Niederlage für Grüne München baut Pop-up-Radwege wieder ab
Fahrradweg statt Autospur: Diesem Rezept folgten mehrere deutsche Städte zu Beginn der Corona-Pandemie, sie reagierten so auf den zunehmenden Radverkehr. Vielerorts stiegen Pendler statt in Bus oder Bahn lieber aufs Rad, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren, zeitweise löste das Fahrrad sogar das Auto als wichtigstes Verkehrsmittel ab.
Eingerichtet wurden die Radstreifen als Verkehrsversuch, der endet jedoch am 31. Oktober. Der Fahrradclub ADFC, aber auch die Grünen wollten die Radwege darüber hinaus erhalten. Deren Koalitionspartner im Rathaus, die SPD, stimmte am Mittwoch jedoch zusammen mit CSU und FDP für einen Abbau der temporären Fahrradspuren.
Münchens zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) kritisierte, der Beschluss widerspreche den Interessen der Bevölkerung. So hätten ein erfolgreiches Bürgerbegehren zur Fahrradpolitik und die Kommunalwahl im März gezeigt, dass der Wunsch der Münchnerinnen und Münchner nach besserer Radinfrastruktur groß sei.
ADAC begrüßt Rückbau der Radstreifen
"Während andere europäische Großstädte im Eiltempo die Verkehrswende umsetzen, fehlt in München der politische Wille für ein paar Kilometer Radweg", so Habenschaden. "Mit dieser Verzagtheit werden wir weder die Verkehrs- noch die Klimaprobleme in unserer Stadt lösen." Außerdem hätten in einer Evaluation nicht nur Radfahrer, sondern auch die Münchner Verkehrsgesellschaft, die Polizei sowie die Bezirksausschüsse den Verkehrsversuch positiv bewertet, so Habenschaden.
Es sei von Anfang an vereinbart gewesen, dass die Radwege Ende Oktober wieder verschwinden, begründete die SPD ihre Haltung. Nun werde untersucht, wo derartige Spuren im kommenden Jahr womöglich dauerhaft installiert werden.
Der Automobilklub ADAC begrüße den Beschluss. "Für München ist es gut, dass die Radwege wieder abgebaut werden", sagt Alexander Kreipl, verkehrspolitischer Sprecher des ADAC Südbayern.
"Es hieß von Anfang an, man wolle die Radwege ausprobieren und anschließend bewerten, das finden wir gut", so Kreipl. Er sieht trotz steigender Corona-Infektionszahlen keinen Sinn im Erhalt der Radstreifen, denn in München biete sich derzeit das gleiche Bild wie in anderen Jahren zuvor: "Das Wetter wird schlechter und es fahren weniger Menschen mit dem Rad. Ob die Radwege trotz der steigenden Infektionszahlen sinnvoll wären, ist deshalb fraglich", so Kreipl. Denn viele Menschen stiegen aus Angst vor einer Ansteckung auch aufs Auto um, gerade bei schlechtem Wetter. Und dann, so der ADAC-Sprecher, würden die Pop-up-Radwege die Stauprobleme nur verschlimmern.
Das ist einer Datenanalyse des SPIEGEL zufolge jedoch nicht zwangsläufig der Fall. So wurde auf der Kapuzinerstraße in München - einer zuvor vierspurigen Zufahrt ins Zentrum - bereits 2013 je eine Autospur zum Radstreifen umgebaut. Dadurch wurde die Straße jedoch nicht zur Staufalle für Autofahrer.
Zwar floss der Verkehr dort um 0,5 bis 0,7 km/h langsamer als 2012 - dieser Effekt war der Datenanalyse zufolge jedoch in ganz München zu beobachten. Zwischen 9 und 10 Uhr fließt der Verkehr in der Hälfte der Straßen der bayerischen Landeshauptstadt sogar langsamer als in der Kapuzinerstraße, obwohl der Verkehr dort trotz des Umbaus sogar leicht gestiegen ist.