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Der All-in-one-Camper

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Offroad-Van Terracamper im Test Der Allgrounder

Die Firma Terracamper hat sich auf Kleinbusse mit Expeditionscharakter spezialisiert. Der Clou: Im Alltag wird der Camper ruck, zuck zum Pkw oder Transporter. Wir haben ausprobiert, wie das funktioniert.
Von Matthias Kriegel

Seilwinden, ein höher gelegtes Fahrwerk, Ersatzbenzinkanister, All-Terrain-Reifen – das alles klingt nicht nach Ausstattungsmerkmalen, die beim Kauf eines Campingbusses oben auf der Prioritätenliste von Interessierten stehen.

Ausbauspezialist Terracamper aus Kassel legt auf all das aber Wert: Die Fahrzeuge werden nicht nur zu Campern aus-, sondern auch zu Expeditionsfahrzeugen umgebaut. Seit fünfzehn Jahren ist das kleine Unternehmen darauf spezialisiert. Es begann mit dem Umbau von Geländewagen, heute konzentriert sich die Firma auf VW Transporter und den Mercedes Vito. Damit bedient Terracamper einen wachsenden Trend. Der Expeditionscharakter durchdringt mittlerweile jedes Segment und zieht sich vom Campingbus über kleine Wohnwagen bis zum klassischen Wohnmobil.

Völlig neu ist das nicht. Safari-Jeeps mit Dachbiwak oder Unimogs mit Wohnaufbau rumpeln schon seit Jahrzehnten durch die Wüsten dieser Welt. Aber nun dringt die Geländegängigkeit bis in die Campingnischen vor. Der SUV-Trend überträgt sich auf die Campingmobilbranche. Die schreibt seit Jahren Rekordzahlen, und parallel wachsen die Nischen mit: Es gibt mehr Expeditionsfahrzeuge, und sehr viel mehr noch solche, die es sein wollen.

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"Das Interesse ist in den letzten Jahren stark gestiegen", sagt Kanittha Cramer von Terracamper. "Es wird mehr verkauft, und die Auswahl an Fahrzeugen ist sehr, sehr groß geworden." Auch Hymer und Co. bieten viele ihrer Reisemobile mittlerweile mit Allradantrieb an. Doch echte Offroadqualitäten bedeuten mehr als vier angetriebene Räder – viel Bodenfreiheit, eine robuste Inneneinrichtung und Extras wie Solarpaneele für die autarke Energieversorgung.

Offroadtrend beim Camping

Wer sich auf Fachmessen umschaut, gewinnt den Eindruck, dass klassische Wohnmobile vielen nicht mehr ausreichen. "Es gibt einfach viele Globetrotter, die dem Trubel der stark frequentierten Touristenziele entfliehen möchten", sagt Cramer, die selbst gern Urlaubsreisen über Schotterpisten unternimmt. "Wer wirklich Ruhe sucht und an bestimmte Spots gelangen möchte, der ist froh, wenn er ein geländegängiges, kompaktes und autarkes Fahrzeug hat." Und wer normales Camping mit einer Prise Expeditionscharakter verbinden möchte, findet in Fahrzeugen wie jenen von Terracamper vielleicht die geeignete Mischung.

Für einen Selbstversuch waren wir in einem Mercedes Vito in der Ausstattungslinie "Tecamp" unterwegs: mit 17-Zoll-Alufelgen, einem um 30 Millimeter höher gelegten Fahrwerk, Allradantrieb und All-Terrain-Reifen. Das Paket sorgt auf steilen, kurvenreichen Schotterpisten für ordentliche Traktion und robuste Straßenlage. Der 5,30 Meter lange Camper (inklusive Heckträger) lässt sich fast spielerisch durch Haarnadelkurven manövrieren. Äußerlich wirkt das mattblau-weiß lackierte Testfahrzeug im Halbdunkel ein wenig wie ein Polizeibus.

Serienmäßig an Bord sind vier Schlaf- und Sitzplätze, ein 40-Liter-Frischwassertank, eine Kühlbox mit 31 Liter Volumen, ein herausnehmbarer Kocher, ein Spülbecken und die Basiselektrik. Unterm Aufstelldach befindet sich das Bett der oberen Etage, in unserem Fall mit einer vier Zentimeter dicken Matratze (2,1 x 1,1 Meter) auf Tellerfedern. Drei große Fenster, zwei davon mit Moskitonetzen, lassen Tageslicht und Frischluft herein. Aufgebaut wird der Schlafbereich in wenigen Sekunden mit zwei Gasdruckfedern. Die Liegefläche, auf der es sich auch zu zweit erstaunlich gut schläft, ist ebenfalls hochklappbar und mit Gasdruckfedern versehen – das bringt im Wohnraum eine Stehhöhe von mehr als zwei Metern.

Lösungen für viele kleine Probleme

Das Bett im Erdgeschoss (1,9 x 1,2 Meter) befindet sich im Heck und entsteht, wenn die Rücksitzbank umgeklappt wird. Es liegt auf einem Lattenrost und wird im Dachbereich eingehängt. Dort wird es allerdings eng, der Abstand zwischen Liegefläche und Dach beträgt kaum 80 Zentimeter. Da wird schon das Umdrehen im Schlaf mühsam, besonders wenn noch jemand danebenliegt. Klappt man allerdings Dach und Liegefläche hoch, schläft aber dennoch unten, bekommt der Terracamper fast Loftcharakter.

Ob im Heck, an den Seitenwänden oder im Dachbereich – an Zurrschienen kann nahezu jegliches Zubehör ohne Werkzeug angebracht werden. Dazu zählen Kleider- oder Gepäckhaken, eine kleine Wäscheleine oder ein Küchenrollenhalter.

Die Innenraumarchitektur ist klassisch: Ein Spülbecken, zwei Wasseranschlüsse (seitlich an der Spüle und im Heck), ein zu beiden Seiten ausfahrbarer Kühlschrank, ein herausnehmbarer Spirituskocher, drehbare Vordersitze und ein ausklappbarer Esstisch gehören dazu. Stauraum im Heck bringt ein Regalsystem mit Euro-Boxen, vorn befinden sich weitere Staufächer. Für den Campinghausstand reicht das allemal.

Terracamper legt vor allem Wert auf Funktionalität. Es ist wichtiger, dass Oberflächen und Innenboden robust und schmutzresistent sind, als dass sie als stylish daherkommen. Auch bei den Schränken geht es um robuste Verarbeitung. Ob Schotter oder Asphalt, ob bei 45 oder 150 km/h - nichts klappert, knarzt oder knirscht.

Zusatzbatterie reicht für drei Tage

Auch die Elektrik funktioniert simpel. Das Testfahrzeug ist mit dem Komfortpaket ausgestattet. Es umfasst eine Zusatzbatterie sowie ein übersichtliches Bedienfeld direkt an der Schiebetür. Vier Knöpfe – Kühlschrank, Wasserpumpe, zweimal Licht – und zwei Drehschalter zum Dimmen reichen aus. Zwei USB-Anschlüsse und eine Schukosteckdose (nutzbar, wenn das Auto an eine externe Stromversorgung angeschlossen ist) sind ebenfalls vorhanden. Der externe Stromanschluss befindet sich unter der Motorhaube und lässt sich nur etwas umständlich erreichen. Man braucht ihn aber ohnehin nur, wenn man auch im Urlaub nicht auf Wasserkocher, Mikrowelle oder sonstige Stromschlucker verzichten will.

Denn der Terracamper ist energetisch ziemlich autark. Nach zweieinhalb Tagen Standzeit zeigte das Display 37 Prozent Restladung der Zusatzbatterie an. Nach rund zehn Kilometer Fahrt war die Ladung über die Lichtmaschine dann schon wieder bei 70 Prozent. Damit kamen wir weitere zweieinhalb Tage aus. Auch der Füllstand des Frischwassertanks ist über ein Display jederzeit im Blick. So richtig unabhängig wird man, wenn das verfügbare Solarpaneel an Bord ist Sonne in Strom wandelt.

Das wichtigste Merkmal des Terracampers ist allerdings die Flexibilität. Bis auf die Seitenteile im Heck des Fahrzeugs (darunter steckt fest verbaute Technik) lassen sich Module wie Spülbecken, Kühlschrank oder Staufächer ausbauen. Ein Terracamper soll nicht nur Camping-, sondern Allroundfahrzeug sein. So wird das Reisemobil in den Wintermonaten nicht zum Dauerparkraumschnorrer. Es dient als Pkw oder Transporter – egal, ob im Stadtverkehr oder auf Schotterpisten.

Zuletzt gab es bei Terracamper Neufahrzeuge ab 74.000 Euro, das Testfahrzeug etwa kostet 99.500 Euro. Wer allerdings schon ein Fahrzeug besitzt, mit dem er künftig Expeditionsluft schnuppern möchte, kann den Gebrauchten bei Terracamper voraussichtlich ab kommendem Jahr umrüsten lassen.

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