Weniger Gäste, hohe Preise "Automessen stehen vor dem Niedergang"
Das Coronavirus hat die Autoindustrie erreicht. Wegen der Ansteckungsgefahr bei Großveranstaltungen fällt der Genfer Autosalon aus, eine der größten Automessen der Welt. Die Absage kam kurzfristig. Für die Hersteller ist das ein herber Schlag - vor allem finanziell: Denn große Teile der Messe waren schon aufgebaut. Viele Kunden erreichen sie trotzdem: In Online-Videos stellen sie ihre Autos auf dem digitalen Weg vor.
Daraus ergibt sich die Frage: Brauchen Hersteller die Automessen überhaupt noch - Oder funktioniert die Online-Vorstellung genauso gut?
Emil Nefzger, DER SPIEGEL:
"Die Bedeutung von Automessen sinkt für die Hersteller immer weiter. Der beste Gradmesser sind wahrscheinlich einfach die Besucherzahlen, wenn man zum Beispiel auf die IAA, die wichtigste deutsche Automesse, schaut. Da kamen 2015 noch über 900.000 Besucher, 2019 noch 560.000. Diese Messen sind für die Hersteller auch teuer. Ich muss die Standgebühr bezahlen. Da hat man auch gesehen, dass die Hersteller ihre Stände immer weiter verkleinern. Ich muss das ganze Material und mein Personal dahin bringen. Die Hotelkosten sind natürlich zu diesen Messen auch deutlich höher, als sie sonst wären in diesen Städten. Und dadurch gilt für die Hersteller: Jeder Euro, den man da rein investiert, wird eigentlich immer unattraktiver, weil ja immer weniger Leute kommen."
Und so sagen auch große Hersteller immer häufiger ihre Teilnahme an Messen ab. In Genf wären unter anderem Opel, Peugeot, Volvo und Lamborghini nicht dabei gewesen - obwohl es durchaus noch Vorteile mit sich bringt, bei einer Messe tatsächlich präsent zu sein.
Emil Nefzger, DER SPIEGEL:
"Messen haben natürlich für so eine Branche selbst eine Bedeutung. Sie sind für die Beziehungen der Hersteller ein Ereignis. Für die deutschen Hersteller ist die IAA ein wichtiges Ereignis, um mit der Politik in Kontakt zu kommen. Die Bundeskanzlerin besucht die Stände der Hersteller, gleichzeitig können die Hersteller gesammelt mit den Pressevertretern in Kontakt kommen, man kann Interviewtermine arrangieren. Und die Autofans können direkt mit den Autos in Berührung kommen. In echt ist es was anderes, ein Auto zu sehen, die Dimensionen einzuschätzen, als das am Bildschirm zu machen. Und vielleicht entdecken die Kunden Autos von einer Marke, die sie sonst nicht auf dem Zettel hatten, die ihnen einfach entagngen wären. Aber da, weil man an einem Pavillion von einer Marke vorbeikommt, schaut man sich das eben an."
Aber genau diese Fülle, diese Konzentration der Konkurrenz hat auf der anderen Seite auch Nachteile. Für die Kunden gibt es ein gewaltiges Angebot. Die Gefahr, dass ein potenzieller Käufer von einem anderen Hersteller abgelenkt wird, ist groß.
Emil Nefzger, DER SPIEGEL:
"Auf der Messe sind ja zig andere Hersteller, die vielleicht schönere, bessere, größere Stände haben, die zufälligerweise das spannendere Konzeptfahrzeug dabei haben, das dann die Leute von meinem Stand weglockt. Da ist es natürlich für mich eigentlich schlauer, ein einzelnes Event zu machen, bei dem sich alle auf mich konzentrieren müssen, bei dem ich ja auch den Zeitpunkt auswählen kann. Und das ist auch das, wozu die Hersteller mehr und mehr übergehen, dass sie sozusagen versuchen, einzelne eigene Premieren zu feiern, die sie zu so einem Event aufladen. Tesla hat es zum Beispiel perfektioniert. Tesla schafft es wahnsinnig gut, seine eigenen Premieren, die sie abhalten, bei denen Elon Musk das neue Auto vorstellt, wie z.B. beim Cyber-Truck, das wahnsinnig aufzuladen und wahnsinnig gut auch mit den Leuten online zu interagieren. Und das wollen die anderen Hersteller natürlich auch.
Und so bleibt auch fraglich, ob Automessen tatsächlich noch ein Konzept für die Zukunft sind - auch wenn die Coronavirusgefahr wieder gebannt ist.
Emil Nefzger, DER SPIEGEL:
"Heute, wo ich durch die digitalen Medien so viel mehr Möglichkeiten habe, meine neuen Autos zu produzieren… viele Hersteller platzieren ihre Konzeptfahrzeug in Konsolenspielen wie Gran Turismo und kommen dadurch mit ihren Fans in Kontakt. Es gibt so viele neue Möglichkeiten, auch abseits der sozialen Medien, die ich nutzen kann, die auch günstiger sind, als extra auf so eine Messe zu gehen. Von dem her würde ich sagen, dass die Automessen auf jeden Fall vor einem Niedergang stehen und wenn, dann nur noch auf einige wenige Schwerpunkt messen. Konzentrieren wird also vor allem auf den Genfer Autosalon, auch wenn man jetzt natürlich abwarten muss, wie sich das weiterhin entwickeln wird. Und auf die Automesse in China wird der größte Markt ist, der noch vorhanden ist.