Modellprojekt Hamburger Gericht verbietet autofreie Zone

Die autofreie Zone im Hamburger Stadtteil Ottensen sollte mehr Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer schaffen
Foto: Jürgen Pander
Die autofreie Zone im Hamburger Stadtteil Ottensen sollte mehr Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer schaffen
Foto: Jürgen PanderUnter dem Motto "Ottensen macht Platz" hatte der Hamburger Stadtteil vergangenes Jahr zwei Straßen zur Begegnungsstätte für Fußgänger umgebaut und die Autos ausgesperrt. Das Hamburger Verwaltungsgericht gab nun zwei Eilanträgen statt und erklärte das Modellprojekt für rechtswidrig. Die Hamburger Grünen sind dennoch optimistisch, dass das Projekt weiterhin Bestand hat.
Für das im August vergangenen Jahres gestartete Projekt wurde eine bereits bestehende Fußgängerzone ausgebaut und in die angrenzenden Straßen verlängert. Dadurch fielen 163 Parkplätze in dem Stadtviertel weg. Anwohner mit Privatauto erhielten in zwei umliegenden Parkhäusern Dauerparkplätze zu Mietpreisen zwischen 75 und 85 Euro pro Monat - üblich sind in dem Viertel 100 Euro für einen Stellplatz. Einzig Taxis und Lieferfahrzeuge durften zwischen 23 bis 11 Uhr in die Zone einfahren. Der Pilotversuch sollte mehr Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer schaffen und das Viertel insgesamt attraktiver machen. Sechs Monate sollte das Projekt dauern, also noch bis Ende Februar 2020. Doch daraus wird vorerst nichts.
Zwei Anlieger hatten geklagt und nun recht bekommen. Nach Auffassung der Verwaltungsrichter "ist die probeweise Einrichtung der Fußgängerzone mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig". Für die damit verbundenen Eingriffe in die Rechte der Anlieger gebe es demnach keine gesetzliche Grundlage. Laut dem Urteil dürften Verkehrsbeschränkungen zu Erprobungs- und Forschungszwecken bisher nur bei Vorhandensein einer "Gefahrenlage für Personen oder Sachgüter angeordnet werden". Diese liege in Ottensen nach Auffassung des Gerichts aber nicht vor.
Das zuständige Bezirksamt Altona bricht den Modellversuch nun vorzeitig ab und kündigte an, die Beschilderung für eine Fußgängerzone "zeitnah aufzuheben". Bis dahin gelte die jetzige Beschilderung jedoch weiter. Aufgeben will die zuständige Bezirksamtsleiterin das Projekt allerdings noch nicht: "Die autofreie Zone in Ottensen ist überhaupt nicht gestorben - im Gegenteil", sagte Stefanie von Berg (Grüne) gegenüber NDR 90.3. Demnach überlegt das Bezirksamt, die autofreie Zone nun dauerhaft einzurichten, da das Gericht nur die Probenutzung verbot.
Eine geplante Gesetzesänderung soll die probeweise Verkehrsberuhigung ohnehin vereinfachen. Eine Novelle der Straßenverkehrsordnung sieht vor, dass derartige Pilotprojekte dann auch ohne Vorliegen einer Gefahrenlage durchgeführt werden dürfen. Über die Neuerung der StVO entscheidet der Bundesrat am 14. Februar. Anschließend will die Altonaer Bezirksversammlung beschließen, ob und wie es mit dem Projekt weitergeht.
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"Ottensen macht Platz" heißt es ab Sonntag in dem Stadtteil des Hamburger Bezirks Altona. Ab dann gelten für sechs Monate neue Verkehrsregeln auf zwei zentralen Straßen und einigen angrenzenden Straßen des Viertels. Autos müssen weitgehend draußen bleiben, der Lieferverkehr wird auf die Zeit zwischen 23 und 11 Uhr begrenzt. Die schmalen Kopfsteinpflasterstraßen sollen so vom vornehmlich automobilen zum wirklich öffentlichen Raum werden.
Neue Hinweisschilder mit den wichtigsten Regeln stehen jetzt an den jeweiligen Eingängen der neuen, verkehrsberuhigten Zone im Hamburger-Stadtteil Ottensen.
Das Projekt ist zunächst auf sechs Monate angelegt, die noch provisorischen Halteverbotsschilder weisen darauf hin. Allerdings ist nächstes Jahr ein Schaltjahr, die Regelung gilt also bis 29. Februar 2020.
Radfahrer in einer Straße in Berlin Kreuzberg
Solche neuen Stadtmöbel markieren jeweils den Beginn oder das Ende der verkehrsberuhigten Zone in Hamburg Ottensen.
So sah die Ottenser Hauptstraße bislang aus. Nämlich meist beidseitig zugeparkt und damit eng und unübersichtlich. Insgesamt fallen durch die Einrichtung der neuen autofreien Zone in dem Stadtteil 163 Parkplätze weg - die zahlreichen Eckenparkplätze, Zweite-Reihe-Parkplätze und Quer-bis-auf-den-Gehweg-Parkplätze nicht mitgezählt. Ausgleich wird in den Parkhäusern ringsum geschaffen.
In Paris waren Radfahrer jahrzehntelang nur dann zu sehen, wenn die Tour de France ihr Finale in der französischen Hauptstadt feierte. Inzwischen jedoch gibt es in Paris, wie hier entlang der Seine, zahlreiche Radwege und auch erste autofreie Viertel.
In Madrid dürfen nur noch Fahrzeuge mit schadstoffarmen Antrieben oder Elektromobile in die Innenstadt einfahren. Der Grund für die Verbannung von Diesel- und Benzinautos war das massive Smogproblem, unter dem die Stadtbevölkerung litt. Seit den Restriktionen sank die Stickoxidbelastung der Stadt um 38 Prozent.
In Bremen plant die neue Landesregierung bis 2030 eine umfassende Verkehrswende. In deren Verlauf soll die Innenstadt nach und nach autofrei werden. Zudem sollen drei neue Fahrradbrücken über die Weser die Erreichbarkeit verbessern.
Im belgischen Gent wurde bereits im April 2017 die Innenstadt für den normalen Autoverkehr geschlossen. Seither hat die Fahrraddichte erheblich zugenommen und die Qualität der Atemluft hat sich signifikant verbessert.
Busse und Taxis dürfen nach wie vor im Zentrum von Gent fahren, und natürlich sind auch Lieferfahrzeuge, Handwerkerautos oder Krankenwagen und die Autos von Pflegediensten dort erlaubt.
Autofreie Seine-Promenade in Paris. Geht es nach der Bürgermeisterin der französischen Hauptstadt, sollen sogar alle vier Innenstadt-Arrondissements weitgehend autofrei werden.
In Paris gab es auch Proteste, nachdem die Pläne für eine weitere Reduzierung des Autoverkehrs in der Innenstadt bekannt geworden waren. Allerdings ging es den meisten der Protestierenden nicht um die Beibehaltung des Autoverkehrs, sondern um einen besseren öffentlichen Nahverkehr, insbesondere um ein besseres Metro-Netz.
Auch in Berlin gibt es Zonen, hier etwa die Bergmannstraße im Stadtteil Kreuzberg, aus denen testweise die Autos ausgeschlossen werden, um neuen Platz für die Menschen zu schaffen.
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