Reaktionen auf den E-Fuel-Kompromiss »Nichts weiter als Wahlkampf-Klimbim«
Der wochenlange Streit über das Aus für Verbrennerautos ist beigelegt. Die Bundesregierung hat sich im Streit über einen Zulassungsstopp für neue Autos mit Verbrennungsmotor mit der EU-Kommission geeinigt. Das teilten Verkehrsminister Volker Wissing und EU-Kommissionsvize Frans Timmermans am Samstag auf Twitter mit. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, die ausschließlich CO₂-neutrale Kraftstoffe tanken, sollen auch nach 2035 neu zugelassen werden können.
Die FDP drohte, ein geplantes EU-weites Verbot von Neufahrzeugen mit fossil betriebenen Verbrennungsmotoren ab 2035 zu blockieren, wenn synthetische Kraftstoffe – sogenannte E-Fuels – nicht als Ausnahme berücksichtigt würden. Dabei hatten sich Europaparlament und EU-Staaten bereits im Oktober darauf geeinigt, dass in der EU ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen. Eine für Anfang März vorgesehene Bestätigung der Einigung durch die EU-Staaten wurde aufgrund der geforderten E-Fuel-Ausnahmen von Deutschland zunächst verhindert. Seitdem verhandelten Bundesverkehrsministerium und EU-Kommission über einen Kompromiss.

Auf deutschen Autobahnen fahren derzeit Diesel-, Benzin- und Elektroautos. E-Fuel-Fahrzeuge wird es auch künftig kaum geben, prognostizieren Fachleute
Foto: Marin Tomas / Getty ImagesKoalitionspartner erleichtert, EU-Vertreter sauer
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den Kompromiss im Streit über die Zukunft von Autos mit Verbrennungsmotoren begrüßt. Mit der Ausnahmeregelung für klimaneutrale Kraftstoffe – sogenannte E-Fuels – sei eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt worden, sagte Scholz am Samstag bei einem Bürgergespräch in Potsdam. Er machte aber auch deutlich, dass er eine Anwendung der Regelung noch für offen hält. »Wie viele davon Gebrauch machen und ob das überhaupt relevant wird, das kann niemand sagen.«
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßte, »dass diese Hängepartie ein Ende hat«. »Die Automobilindustrie hat nun Klarheit für die Umstellung auf Elektromobilität«, erklärte sie in Berlin. E-Fuels könnten eine wichtige Rolle in Bereichen spielen, »die nicht ohne Weiteres auf effiziente Elektromotoren umstellen können«.
Die Koalitionspartner sind zwar erleichtert, scheinen aber die FDP-Forderung nach E-Fuels in Pkw nie wirklich ernst genommen zu haben. »Es ist gut, dass das Hin und Her ein Ende hat«, erklärte etwa die Grünenfraktionschefin im Bundestag, Katharina Dröge, in Berlin. Sie forderte nun einen »Turbo für E-Mobilität«. Auch SPD-Fraktionsvize Detlef Müller betonte in der »Welt am Sonntag«, die Zukunft liege »im batterieelektrischen Antrieb«.
In der EU bemüht man sich um Schadensbegrenzung. Details, wie die Einigung nun umgesetzt wird, sind weiter unklar. »Wir haben eine Verständigung mit Deutschland über die künftige Nutzung von E-Fuels in Autos erzielt«, schrieb Timmermans auf Twitter. Die Arbeiten über die geplante Regulierung des CO₂-Ausstoßes von Autos sollten nun »so schnell wie möglich« abgeschlossen werden, kündigte der Kommissionsvizepräsident an. Im Anschluss werde die EU-Kommission die notwendigen rechtlichen Schritte zu den E-Fuels einleiten.
Wir müssen die schräge Diskussion um #eFuels beenden. Sie sind ineffizient, teuer, blockieren Innovationen und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen #Automobilindustrie. Unterstützt die Petition an Minister @Wissing @fdp, den Unsinn zu stoppen.https://t.co/84WNA9pz9M
— Volker Quaschning 👉@VQuaschning@mastodon.green (@VQuaschning) March 23, 2023
Aus dem EU-Parlament kommt geballte Kritik. »Inhaltlich werden wir sehr genau prüfen, was die Kommission auf den Tisch legt«, sagte der Grünenklimaexperte Michael Bloss dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die französische Grünenabgeordnete Karima Delli kritisierte mit »großer Wut«, die Kommission sei vor Deutschland »eingeknickt«. Von einem »Desaster« sprach der deutsche Sozialdemokrat René Repasi.
Am Donnerstag sprach der lettische Ministerpräsident Krisjanis Karins bereits am Rande des EU-Gipfels von einem »sehr, sehr schwierigen Zeichen für die Zukunft«. Es sei verwunderlich, dass eine Regierung sich plötzlich anders entscheide, nachdem eine Vereinbarung bereits getroffen worden sei.
»Fauler Kompromiss«
Auch Klimaschützer sind ganz und gar nicht begeistert von dem Kompromiss. Greenpeace-Mobilitätsexperte Benjamin Stephan sprach von einem »faulen Kompromiss«. Dieser »untergräbt Klimaschutz im Verkehr, und er schadet Europa«, erklärte er in Berlin. Die notwendige Ausrichtung auf E-Mobilität werde durch die »rücksichtslose Erpressung« der FDP verwässert.
EFuels sind Ineffizient und teuer. Fünf- bis siebenmal so viel Strom als E-Auto. Ein Liter kostet mehr als fünf Euro. Markt hat sich entschieden, Autobauer brauchen Planungssicherheit. #EFuels für Schiff- oder Flugverkehr benötigt. Efuels Wahlkampf-Klimbimhttps://t.co/mBraxInzvS
— Claudia Kemfert (@CKemfert) March 25, 2023
»Das könnte es der Politik sehr schwer machen, konsequente Klimapolitik zu betreiben«, kommentierte auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm im »Handelsblatt«. Hersteller und Konsumenten könnten nun möglicherweise länger auf Autos mit Verbrennungsmotoren setzen. Synthetische Kraftstoffe sowie Wasserstoff würden im Zweifel aber eher für Industrie, Schwerlastverkehr oder im Stromsektor gebraucht.
E-Fuels gelten bisher als teuer und ineffizient. Die klimaneutralen Kraftstoffe bräuchten fünf- bis siebenmal so viel Strom wie E-Autos, erklärte auch Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Twitter. Ein Liter koste mehr als fünf Euro, E-Fuels würden für Schiff- oder Flugverkehr benötigt. Die Forderung danach sei nichts weiter als »Wahlkampf-Klimbim«.
Auch Autobauer halten E-Fuels für nebensächlich. Der VW-Chef Oliver Blume plädierte in der »Süddeutschen Zeitung« zwar für eine Offenheit für E-Fuels, sprach aber vor allem von einer Option »für Nischenanwendungen«. Der Maschinenbau-Dachverband VDMA nannte Anwendungen in Sonderbereichen, so für Bagger oder Traktoren.
Kleine, aber starke E-Fuel-Lobby im Südwesten
Die baden-württembergische Wirtschaft hingegen begrüßt die Einigung im Verbrennerstreit. »Es ist ein kluger Schritt, die Tür für mit E-Fuels betriebene Verbrennungsmotoren in der Mobilitäts- und Energiewende offenzulassen«, sagte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), am Sonntag in Stuttgart. Der technologische Wandel verlaufe rasant. Es sei noch nicht abzusehen, welche Optionen in 15 oder 20 Jahren offenstehen. »Es wäre daher töricht gewesen, einzelne Technologien grundsätzlich auszuschließen«, so Dick.
Eine Festlegung von verbindlichen #Klimaschutz|zielen auf Landesebene ist kontraproduktiv. Der politische Fokus muss viel stärker auf die Vereinheitlichung der Klimaschutzinstrumente auf internationaler Ebene gelegt werden, fordert Peer-Michael Dick.
— Unternehmer Baden-Württemberg (@UnternehmerBW) February 1, 2023
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Der Verband vertritt unter anderem die Unternehmen, die als Zulieferer für Automobilkonzerne tätig sind. Viele sind auf den Verbrennermotor spezialisiert und haben dementsprechend ein Interesse daran, dass diese auch nach 2035 noch zugelassen werden.
Der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Christian Jung, erhofft sich dementsprechend positive Auswirkungen auf Baden-Württemberg: »Wir werden dadurch viele Arbeitsplätze vor allem im Zuliefererbereich der Automobilindustrie und im Kfz-Gewerbe im Südwesten sichern und zukunftsfähig machen können.«