Unterm Hammer – Mercedes 300 SL von Juan Manuel Fangio Der Roadster des Titanen

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Unterm Hammer: Ein Mercedes 300 SL Roadster, Baujahr 1958, vom Typ W 198 II mit 3-Liter-Reihensechszylindermotor und 72.951 Kilometern auf dem Zähler. Das Auto stammt aus erster Hand, gehörte dem fünfmaligen Formel-1-Weltmeister Juan Manuel Fangio (1911 bis 1995) und stand seit 1986 im Fangio-Museum in Balcarce, Argentinien.
Warum mitbieten? Wer diese Frage stellt, kommt als Interessent eher nicht infrage. »Fangio«, lautet natürlich die Antwort. Juan Manuel Fangio, geboren 1911 im argentinischen Balcarce, gestorben 1995 in Buenos Aires, gilt bis heute als einer der besten Autorennfahrer. Er prägte das erste Jahrzehnt der Formel 1, wurde fünfmal Weltmeister – und zwar mit vier verschiedenen Marken (Alfa Romeo, Mercedes, Ferrari, Maserati). Er startete bei 51 Grands Prix und gewann davon 24 – kein anderer Formel-1-Fahrer hat bislang eine solche Quote erreicht.
Den Mercedes 300 SL Roadster erhielt Fangio im Jahr 1958 zu seinem 47. Geburtstag, er wurde ihm im Londoner Dorchester Hotel übergeben. Keine zwei Wochen später beendete Fangio – unmittelbar nach dem Großen Preis von Frankreich in Reims, bei dem er Vierter geworden war – seine Motorsportkarriere. Zu Mercedes hatte »El Chueco« (»der Krummbeinige«) eine besondere Beziehung: Nicht nur sportlich – Fangio wurde 1954 und 1955 Formel-1-Weltmeister mit der Stuttgarter Marke –, sondern auch beruflich. Bereits 1951 hatte der gelernte Schlosser den ersten Mercedes-Betrieb in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires eröffnet. Und 1974 wurde er schließlich Präsident von Mercedes-Benz Argentina.
Das Geschenk aus Stuttgart, so wird in unterschiedlichen Quellen kolportiert, muss Fangio besonders gerührt haben. Schon wegen der »argentinischen« Farbgebung: Das Auto strahlte in metallicblauem Lack und hatte ein cremefarbenes Lederinterieur. Fangio fuhr den Wagen sowohl bei ausgedehnten Urlaubsreisen durch Europa, aber auch als Alltags- und Geschäftsauto in Argentinien. Ziemlich sicher hat Fangio sämtliche 72.951 Kilometer, die der Zähler des Autos anzeigt, selbst abgespult. Es gibt jedenfalls kein Foto, das jemand anderen als ihn am Steuer zeigt.

Der Mercedes 300 SL von Fangio
Der Wagen zeigt im Innenraum deutliche Gebrauchsspuren, aber offenbar wurde er stets kundig gewartet. Jedenfalls heißt es in der Beschreibung des Auktionshauses RM Sotheby’s, dass Karosserie, Motor, Getriebe, Differenzial, Fahrwerk und Hardtop noch im Originalzustand sind. Mercedes baute den 300 SL in den Jahren 1954 bis 1963. Das Auto von Fangio stammt aus dem Jahr 1958 und gehört der zweiten Serie der Baureihe an, von der insgesamt 1858 Exemplare gebaut wurden.
Der 4,57 Meter lange Zweisitzer galt als schnellster Sportwagen seiner Ära mit einer Höchstgeschwindigkeit zwischen 220 und 260 km/h. Wobei es sich bei dem Modell von Fangio nicht um ein speziell für Renneinsätze getuntes Auto handelt, sondern um ein klassisches Serienmodell mit 3-Liter-Reihensechszylindermotor, Viergangschaltgetriebe und Trommelbremsen (Scheibenbremsen gab es erst ab 1961). Ab 1986 stand der Wagen im damals gerade eröffneten Fangio-Museum in Balcarce, der Heimatstadt des Renn-Heroen, etwa 500 Kilometer südlich von Buenos Aires gelegen.
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Jetzt hat sich die Familie offenbar zum Verkauf des einzigartigen Roadsters entschlossen. Der künftige Besitzer darf sich nicht nur auf ein legendäres Fahrzeug freuen, sondern dazu noch auf eine Sportwagen-Ikone mit einer einzigartigen Historie. Wer kann schon behaupten, er greife ab und zu in ein elfenbeinfarbenes Zweispeichenlenkrad, das vormals ein fünfmaliger Formel-1-Weltmeister in Händen hielt? Übrigens bewegte Fangio den Wagen anfangs unter straßenverkehrsrechtlich höchst zweifelhaften Voraussetzungen. Der Vollgas-Held fuhr nämlich ohne Führerschein. Erst 1961 legte Fangio die Fahrprüfung ab.
Zuschlag! Das Auktionshaus RM Sotheby’s bietet den Mercedes 300 SL Roadster von Juan Manuel Fangio in einem »private sale« an. Bei der Onlineauktion können Bieter vom 21. bis 25. März ihre Gebote abgeben. Über das Mindestgebot wie auch über den erwarteten Preis herrscht Stillschweigen, da das Auto sozusagen als Rarität unter den Raritäten gilt. Im Januar versteigerte RM Sotheby’s in Arizona einen ähnlichen 300 SL Roadster – allerdings ohne derart glamouröse Vita – für 2,4 Millionen US-Dollar. Was Bieter noch wissen sollten: Der neue Eigner muss den Fangio-SL in der Schweiz abholen.