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Lancia Delta: Starker Espresso

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Günstige Oldtimer – Lancia Delta Audis Albtraum

Wenig Geld, aber trotzdem Lust auf einen Oldtimer? Kein Problem – es gibt sie nämlich, die Schnäppchenschlitten. Diesmal: der Lancia Delta, die Rallyelegende aus den wilden Achtzigern.

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Günstige Oldtimer

Sie haben richtig Lust auf einen Oldtimer, trauen sich aber nicht, einen zu kaufen, weil Altautos in vielen Medien nur noch als Wertanlage thematisiert werden? Keine Angst, man muss nicht erfolgreich an der Börse spekuliert haben, um schönes Blech zu fahren.

Klar, für Großvaters abgelegte Karren von Mercedes oder BMW sind inzwischen stolze Summen fällig, und für die meisten alten Porsches werden heute Mondpreise gezahlt. Aber zwischen all den teuren Strahlemännern, die in der Regel kaum noch bewegt werden, gibt es sie noch: die Mauerblümchen, die Exoten, die kaum jemand auf dem Schirm hat – und die entsprechend wenig kosten. Und das nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im Unterhalt. Autos, bei denen die Ersatzteilversorgung kein Problem ist und für einen Auspuff nicht ein ganzes Monatsgehalt einkalkuliert werden muss.

Wir haben sie zusammengetragen und stellen sie in einer Serie in regelmäßigen Abständen vor.

Allgemeines zum Modell:

Lancia firmierte seit 1969 als Fiats sportlich orientierte Edelmarke, bevor sich das Großunternehmen 1986 auch Alfa Romeo einverleibte. Ein Lancia sei bloß ein Fiat, ausgestattet mit dem hochwertig anmutenden Mikrofaserstoff Alcantara, lautet ein böser Spruch. Mit dem 1979 vorgestellten Delta, einer viertürigen Limousine mit trendy Schrägheck, stieg Lancia in die Kompaktklasse ein.

Technische Grundlage für den Delta sollte der frontangetriebene Fiat Ritmo sein, um Kosten zu sparen. Lancias Ingenieure setzten sich über die starren Vorgaben des Mutterkonzerns jedoch in wesentlichen Punkten hinweg. »Die Leute bei Lancia hatten in den Siebzigern noch ihren eigenen Kopf und wollten ein Auto nach ihren eigenen Vorstellungen bauen – eben nicht bloß einen Fiat mit Alcantara-Ausstattung«, sagt Christian Campe vom Lancia Club Deutschland.

So wurden die Vierzylinder-Motoren vom Ritmo zwar im Delta übernommen, aber liebevoll verfeinert – unter anderem mit überarbeiteten Ein- und Auslasskanälen und modifizierten Vergasern. Das Ergebnis waren 75 PS (später 78 PS) statt 65 PS beim Delta 1300 und 85 PS statt 75 PS beim Delta 1500.

Die entscheidende Änderung erfolgte an der Hinterachse: Statt herkömmlicher Blattfedern bekam der Lancia Delta (wie auch die Schwestermodelle Beta und Gamma) die hauseigene, aufwendig konstruierte Camuffo-Hinterachse spendiert. Die von Sergio Camuffo entwickelte Einzelradaufhängung war eine der ersten serienmäßigen Mehrlenkerachsen. Mercedes-Benz brachte seine vielfach bewunderte Raumlenkerachse erst 1982 im neuen 190er.

Lancias Mehrlenker-Achse war ein großer Wurf, der Delta fährt sich daher bis heute nicht wie ein altes Auto

Lancias Mehrlenker-Achse war ein großer Wurf, der Delta fährt sich daher bis heute nicht wie ein altes Auto

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»Lancias Mehrlenkerachse war ein Hauptgrund dafür, warum der Delta dann so erfolgreich als Rallyefahrzeug sein sollte. Das Auto fährt sich mit dieser Achse auch bei hohem Tempo wie auf Schienen«, so Experte Christian Campe, der zu Hause in Köln selbst einen Lancia Delta 1300 von 1987 in der Garage stehen hat.

Das kantige Design des Lancia Delta schuf Giorgio Giugiaro, der in den Siebzigern auch den ersten VW Golf und dessen Coupé-Ableger Scirocco zeichnete. Wie beim Golf bekam der Delta eine große Heckklappe, der Kofferraum schluckte auch größere Gepäckstücke. Die Ausstattung konnte sich ebenfalls sehen lassen: Schon in der Basisversion waren etwa die Stoffsitze spürbar feiner als bei einem Fiat Ritmo. Ein Großteil der Kunden entschied sich für die rund 1000 Mark teurere Luxusversion LX mit Extras wie hochwertigen Velourssitzen, Leichtmetallfelgen, Zentralverriegelung elektrischen Fensterhebern, Fünfgang-Schaltgetriebe sowie getrennt umklappbaren Rücksitzen. Mit diesem Kniff ließ sich der Delta zum geräumigen Kombi umbauen.

1982 schob Lancia die Stufenheckvariante Prisma nach. Zudem kam mit dem GT (1,6 Liter, 105 PS) die erste sportliche Version auf den Markt. Der 1983 präsentierte Delta HF Turbo hatte ebenfalls den 1,6-Benziner unter der Haube, leistete mit Zwangsbeatmung jedoch stramme 131 PS.

Die Initialzündung zur Rallye-Ikone erfolgte 1986 mit dem Delta HF 4WD mit Turbo und permanentem Allradantrieb. Audi hatte 1980 mit dem Ur-Quattro diesen Antrieb großserientauglich gemacht und auch die Rallyeszene umgekrempelt – die Hecktriebler hatten mit ihren Traktionsproblemen auf den Schlag keine Chance mehr.

Mit dem Delta HF 4WD und 1987 dem Delta HF Integrale schufen die Italiener ein eigenes Allradgeschoss. Die Rallyeversion in der Gruppe B hieß Delta S4 und wurde zusammen mit Abarth entwickelt. Da der Serien-Delta nur eine Tonne wog, war aber bereits der HF 4WD mit aufgeladenem Zweiliter-Motor und 165 PS mit Overboost-Modus eine Granate auf zivilen Straßen. Von Delta HF Integrale über HF Integrale 16 V bis Delta Integrale Evoluzione ging die Aufrüstung dann bis auf 215 PS.

Der Erfolg im internationalen Rallyesport wirkte sich auch für die »normalen« Versionen des Lancia Delta verkaufsfördernd aus. So wurde die biedere Stufenheckversion Prisma bereits 1989 eingestellt. Für den Delta I war erst 1994 Schluss. Das Image seines Nachfolgers Delta II reicht heute bei Weitem nicht an das seines berühmt-berüchtigten Vorgängers heran.

Warum ausgerechnet der?

Der Lancia Delta mischte in den Achtzigerjahren die Rallyeszene auf, leider mit tragischem Zwischenfall: Mit einem irre hochgezüchteten Delta S4 (650 PS, in zweieinhalb Sekunden von null auf hundert) verunglückten Lancia-Werksfahrer Henri Toivonen und Co-Pilot Sergio Cresto beim WM-Lauf auf Korsika 1986 tödlich. Der Unfall gilt als Auslöser dafür, dass die aus dem Ruder gelaufene Gruppe B mit ihren PS-Monstern zum Jahresende endgültig verboten wurde.

Lancia musste daraufhin einen neuen Wagen für die seriennahe Gruppe A entwickeln, was indes hervorragend gelang: Von 1987 bis 1992 gewann Lancia mit dem Delta HF Integrale sechsmal in Folge die Rallye-WM. »Weil der Wagen so überlegen war, hieß es damals: Der hat keine Gegner, sondern nur Opfer«, erinnert Christian Campe vom Lancia Club.

Die Sportversionen des Delta gehören heute zu den legendärsten und gesuchtesten Klassikern aus Italien – entsprechend hoch sind die Preise. Kribbelndes Delta-Feeling bieten aber auch schon die Basisversionen 1300 und 1500. »Ihr Handling ist überragend, dank Mehrlenkerachse kann man fast ungebremst in 180-Grad-Kurven fahren«, berichtet Liebhaber Campe. »Boah, was ist das für ein Auto, ist das ein Turbo?«, werde er öfters auf Oldtimerausfahrten gefragt. »Nee, das ist ein 1300 mit 78 PS«, antwortet Campe dann und die Leute schauen verblüfft.

Fans schätzen den Delta aber auch als geräumige, komfortable Reiselimousine. Im fünften Gang auf der Autobahn werkelt der Vierzylinder bei 120 km/h noch angenehm leise. Und mit dem Giugiaro-Design ist der Hatchback-Viertürer auch optisch ein Hingucker, schön kantig und 80er-Style pur. Giugiaro-Design mit Retrofahrspaß – davon schwärmten zwar auch VW-Scirocco- oder Golf-I-Liebhaber, meint Christoph Campe: »Aber selbst ein Ur-GTI kommt mit dem Fahrwerk eines Lancia Delta nicht mit.«

Verfügbarkeit:

Ob BMW M3 Sport Evo oder Mercedes 190 E 2.5-16 Evolution: Die Topmodelle von Achtzigerjahre-Klassikern sind in der Regel deutlich rarer als die Basisversionen. Beim Lancia Delta I ist es genau umgekehrt: Das Gros auf dem Markt machen heute die Sportversionen aus. Mitunter sei es einfacher, einen Integrale Evoluzione zu finden als einen gut erhaltenen 1300er, sagt Experte Christoph Campe. Denn die teuren Sportmodelle wurden von Anfang an gehegt oder aufwendig restauriert, viele Basisexemplare dagegen im Alltag heruntergeritten. Für Delta-Fans lohnt daher eine Reise nach Italien, dort finden sich noch deutlich mehr Veteranen.

Ersatzteilversorgung:

An der Rallye-Ikone Lancia Delta will freilich auch Fiat mitverdienen und lässt inzwischen manche spezifischen Integrale-Komponenten wie Stoßfänger neu auflegen – zu mitunter saftigen Preisen. Manches davon passt auch beim normalen Delta, andere Teile wiederum vom Fiat Ritmo – dies betrifft vor allem Verschleißteile für den Motor. Bei Karosserieersatz und Interieur-Teilen wird es schwieriger, hier kann die Lancia-Klubszene oft aushelfen.

Ersatzteilpreise (beispielhaft/gilt nicht für Delta Integrale):

Zahnriemen Satz neu: ca. 250 Euro

Stoßdämpfer: ca. 150 Euro

Tür gebraucht: ca. 120 Euro

Satz Bremsen vorne: ca. 80 Euro

Schwachstellen:

Beim Korrosionsschutz legten sich die Lancia-Konstrukteure beim Delta nicht besonders ins Zeug. Dieses Schicksal teilt er mit vielen anderen – auch deutschen – Autos seiner Zeit. Ein typischer Rostherd ist am Dachabschluss über der Heckscheibe, wo es beim Delta gern von innen nach außen fault. Auch Scheibenrahmen vorne, Türunterkanten, Schweller und Radläufe sollte man sich genau ansehen. Die Motoren des 1300er und 1500er gelten als robust, Laufleistungen von über 300.000 Kilometern sind keine Seltenheit. Der Zahnriemen sollte alle fünf Jahre gewechselt werden. Empfindlicher ist der HF Turbo mit aufgeladenem 1,6er Motor, der nicht nur warm-, sondern auch behutsam kaltgefahren werden will. Die hochgezüchteten Maschinen im Integrale/Evo vertragen viel, bei Dauervollgas gehen aber auch sie in die Knie (malade Zylinderkopfdichtung, Schäden an Pleueln und Ventilsitzen). Integrale-Fahrer klagen zudem häufig über wankelmütige Elektrik, also alle Kontrollleuchten auf ihre Funktion überprüfen.

Preis:

Wer Spaß am Restaurieren hat, findet in Italien noch abgerockte Alltagsautos für 1000 Euro. Fahrbereite Lancia Delta mit TÜV sind für etwa 5000 Euro zu haben, gepflegte 1300 oder 1500 können aber auch bis 10.000 Euro kosten. Die Sportversionen und speziell die Rallye-Ableger HF Integrale und Evo fahren auch preislich in einer anderen Liga, Sammlerstücke gehen bis an die 200.000 Euro.

Anlaufstellen im Internet:

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Günstige Oldtimer: Bock auf Blech? Bitte hier lang

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Haiko Prengel

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