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Der »Warti«: Spurtreu selbst bei höherem Tempo

Foto: Archiv Stiftung Automobile Welt Eisenach

Günstiger Oldtimer – Wartburg 353 Made in GDR

Wenig Geld, aber trotzdem Lust auf einen Oldtimer? Kein Problem – es gibt sie nämlich, die Schnäppchenschlitten. Diesmal: Der Wartburg 353, der Ostblock-Klassiker mit dem unterschätzten Zweitaktmotor.

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Günstige Oldtimer

Sie haben richtig Lust auf einen Oldtimer, trauen sich aber nicht, einen zu kaufen, weil Altautos in vielen Medien nur noch als Wertanlage thematisiert werden? Keine Angst, man muss nicht erfolgreich an der Börse spekuliert haben, um schönes Blech zu fahren.

Klar, für Großvaters abgelegte Karren von Mercedes oder BMW sind inzwischen stolze Summen fällig, und für die meisten alten Porsches werden heute Mondpreise gezahlt. Aber zwischen all den teuren Strahlemännern, die in der Regel kaum noch bewegt werden, gibt es sie noch: die Mauerblümchen, die Exoten, die kaum jemand auf dem Schirm hat – und die entsprechend wenig kosten. Und das nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im Unterhalt. Autos, bei denen die Ersatzteilversorgung kein Problem ist und für einen Auspuff nicht ein ganzes Monatsgehalt einkalkuliert werden muss.

Wir haben sie zusammengetragen und stellen sie in einer Serie in regelmäßigen Abständen vor.

Allgemeines zum Modell:

Ostdeutschland ist reich an Automobilgeschichte. In Zwickau reicht sie von Horch und Audi über die Auto Union bis zum Trabant und heute VW. Der Wartburg 353 (sprich Drei-Dreiundfünfzig) lief ab 1966 im VEB Automobilwerk Eisenach (AWE) vom Band. Vor der deutschen Teilung war diese Produktionsstätte eine Zweigniederlassung von BMW. Bei ihrem Debüt war die Stufenhecklimousine auf der Höhe der Zeit. »Von der Formensprache und dem Raumangebot repräsentierte der 353 einen soliden Mittelklasse-Pkw«, sagt Lars Leonhardt vom Museum Automobile Welt in Eisenach.

So bot der geräumige Viertürer viel Platz, auch der Kofferraum war mit 525 Litern Stauvolumen stattlich. »Das zeitlos schlichte Design zeichnete der Eisenacher Karosseriekonstrukteur Hans Fleischer, der sein Handwerk noch bei BMW gelernt hatte«, so Leonhardt. Auch die Fahrleistungen waren mit 45 PS ordentlich, obwohl der 353 durch die Rahmenbauweise mit fast einer Tonne Leergewicht recht schwer geriet. Mit einem VW Käfer, Opel Kadett B oder Fiat 126 konnten Wartburg-Fahrer mithalten. 1967 reichte AWE den Tourist nach, die Kombivariante mit umklappbaren Rücksitzen und riesiger, zwei Meter langer Ladefläche.

Gleichwohl war der Zweitakt-Dreizylinder des 353 damals ein Auslaufmodell. Zwar fuhren auch einige West-Fabrikate wie Saab 96 oder DKW F102 noch mit Zweitakt-Ottomotor. Die Technik galt aber schon als veraltet.

Eigentlich war der Wartburg 353 als Übergangsmodell geplant. Doch die moderneren Modelle 314 und P100 wurden nie realisiert. Auch an zeitgemäßen Viertaktmotoren tüftelten die Ingenieure in der DDR immer wieder, doch die Staatsführung ließ die Projekte aus finanziellen Gründen einstampfen. Für gehobenere Ansprüche musste es also doch der Wartburg 353 richten, und das tat er recht erfolgreich. In die sozialistischen Nachbarländer wurde das Modell massenhaft exportiert. Und auch nach Westeuropa ging eine größere Stückzahl, vor allem nach Großbritannien, Finnland und Benelux.

Als Standardversion war der Wartburg 353 schlicht ausgestattet. Die Deluxe-Variante bot mehr: Zierleisten innen und außen und bessere Stoffsitze mit Rückenlehnenverstellung. Extras wie Armlehnen statt Halteschlaufen an den Türen oder Kopfstützen wurden später Standard. Ab 1969 brachte der Zweitakt-Dreizylinder 50 PS. »Damit war die Motorleistung allerdings ausgeschöpft, ohne die Standzeit beziehungsweise Langlebigkeit zu gefährden«, sagt Lars Leonhardt. 1975 präsentierte AWE den 353 W (für Weiterentwicklung). Neben Detailänderungen im Innenraum bekam der Wagen Sicherheitslenksäule, Scheibenbremsen und Drehstromlichtmaschine. Ein optisches und technisches Facelift erhielt der Wartburg 353 im Mai 1985. Der Kühler wurde von da an vor dem Motor, im neu gestalteten Frontmittelteil mit formgebundenen Scheinwerfern, platziert.

Foto: Archiv Stiftung Automobile Welt Eisenach

Mit rund 17.000 Ostmark war der Wartburg 353 doppelt so teuer wie ein Trabant 601. Dies war gerechtfertigt, der Wartburg bot mehr Fahrkomfort. Im Stadtverkehr und auf der Landstraße fährt sich die gut gefederte Limousine recht kommod. Laut wird es erst jenseits der 100 km/h, auf der Autobahn sind bis 130 km/h Spitze drin.

Bis zu 75.000 Wartburg 353 liefen in Eisenach jedes Jahr vom Band. Das war für das gefragte Mittelklassemodell viel zu wenig. Doch man war in den alten Werkshallen von BMW gefangen. Die Erweiterung Ende der Achtzigerjahre um den Standort Eisenach-West reichte nicht aus, doch für ein großes Werk fehlte in der DDR das Geld. Trotzdem wurden immerhin 1,2 Millionen Wartburg 353 gefertigt. Schluss war für die 353-Limousine erst im Herbst 1988, der 353-Tourist lief im Frühjahr 1989 aus.

Das Nachfolgemodell Wartburg 1.3 (bis 1991) brachte dann mit einem in Lizenz gebauten Motor von Volkswagen den lang ersehnten Viertakt-Benziner. Doch der kam zu spät, mit dem Mauerfall wurden von einem auf den anderen Tag plötzlich ganz andere Autos erschwinglich.

Warum ausgerechnet der?

Die meisten DDR-Bürger mussten sich jahrzehntelang mit dem kleinen, zweitürigen Trabant begnügen. Kein Wunder also, dass der Wartburg 353 begehrt war. Dementsprechend länger waren die Wartezeiten, zudem der schicke Mittelklassewagen auch bei Polizei, NVA und anderen staatlichen Stellen als Dienstfahrzeug beliebt war. Auch auf schlechten Straßen – und die gab es im Arbeiter- und Bauernstaat viele – fährt sich der »Warti« gut und relativ leise. Selbst bei höherem Tempo zeigt er sich absolut spurtreu. Nur in Kurven neigt sich der Wagen sehr zur Seite, wie es auch Liebhaber der Ente (Citroën 2CV) gut kennen.

In Ostdeutschland ist der Wartburg 353 heute ein bedeutendes Stück Erinnerungskultur, dort gibt es die meisten Fans. Aber auch im Westen wird er längst nicht mehr verschmäht, im Gegenteil: Wegen seiner simplen Technik ist er äußerst wartungs- und reparaturfreundlich und ein absolut alltagstauglicher Einstiegsklassiker.

Und der stinkende Zweitakter? Der gemütlich brummende Dreizylinder hat Elan. 50 PS klingen heute nach nichts, doch die Beschleunigung ist für ein fast 60 Jahre altes Modell beeindruckend. Dabei darf man einen Wartburg mal ordentlich hochdrehen, rät Liebhaber Lars Leonhardt. »Wer sich mit dem 353 auskennt, ist an der Ampel etlichen hubraumstärkeren Wagen nicht unterlegen.«

Verfügbarkeit:

Obwohl die Hälfte der Fahrzeuge exportiert wurden, finden sich Dutzende Angebote in den Gebrauchtwagenbörsen. Das Gros sind Exemplare aus den Achtzigerjahren, frühe unrestaurierte Wartburg 353 aus der Anfangszeit sind rar und gesucht. Das gilt auch für die beliebte Kombiversion Tourist. Komplett original sind nur noch die wenigsten Fahrzeuge. Über die lange Bauzeit änderten sich immer wieder Anbau- und Interieur-Teile. Weil diese meist universal passen, sind viele 353 recht zusammengeschustert. Das fällt aber in der Regel nur Kennern auf, doch eine baujahrspezifische Rückrüstung kann kostspielig werden. Der Originalzustand hat auch beim Wartburg 353, von der Bereifung einmal abgesehen, die höchste Anziehungskraft.

Ersatzteilversorgung:

Beim Hersteller kann man nichts mehr ordern, der VEB Automobilwerk Eisenach wurde 1991 von der Treuhand geschlossen. Ab diesem Zeitpunkt produzierte Opel in Eisenach. Für den Wartburg 353 ist die Teilesituation trotzdem erstaunlich gut. An Verschleißteile kommt man über spezialisierte Händler problemlos. Teilweise werden Materialien nachgefertigt, etwa in Ungarn. Karosserieersatz, Interieur oder Zierrat finden sich auf Teilemärkten wie der Oldtema.

Ersatzteilpreise (beispielhaft):

  • Tür gebraucht: ca. 200 Euro

  • Austauschmotor: ab 700 Euro

  • Kupplung: ca. 150 Euro

  • Satz Bremsen vorn neu: ca. 100 Euro

Schwachstellen:

Grundsätzlich ist der Wartburg 353 sehr schrauberfreundlich. Anbauteile wie Türen, Motorhaube oder Kotflügel sind angeschraubt und leicht zu tauschen. Ungepflegte Fahrzeuge rosten sehr stark – vor allem an Türunterkanten, Dachfalzen und im Spritzbereich der Kotflügel. Wenn man diese Bereiche konserviert, kann man den 353 auch problemlos im Winter fahren. Der Dreizylinder-Zweitakter ist robust und nimmt Kaltstarts nicht so übel wie ein Viertakter. Wartburg-Fahrer tun gut daran, den Motor nicht mit zu viel Öl zu peinigen, also lieber mit einem Gemisch von 1:50 als mit fettem 1:33 fahren. Das reduziert auch die blaue Fahne am Auspuff. »Und nicht zu langsam und schonend, sondern auch mal an die Belastungsgrenze fahren«, rät Kenner Lars Leonhardt. 100.000 Kilometer Laufleistung und mehr sind so mit einem Wartburg 353 drin. Den Rekord soll mit 400.000 Kilometern ein Taxifahrer aus Halle/Saale halten.

Preis:

Nach der Wende wurden Wartburg 353 gegen eine Kiste Bier fast verschenkt. Diese Zeiten sind längst vorbei, selbst Restaurationsobjekte bekommt man heute selten unter 1500 Euro. Ordentliche Exemplare finden sich ab 4000 Euro. Frühe 353 aus den Sechzigerjahren im Originalzustand erzielen – wenn man sie überhaupt bekommt – auch fünfstellige Preise.

Anlaufstellen im Internet:

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Haiko Prengel

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