Sadiq Khan Londons Bürgermeister will Autoverkehr deutlich zurückdrängen

Londons Bürgermeister Sadiq Khan (M.) am Dienstag auf dem Weg zur Pressekonferenz über seine neuen Verkehrspläne
Foto: Stefan Rousseau / dpaDer Bürgermeister von London, Sadiq Khan, will den Autoverkehr in der britischen Hauptstadt bis zum Jahr 2030 um mindestens 27 Prozent reduzieren. Laut einem am Dienstag veröffentlichten Bericht sei das nötig, um die Stadt bis 2030 klimaneutral zu machen. Londonerinnen und Londoner sollen in einen Beratungsprozess über die Maßnahmen eingebunden werden.
Ein durchschnittlicher täglicher Autopendler verbringe im Jahr mehr als 150 Stunden im Stau, das seien mehr als sechs Tage, sagte Khan. Ein Ausbau der Radwege soll mehr Autofahrten überflüssig machen. Auch die Dämmung von Häusern, die in Großbritannien oft schlecht isoliert sind, und der Ersatz fossiler Heizungen durch 2,2 Millionen Wärmepumpen spielen in dem Klimaplan eine große Rolle.
Khan beauftragte die Verkehrsbehörde Transport for London (TfL), eine Straßenbenutzungsgebühr für die ganze Stadt zu entwickeln. Sie solle abhängig von der zurückgelegten Strecke, Zeit und Ort erhoben werden. Da die dafür nötige Technik wahrscheinlich noch nicht bald zur Verfügung stehe, solle TfL andere Optionen prüfen, damit Autofahrer für die von ihnen verursachte Luftverschmutzung zur Kasse gebeten werden können, bevor Khans Amtszeit im Mai 2024 endet.
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Eine Option wäre eine tägliche Gebühr für alle Autofahrten im Stadtgebiet von Greater London, eine andere ein Wegezoll an der Stadtgrenze. Bereits 2003 hatte London als eine der ersten Großstädte in Europa eine City-Maut (»Congestion Charge«) eingeführt, die heute in der Regel 15 Pfund (etwa 18 Euro) pro Tag für jedes in der Innenstadt gefahrene Auto kostet.
2019 kam noch eine Umweltzone (»Ultra-Low Emission Zone«, Ulez) hinzu, die im Oktober bis zur inneren Ringstraße ausgedehnt wurde. Darin werden 12,50 Pfund (etwa 15 Euro) pro Tag für Autos fällig, die den Euro-4-Standard für Benzin oder Euro 6 für Diesel nicht erreichen. Die Ulez könnte nun auf alle Stadtbezirke und auch auf neuere Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ausgeweitet werden. In jedem Fall würden Elektroautos und Hybride von der neuen Maut ausgenommen.
Congestion Charge und Ulez seien »ziemlich stumpfe Instrumente«, sagte Khan. Die Technologie sei heute weiter. Er hoffe, dass die alten Mautsysteme noch in diesem Jahrzehnt von einer smarten Nutzungsgebühr abgelöst werden könnten. »Ich will, dass London weltweit vorangeht.«
Aus für fossile Neuwagen
Der Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor soll ohnehin bis 2030 gestoppt werden. Zu diesem Ziel hat sich auch die konservative britische Regierung bekannt, mit einer Übergangsfrist für Hybride bis 2035.
Als neu gewählter Vorsitzender der Initiative C40, in der internationale Städte im Kampf gegen die Klimakrise zusammenarbeiten wollen, bezeichnete Khan Bürgermeisterinnen und Bürgermeister als »Macher«, während er nationalen Regierungen Verzögerung vorwarf.
Der Labourpolitiker rief am Dienstag die britische Regierung dazu auf, London finanziell zu unterstützen – insbesondere bei der Verkehrswende. Die riesige Aufgabe könne die Stadt nicht allein bewältigen. Ende Dezember hatte der Staat sich bereit erklärt, eine Finanzlücke der TfL bis Anfang Februar zu schließen. Andernfalls, so warnte Khan, könnte die Stadt gezwungen sein, eine komplette U-Bahn-Linie stillzulegen.
Der sozialdemokratische Politiker macht sich seit Jahren für die Verbesserung der Luftqualität in London stark. Darin sieht er auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Die ärmsten Londoner lebten in den Vierteln mit der schlechtesten Luftqualität, sagte Khan – dabei besäßen sie am seltensten ein eigenes Auto. Am vergangenen Freitag war die Luftqualität erneut so schlecht, dass die Stadtverwaltung die Bürgerinnen und Bürger vor Sport im Freien warnte.
Jemima Hartshorn von der Gruppe »Mums for Lungs« kommentierte die neue Ankündigung laut dem »Guardian« , dies sei »ein guter Tag für die Kinder Londons«. Nicholas Lyes vom Autoklub RAC hingegen warnte vor »massiven finanziellen Herausforderungen für Personen, Familien und Unternehmen, die mit dem Auto in London fahren oder auch nur den Rand der Hauptstadt besuchen«. Die Vorschläge würden »diejenigen bestrafen, die sich einfach kein Elektroauto leisten können«.