Fahrverbot nach Blick aufs Tesla-Display Unfallrisiko Touchscreen

Ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe könnte große Auswirkungen zur Nutzung von Touchscreens wie dem im Tesla Model 3 haben
Foto: Pontus Lundahl/ TT/ imago imagesDer Versuch, die Scheibenwischer auf die richtige Geschwindigkeit einzustellen, ist einem Teslafahrer im März des vergangenen Jahres zum Verhängnis geworden. Denn das Intervall lässt sich nur über ein Untermenü auf dem mittig angebrachten Touchscreen justieren. Beim Tippen kam der Fahrer jedoch von der Bundesstraße ab und fuhr gegen mehrere Bäume.
Was für ein Schaden dabei entstand, geht aus dem Urteil nicht hervor. Klar ist hingegen, dass er eine Geldbuße in Höhe von 200 Euro zahlen muss und einen Monat keinen Pkw steuern darf - das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte dieses Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe (Az. 1 Rb 36 Ss 832/19). Zutreffend sei auch dessen Wertung, dass der Fahrer regelwidrig ein elektronisches Gerät benutzte. Auch Touchscreens sind im sogenannten Handyparagraphen in der Straßenverkehrsordnung ausdrücklich genannt.
Ein sicherheitsrelevantes Teil während der Fahrt einzustellen ist nicht verboten, es kommt aber darauf an, wie der Fahrer das tut. "Das Gesetz sagt ausdrücklich, dass man den Blick nicht zu lange von der Straße abwenden darf, und genau das ist hier geschehen", erklärt Christian Janeczek, Mitglied des Ausschusses Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins.
Bedienung übers Display erfordert zu viel Aufmerksamkeit
Den Touchscreen während der Fahrt zu benutzen ist zwar grundsätzlich erlaubt - sofern der dafür nötige kurze Blick Verkehr und Witterung angemessen ist. "Wie lange man als Fahrer auf das Display schauen darf, richtet sich nach den Umständen", erklärt Anwalt Janeczek. "An der Ampel darf man beispielsweise länger aufs Display schauen, auf der Autobahn dagegen nicht."
Die Auswahl der richtigen Wischgeschwindigkeit über ein Untermenü erfordert nach Ansicht des Gerichts jedoch zu viel Aufmerksamkeit. Dies insbesondere im Vergleich zu herkömmlichen Armaturen mit Hebeln und Schaltern.
Die Entscheidung dürfte Folgen haben. So wurde damit erstmals auch die Bedienung einer ausschließlichen Fahrzeugfunktion als Verstoß angesehen, wenn sie über ein Touchscreen erfolge und eine längere Blickzuwendung erfordere, erklärte der ADAC auf Anfrage.
Einstellen der Klimaanlage als Ordnungswidrigkeit
Das Urteil habe Signalwirkung, erklärt Verkehrsrechtler Janeczek. Zwar sei das Urteil für Amtsgerichte, die nicht dem OLG Karlsruhe untergeordnet sind, nicht bindend, so der Anwalt, "andere Richter werden dem Urteil aber mit hoher Wahrscheinlichkeit folgen". Gleichzeitig sei ein Oberlandesgericht die oberste Instanz bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten. "Erst wenn ein anderes Oberlandesgericht von diesem Urteil abweichen möchte, muss der Bundesgerichtshof verbindlich entscheiden", erklärt Janeczek.
Das Urteil hat jedoch nicht nur für Tesla-Fahrer Konsequenzen, sondern auch für Kunden anderer Hersteller, in deren Autos beispielsweise die Klimaanlage nur über den Touchscreen eingestellt werden kann. Nach Angaben des ADAC könne nicht ausgeschlossen werden, dass künftig auch das als Ordnungswidrigkeit bewertet werde. Auch Anwalt Janeczek teilt diese Sichtweise. "Fahrer sollten deshalb generell während der Fahrt nicht aufs Display schauen und sich dort durch Menüs klicken", warnt der Anwalt.
Verkehrsrechtler stellt Zulassung infrage
Verkehrsrechtler Janeczek sieht jedoch auch die Industrie in der Pflicht, denn Hersteller folgen Teslas Innenraumkonzept und verbauen größere Bildschirme in ihre Fahrzeuge, über die zahlreiche Funktionen gesteuert werden. Ein Verzicht auf Hebel und Schalter sorgt zwar für ein aufgeräumtes Armaturenbrett, macht manche eigentlich simple Handgriffe jedoch teilweise unnötig kompliziert, wie das Karlsruher Urteil aufzeigt. "Funktionen wie die Scheibenwischer müssen während der Fahrt spontan und intuitiv eingeschaltet und exakt eingestellt werden können", sagt Anwalt Janeczek.
Das sieht der ADAC ähnlich, der Automobilclub fordert etwa, dass alle für die Sicherheit wichtigen Funktionen wie Licht, Blinker, Scheibenwischer und Spiegelneigung bedient werden können, ohne dass dafür der Blick vom Verkehr abgewendet werden muss.
Für den kalifornischen Hersteller könnte die komplizierte Einstellung des Wischintervalls per Touchscreen zum Problem werden, vermutet Janeczek. Er könne nicht nachvollziehen, warum kein klassischer Hebel vorhanden sei, so der Anwalt: "Design darf hier nicht vor Funktion gehen." Sofern das Einstellen der Scheibenwischer im Tesla auch über eine Sprachsteuerung funktioniere, wäre das eine Ersatzlösung für den fehlenden Hebel. "Ansonsten stellt sich für mich die Frage", so Janeczek, "ob so ein Fahrzeug überhaupt zugelassen werden sollte und ob es bei Regen gefahren werden darf".
Das Kraftfahrt-Bundesamt verwies in dieser Frage jedoch auf die niederländischen Behörden, die dem Fahrzeug die Typgenehmigung erteilt hätten. Das zuständige niederländische Infrastrukturministerium erklärte auf Anfrage, der Wagen entspreche den europäischen Zulassungsvorschriften, daran ändere auch das Urteil zur Nutzung des Display nichts. Tesla äußerte sich auf Anfrage noch nicht zu dem Urteil.