Studie zum Mobilitätsverhalten Das Auto ist bald out

Der Autoverkehr verliert einer Studie zufolge bis 2030 seine Vormachtstellung, Nutznießer ist vor allem der Radverkehr wie hier in Paris
Foto: Kiran Ridley/ Getty ImagesUmweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen statt täglich im Auto sitzen: Dieser Wandel soll einer Studie zufolge stattfinden - und zwar in den nächsten zehn Jahren. Das geht aus der Studie "Mobility Futures" des Marktforschungsinstituts Kantar hervor, das über 20.000 Bewohner in 31 Großstädten weltweit befragt und die Ergebnisse 53 Experten zur Bewertung vorgelegt hat.
Demnach gelingt die Verkehrswende im Jahr 2030, da private Autofahrten in den größten Städten der Welt im kommenden Jahrzehnt um zehn Prozent zurückgehen. Durch die alternde Weltbevölkerung, aber auch Geschäftsmodelle wie Sharing von Autos und Motorrollern sowie das Aufkommen autonomer Fahrzeuge werde der Bedarf, ein Auto zu besitzen, sinken. "Mobilität verändert sich normalerweise sehr langsam, eine Veränderung von zehn Prozent über ein Jahrzehnt ist enorm", erklärt Rolf Kullen, Leiter Mobilität bei Kantar.
Fahrrad und Fußverkehr profitieren am stärksten
Der Anteil des Autos an den zurückgelegten Fahrten wird den Forschern zufolge so von 51 Prozent auf 46 Prozent im Jahr 2030 sinken. Diese Entwicklung geht vor allem auf das Konto des Fahrrads, dessen Nutzung um 18 Prozent steigen soll - aber auch der Anteil des Fußverkehrs soll um 15 Prozent steigen. Der öffentliche Nahverkehr wird der Prognose zufolge jedoch nur um sechs Prozent zulegen.
Dessen Nutzer wollen jedoch auch besonders oft auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen, 43 Prozent der Nahverkehrskunden suchen demnach nach einer Alternative. Doch auch 37 Prozent der Autofahrer würden ihren Wagen der Studie zufolge schon heute gern stehen lassen.
Berlin liegt im Städtemobilitätsindex vorn
In der Studie stecken neben den Ergebnissen der Befragung auch Daten wie die Anzahl an Haltestellen, an Schienenkilometern in den Städten und künftigen Bauprojekten, sowie Zahlen wie das Haushaltseinkommen und die Bevölkerungsentwicklung. Zwei deutsche Städte schnitten dabei besonders gut ab: So lag Berlin im Städtemobilitätsindex an der Spitze, München lag hinter Auckland, Moskau und New York auf dem fünften Rang.
Dieser Index vergleicht, ob einzelne Bürger Zugang zu Mobilität haben, sagt Rolf Kullen: "Also was verfügbar ist, wie viel es im Vergleich zum durchschnittlichen Haushaltseinkommen kostet, aber auch wie dicht das Netz des Nahverkehrs ist und wie viele Menschen ein Auto besitzen." Dass Berlin hier auf Platz eins landet, habe jedoch auch die Forscher überrascht, so Kullen. "Aber das Angebot ist riesig und die Preise sind im Vergleich zu den Einkommen relativ günstig. Und gleichzeitig besitzen viele Menschen ein Auto." München habe im Vergleich zu Berlin ein etwas dünneres Nahverkehrsnetz und eine etwas höhere Ungleichheit der Einkommen bei höheren Preisen.
Deutsche Städte investieren wenig
Im "Shared-Mobility-Index", der das Angebot für Rad- und Carsharing in den jeweiligen Städten im Verhältnis zum Einkommen, den verfügbaren Fahrzeugen und der Bevölkerung vergleicht, lagen die beiden Städte sogar an der Spitze und damit vor Singapur und Peking - aber auch hier platzierte sich Berlin vor München. "Das Sharing-Angebot in Berlin und München ist extrem groß, denn beide gehörten zu den ersten Märkten großer Carsharing-Anbieter", erklärt Mobilitätsforscher Kullen die gute Platzierung der beiden Städte.
Trotzdem gibt es Kullen zufolge auch hier Verbesserungspotenzial: "Deutsche Städte verändern sich im internationalen Vergleich sehr langsam." So sei die Mobilitätswende in Berlin und München weder in der Einstellung der Menschen noch bei den öffentlichen Investitionen sichtbar: "So sind in deutschen Städten kaum Großprojekte geplant oder sie gleichen nur einen Bedarf aus, der schon vor Jahren vorhanden war, wie zum Beispiel die zweite Stammstrecke der Münchener S-Bahn."
Die größte Veränderung des Mobilitätsverhaltens wird es im kommenden Jahrzehnt dagegen in Manchester geben, wo die Nutzung des Autos um 24 Prozent zurückgehen wird, während der Anteil des öffentlichen Nahverkehrs um 20 Prozent steigen soll. Auf die britische Großstadt folgen Moskau, Sao Paulo, Paris und Johannesburg. "Sao Paulo und Johannesburg haben noch viel Verbesserungspotenzial, werden aber in den kommenden zehn Jahren viel investieren. Das schlägt sich in der Studie nieder", sagt Kullen. Das gelte auch für Paris, Moskau und Manchester, die ihren Nahverkehr stärker in die Randgebiete ausdehnen und so die Abhängigkeit vom Auto reduzieren.