Zum Weltgipfel der Verkehrsminister Expertengremium spricht sich für umfassende Pkw-Maut aus

Verkehr in Oakland, Kalifornien: Mit »Weiter-so« bleiben die Emissionen unverändert hoch
Foto: Justin Sullivan / Getty ImagesUm das Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müssten im Verkehrssektor gravierende Maßnahmen ergriffen werden. Das geht aus einem Report des International Transport Forum (ITF), einem an die OECD angegliederten Thinktank mit 64 Mitgliedstaaten, hervor.
Ohne entschiedenes Handeln werde der Verkehrssektor weiter einen erheblichen Beitrag zu den CO2-Emissionen der Welt beitragen, heißt es darin: »Es wird immer dringender, den Zusammenhang zwischen Verkehrsaktivität und Emissionen zu durchbrechen.« Der Bericht erscheint pünktlich zum Weltgipfel der Verkehrsminister, der diese Woche in Leipzig stattfindet.
Der Report vergleicht zwei Szenarien: Ein »Weiter-so«-Szenario und eines mit ehrgeizigerer Politik. Das erste Szenario nimmt an, dass die Maßnahmen, die die nationalen Regierungen schon umsetzen, einfach weiterlaufen. Dazu gehören etwa Beschlüsse, die darauf zielen, Autos mit Verbrennungsmotor abzuschaffen. Bei diesem Szenario stagnierten die weltweiten Verkehrsemissionen weitgehend auf dem heutigen Stand von etwa 8 Gigatonnen CO2, statt, wie erhofft, zu sinken.
Der Grund: die enorm steigende Verkehrsnachfrage. Künftig wachsende Bevölkerungen und Volkswirtschaften verursachen erheblich mehr Güter- und Personenverkehr – sodass die bisherigen Bemühungen lediglich die Emissionen ausgleichen würden, die durch den Mehrverkehr hinzukommen.
Das zweite Szenario nimmt an, dass Regierungen weitgehendere Maßnahmen beschließen und auch schneller umsetzen: etwa, mehr Alternativen zum motorisierten Individualverkehr bereitzustellen und den ÖPNV auszubauen, mehr in Ladeinfrastruktur zu investieren und den Güterverkehr effizienter zu machen. Mit solch ambitionierter Politik wäre das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens demnach noch einzuhalten.
Interessant dabei ist, dass laut dem Report dafür nicht mal höhere Investitionen in Straßen, Schienen, Flughäfen und Häfen einhergingen als im Szenario mit bisherigen Annahmen. Tatsächlich läge der Investitionsbedarf sogar fünf Prozent niedriger – weil etwa das Geld gespart würde, das bei einem »Weiter-so« in neue Straßen investiert werden müsste, um den Mehrverkehr zu stemmen.
Diese Rechnung bezieht sich allerdings nur auf die staatlichen Investitionen in die Kerninfrastruktur, wie etwa den Straßenbau. Der Aufwand von Privatunternehmen für Ladeinfrastruktur oder Tankstellen ist darin nicht berücksichtigt.
Wo Deutschland noch nicht weit genug geht
Für dieses radikalere Vorgehen spricht das ITF einige Empfehlungen aus, etwa eine Steuerreform. Typischerweise sind Mineralölsteuern an den Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen gekoppelt. Bei zunehmend emissionsfreien Fahrzeugen fällt deswegen einerseits ein politischer Hebel weg, mit dem Menschen, etwa durch eine höhere Mineralölsteuer, zum Umstieg auf nachhaltige Mobilität motiviert werden könnten. Zum anderen hätte der Staat auch weniger Einnahmen zur Verfügung.
Um diese langfristig sicherzustellen, empfiehlt das ITF, stattdessen die Straßennutzung zu besteuern. Dies würde hierzulande einer fahrleistungsabhängigen Pkw-Maut entsprechen, für die sich auch der Thinktank Agora Verkehrswende ausspricht: »Wer mehr fährt und dadurch die Straßen mehr nutzt und der Allgemeinheit Kosten aufbürdet, der zahlt auch mehr.« In der Ausgestaltung sollte dabei zwischen Stadt und Land unterschieden werden. Doch spielt die Idee in der deutschen Debatte, seit dem gescheiterten CSU-Projekt, kaum mehr eine Rolle und ist auch im Koalitionsvertrag der Ampel nicht vereinbart.
Zudem sollten Staaten laut ITF ihre Infrastrukturplanung nicht mehr an der prognostizierten Nachfrage ausrichten, sondern an den eigenen politischen Zielen. So geschieht es zum Beispiel schon in Österreich .
Deutschland verfährt unter Verkehrsminister Volker Wissing andersherum. Kürzlich stellte er eine Prognose vor, derzufolge der Lkw-Verkehr bis Mitte des Jahrhunderts um 54 Prozent steigen werde. Für ihn ein Argument, schnell Autobahnen auszubauen.