
Der Konkurrenz enteilt ist General Motors bei der Antriebswende trotz der wuchtigen Ankündigung allerdings nicht, sagt Peter Fintl von der Technologieberatung Altran. Viele Hersteller seien auf einem ähnlichen Stand wie der Autoriese aus Detroit, verkünden den entscheidenden Schritt jedoch nicht.
»VW will bis 2050 gänzlich CO2-neutral werden, das impliziert das Ende des Verbrenners. Porsche will innerhalb von zehn Jahren faktisch eine Elektromarke werden«, zählt Fintl auf. Gleichzeitig trenne sich Daimler von der Motorenproduktion, und auch der GM-Erzrivale Ford habe eine gute Elektrostrategie. Er hält den Schritt deshalb nicht für revolutionär – aber für einen wichtigen Einschnitt in der öffentlichen Wahrnehmung der Branche.
Detroit hat Zeichen der Zeit erkannt
GM trifft mit seinem Verbrennerabschied auf Raten offenbar den Zeitgeist. Viele Regierungen haben bereits feste Ausstiegsszenarien aus Otto- und Dieselmotor, Norwegen das Jahr 2025, Frankreich dagegen 2040. General Motors reihe sich mit dem Jahr 2035 vernünftig in der Mitte ein, erklärt Fintl. Außerdem schnellten etwa in Deutschland 2020 die Zulassungszahlen für Batteriefahrzeuge hoch, in Norwegen wurden gar mehr Stromer als Verbrenner zugelassen.
»Der Verbrenner reitet in die Abenddämmerung«, erklärt Technologieberater Fintl. »Die Hersteller müssen jetzt bei E-Antrieben die Ellbogen ausfahren und sich eine gute Position verschaffen.« GM habe die Zeichen der Zeit erkannt – »und wurde mit einem steigenden Aktienkurs belohnt«, sagt Fintl. GM-Papiere hatten sich am Tag der Entscheidung mehr als drei Prozent verteuert.
Die Ankündigung des US-Konzerns betrifft auch Zulieferer und mögliche Brückentechnologien wie CO2-neutrale, synthetische Kraftstoffe, die dem Verbrennungsmotor eine klimaneutrale Zukunft ermöglichen könnten. Die Entscheidung GMs unterstreiche, dass synthetische Kraftstoffe keine nachhaltige Zukunft auf dem Massenmarkt haben, sagt Fintl. Auch Andreas Radics von der Strategieberatung Berylls sieht die Entscheidung des Konzerns als großen Nachteil für die E-Fuels. Gerade die USA galten Radics zufolge für derartigen Treibstoff als wichtiger potenzieller Markt.
Schwachstelle Geldbeutel
Es gibt jedoch auch Lücken im Plan des Konzerns. So lasse GM ein Schlupfloch für Verbrennungsmotoren bei Pick-ups über 3,5 Tonnen offen, erklärt Fintl. Und trotz des Rückzugs aus vielen Märkten agiert der Konzern immer noch global. Für Strategieberater Radics ist deshalb nicht nur fraglich, wie der Konzern seinen ambitionierten Plan finanzieren kann. GM sei auf vielen Märkten aktiv, in denen Verbrenner über 2035 hinaus eine wichtige Rolle spielen würden, zum Beispiel in Südamerika. Für sie stelle sich die Frage, ob GM diese Märkte dann aufgeben muss – oder wie konsequent das Unternehmen den Plan umsetzen werde.
»Eine Herausforderung wird außerdem der Hochlauf der Produktion«, sagt Radics. Der Konzern habe durch den derzeitigen Aufbau der riesigen Batteriefabrik in Ohio im Vergleich zu VW zwar einen Vorteil – »aber die Lernkurve in der Fertigung bleibt ein Problem, wie die Startschwierigkeiten der E-Modelle bei VW gezeigt haben«, warnt Radics.
Engpass Ladeinfrastruktur
Technologieberater Fintl sieht GM dagegen gut gerüstet. Mit der Ultium-Plattform habe der Hersteller einen sehr guten Elektrobaukasten, der auf höchste Stückzahlen ausgelegt sei. Mit dem Elektro-Hummer kommt bald der erste Hoffnungsträger des Konzerns auf den Markt. »GM hat die Flaschenhälse der E-Autoproduktion erkannt und eine gut geplante Strategie«, so Fintl.
Die größte Herausforderung für den Konzern, sind sich beide Unternehmensberater einig, wird jedoch die Ladeinfrastruktur. Die schiere Größe der USA – kombiniert mit der teilweise niedrigen Bevölkerungsdichte – machen den Aufbau eines flächendeckenden Stromtanknetzwerks bis 2035 zum Problem, hinzu kommt ein teilweise veraltetes Stromnetz.
Doch genau in diesem Bereich könnte sich Firmenchefin Barras politisches Gespür wie schon 2016 lohnen. Denn der Staat müsse hier investieren, erklärt Fintl – und GM gebe der ohnehin aufgeschlossenen Biden-Regierung nun einen hervorragenden Grund dazu. General Motors, fasst der Berater zusammen, »hat beste Voraussetzungen für einen Homerun«.