Öko-Energieträger Der weite Weg zum Wasserstoff

Ein Fahrzeug wird mit Wasserstoff betankt
Foto: Sebastian Gollnow/ dpaWasserstoff wird zum alltäglichen Energieträger – diese Vision hat Toyota bei der Präsentation der zweiten Generation des Brennstoffzellenfahrzeugs Mirai verbreitet. Bisher sind solche Pkw Exoten auf den Straßen, der japanische Autohersteller setzte weltweit gerade einmal 11.000 Stück ab. Nun sollen es zehnmal so viele werden – die damit der Technologie zum Durchbruch verhelfen.
»Die Menschen werden dieses Auto wegen seiner Leistung und seines Aussehens besitzen wollen, nicht weil es ein Brennstoffzellen-Fahrzeug ist«, erklärte zwar Yoshikazu Tanaka, der Chefingenieur des Mirai. Und doch verbinden sich gerade mit dem Energieträger immense Hoffnungen. Erzeugt aus Wasser und mithilfe von Strom aus erneuerbaren Energien ist Wasserstoff (H2) geeignet, zum Rückgrat einer klimafreundlichen Industrie zu werden.
Zumal Toyota mit seinen Ambitionen nicht allein ist. Mehrere Lkw-Hersteller setzen auf die Technologie. Siemens will künftig in Chile synthetische Kraftstoffe aus grünem Wasserstoff herstellen, ein Abnehmer ist unter anderem Porsche.
Doch Wasserstoff soll nicht nur im Straßenverkehr einen Umbruch bringen. Die Deutsche Bahn will ihn im Regionalverkehr als Dieselersatz erproben, Stahl-, Chemie- und Zementbranche wollen mit ihm CO2-Emissionen senken.
Ökostrom-Engpass droht
Damit dies jedoch gelingt, braucht Deutschland grünen Wasserstoff, der mithilfe erneuerbarer Energien aus Wasser gewonnen wird – und zwar in großen Mengen. Bisher wird Wasserstoff meist aus dem fossilen Brennstoff Erdgas produziert, womit dem Klima kaum geholfen ist.
Wie viel grüner Wasserstoff hierzulande genau benötigt wird und welche Risiken mit seiner Herstellung verbunden sind, hat nun das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in einem Dossier zusammengefasst.
Demnach liegt allein der deutsche Bedarf an synthetischen Brenn- und Kraftstoffen – die auf Wasserstoffbasis hergestellt werden – im Jahr 2050 bei 530 bis 910 Terawattstunden. Sie werden außer im Verkehr in der Industrie und für die Wärmeerzeugung gebraucht. Zum Vergleich: Der gesamte Endenergieverbrauch lag 2018 in Deutschland bei 2500 Terawattstunden, die Stromnachfrage bei 560 Terawattstunden.
Der Weltmarkt für grünen Wasserstoff und daraus hergestellte Syntheseprodukte wächst demnach ab 2030 auf 45 bis 102 Milliarden Euro. Das wäre jedoch nur ein Bruchteil der Ölmärkte, deren Größe bei heutigen Preisen bei etwa 2000 Milliarden Euro jährlich läge. Ab 2050 könnte der Markt jedoch auf bis zu 680 Milliarden Euro jährlich wachsen.
Die Spannbreite hängt mit der Frage zusammen, in wie vielen Branchen Wasserstoff letztlich als Energieträger eingesetzt wird.
Für grünen Wasserstoff wird es also durchaus einen Markt geben können. Fraglich ist jedoch, ob erneuerbare Energien in Deutschland ausreichen, um Strom für die allgemeine Versorgung und gleichzeitig genügend Wasserstoff herzustellen. 2019 wurden demnach in Deutschland 243 Terawattstunden erneuerbare Energie erzeugt. Dieser Wert lässt sich jedoch nicht beliebig steigern – Flächen für Windräder und Fotovoltaikanlagen sind endlich.
Wasserstoff-Importe sind unumgänglich
Faktoren wie Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung begrenzen das Ausbaupotenzial der Erneuerbaren hierzulande auf 700 bis 1100 Terawattstunden, kalkuliert das Fraunhofer-ISI. Das, folgern die Forscher, reiche vermutlich nicht aus, um den gesamten Strombedarf inklusive der Erzeugung von Wasserstoff zu decken.
Der Treibstoff der Zukunft müsste höchstwahrscheinlich also importiert werden. Zwar gibt es dem Dossier zufolge in den europäischen Nachbarstaaten deutlich mehr Potenzial zur Erzeugung erneuerbarer Energien – in anderen Regionen der Welt wäre das jedoch deutlich kostengünstiger, argumentieren die Forscher.
Diesen Weg geht Siemens mit seinem Wasserstoffprojekt in Chile. »Erneuerbare Energie wird nicht mehr nur dort produziert, wo sie gebraucht wird, sondern wo natürliche Ressourcen wie Wind und Sonne in großen Mengen vorhanden sind«, erklärte Siemens-Energy-Chef Christian Bruch den Standort des Projekts.
Produktion in Nordafrika deutlich billiger
Das ISI-Dossier rechnet für Länder mit günstigeren Bedingungen mit deutlich niedrigeren Stromkosten. Diese liegen demnach in Nordafrika unter drei Cent pro Kilowattstunde – und damit um mehr als die Hälfte niedriger als in Deutschland. Windräder und Solarzellen laufen in Marokko und benachbarten Ländern häufiger unter voller Last.
Trotzdem bleiben zwei Probleme. So ist in vielen dieser Regionen das nötige Wasser bereits heute knapp, man müsste also Meerwasser entsalzen, wozu wiederum viel Strom benötigt wird.
Auch deshalb rechnen die ISI-Forscher mit einem vergleichsweise hohen Preis für grünen Wasserstoff. Hergestellt aus Ökostrom, seien der Energieträger und seine Folgeprodukte noch zwei- bis dreimal so teuer wie Wasserstoff, der aus fossilen Energieträgern gewonnen wird.
Und die Technologie ist keine kurzfristige Lösung für die Klimaprobleme. Erst ab 2030 ist demnach mit nennenswerten Importmengen zu rechnen. Und selbst wenn synthetische Kraftstoffe in besonders günstigen Regionen hergestellt werden, bleiben sie demnach deutlich teurer, als es Benzin oder Diesel heute sind.
Wie viel ein Kilogramm grüner Wasserstoff am Ende genau kosten wird, ist den Forschern zufolge aber noch offen. Denn bisher befassen sich ökonomische Analysen fast nur mit den Kosten für Herstellung und Transport.
Daraus lassen sich jedoch keine Marktpreise ableiten, kritisiert das ISI-Dossier – vielmehr drohe die Gefahr, dass man die tatsächlichen Preise unterschätzt. Denn diese basieren nicht nur auf den Kosten, hinzu kommen beispielsweise noch Aufschläge für Steuern, Gewinne und Risiken. Um Marktpreise ableiten zu können, seien deshalb weitere Analysen nötig.