Abkehr von E-Fuels Verkehrsminister Wissing warnt vor Kauf von Autos mit Verbrennungsmotor

Volker Wissing
Foto: Clemens Bilan / EPAHeute Abend tritt Volker Wissing erstmals als Verkehrsminister vor die Abgeordneten des Bundestags, um seine Pläne für die nächsten vier Jahre zu erklären. Doch schon zuvor machte der FDP-Politiker publik, dass er nicht an eine Zukunft des Verbrennungsmotors in Pkw glaube. »Wir müssen die verschiedenen Energieträger dort einsetzen, wo sie am effizientesten sind. Das ist beim Pkw der E-Antrieb«, sagte Wissing dem Informationsdienst »Tagesspiegel Background«.

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Damit setzt sich Wissing von der Position ab, die seine Partei lange vertreten hat, zuletzt im Bundestagswahlkampf. Die Liberalen sprachen sich für synthetische Kraftstoffe – sogenannte E-Fuels – auch bei Pkw aus. Im Koalitionsvertrag findet sich ebenfalls eine entsprechende Passage: Demnach könnten Autos mit Verbrennungsmotor langfristig eine Zukunft haben, sofern sie mit E-Fuels betankt werden.
E-Fuels seien nicht die Lösung für Pkw, sagte Wissing nun und schwenkt damit insbesondere auf die Linie der Grünen ein. »Auf absehbare Zeit werden wir nicht genug E-Fuels haben, um die jetzt zugelassenen Pkw mit Verbrennungsmotor damit zu betreiben«, sagte Wissing. Die E-Fuels würden vor allem für den Luftverkehr benötigt.
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Zugleich warnte der Verkehrsminister die Verbraucher, weiter auf Verbrenner zu setzen. »Die Nutzung fossiler Kraftstoffe wird in Zukunft teurer werden. Deshalb kann ich nur dazu raten, auf CO₂-neutrale Antriebe umzusteigen.« Gleichzeitig solle dafür gesorgt werden, dass das Laden mit regenerativem Strom bezahlbar bleibe.
»Wenn man sich die EU-Regulierung anschaut, sieht man, dass die Entscheidung für die E-Mobilität längst gefallen ist«, sagte Wissing. »Wenn wir den Umstieg forcieren, schaffen wir auch unsere Klimaziele«, erklärte er.
Bis 2030 sollen 15 Millionen vollelektrische Pkw auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. Dafür müsse sich jedoch noch einiges verändern.
Wissing sieht es auch als Aufgabe der deutschen Automobilindustrie, die Menschen zu überzeugen. »Tesla ist es gelungen, mit seinen Modellen viele Käuferinnen und Käufer zu begeistern, dies würde ich mir auch für die deutschen Automobilhersteller wünschen.«
Jein zu Tempo 30 in Städten, Nein zur City-Maut
Städten und Gemeinden möchte Wissing mehr Freiheiten bei der Verkehrswende einräumen. Bislang können diese etwa Tempo 30 nicht so einfach umsetzen . »Die Kommunen vor Ort wissen am besten, was für ihre Bewohner gut ist«, sagte er nun.
Er sei aber nicht überzeugt von einem flächendeckenden Tempo 30 innerorts. An Durchgangsstraßen sei diese Geschwindigkeitsbegrenzung eher weniger sinnvoll.
Die Städte könnten die Flexibilität nutzen, um den Rad- und Fußverkehr sicherer zu machen oder um Menschen besser vor Lärm zu schützen, betonte Wissing. Ein breites Städtebündnis wünscht sich bei Tempo 30 mehr Handlungsspielraum vom Bund. Der im Juli 2021 gegründeten Initiative, die auch vom Deutschen Städtetag unterstützt wird, sind inzwischen über 70 Städte beigetreten.
Andere Instrumente zur Entlastung der Städte vom Autoverkehr sieht Wissing kritischer. »Von zusätzlichen Belastungen durch Instrumente wie eine City-Maut halte ich wenig: Mobilität muss ein bezahlbares Angebot für alle bleiben«, sagte Wissing.
Um den Verkehrsfluss zu verbessern, setzt der Minister auf die bessere Nutzung von Daten. Als Beispiel nannte Wissing die Aufstellung von Baustellenschildern auf Straßen, wovon die Öffentlichkeit nichts erfahre. »Und so fahren die Menschen dann Montagmorgen ahnungslos auf diese Baustelle zu.« Diese Informationen sollten in einer Cloud gespeichert werden, damit Navigationssysteme sie verwenden und Autofahrer umleiten können.
Radlobby fordert Reformen
Interessengruppen forderten am Donnerstag noch weitergehende Reformen für die Mobilitätswende. Im Verkehrsrecht müsse die Privilegierung des Autos beendet werden, erklärte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC). Wissing müsse die Reform des Straßenverkehrsgesetzes noch in den ersten hundert Tagen auf den Weg bringen.
»Unser Verkehrsrecht ist von gestern – das Auto steht an erster Stelle, alle anderen Verkehrsarten sind marginalisiert«, sagte ADFC-Bundesgeschäftsführerin Ann-Kathrin Schneider. »Diese Unwucht passt nicht mehr in unsere Zeit.« Deutschland hinke im internationalen Vergleich hinterher.