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Hausmitteilung Springer, Tempolimit, Ankerkraut, Beltracchi

aus DER SPIEGEL 43/2021

Springer

Im Februar erfuhr Redakteur Martin U. Müller, dass das Medienhaus Axel Springer intern gegen den damaligen »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt ermittelte. Es ging um Affären mit jungen Mitarbeiterinnen und möglichen Machtmissbrauch. Gemeinsam mit Isabell Hülsen, Alexander Kühn und Anton Rainer ging Müller den Hinweisen nach, im März machten sie das Compliance-Verfahren öffentlich, das für Reichelt zunächst weitgehend folgenlos blieb. Das SPIEGEL-Team recherchierte weiter, parallel dazu auch das Investigativ-Team des Ippen-Verlags, das seine Recherche nach Einspruch von Verleger Dirk Ippen allerdings nicht veröffentlichen durfte. Hülsen nahm Kontakt zu Ippen-Investigativreporterin Juliane Löffler auf. Gemeinsam zeichnet das Team in der Titelgeschichte die Affäre nach, die Anfang dieser Woche im Rausschmiss Reichelts gipfelte – und doch noch nicht vorbei sein könnte, weil sie mehr mit dem Springer-Verlag selbst zu tun hat, als Vorstandschef Mathias Döpfner lieb sein kann. »Die Affäre ist nicht nur ein Fall Reichelt, sondern auch ein Fall Döpfner«, sagt Hülsen.

Zum Selbstbild der Deutschen gehört die Annahme, selbst dann noch als Vorbild für die Welt zu taugen, wenn man als globaler Geisterfahrer unterwegs ist. In Sachen Tempolimit auf Autobahnen ist das der Fall, und auch die kommende Ampelkoalition wird die »freie Fahrt für freie Bürger« nicht bremsen. Reporter Ullrich Fichtner und Fotograf Maurice Weiss haben dem deutschen Sonderweg eine ausführliche Recherche gewidmet und sind, nicht zuletzt, viel Auto gefahren. Im Selbstversuch fuhr Fichtner zwischen Berlin und Magdeburg mit einem Mietwagen einmal kurzzeitig mit 240 Stundenkilometern – und wurde selbst dann noch von anderen Autos überholt. »Schon Tempo 130 findet kaum jemand sonderlich schnell«, sagt Fichtner. »Und bei einem Tempolimit von 100 würde für viele Leute die Diktatur beginnen.«

Redakteur Simon Book lernte die Ankerkraut-Gründer Anne und Stefan Lemcke schon vor einigen Jahren kennen, als sie noch vollauf damit beschäftigt waren, ihr Gewürz-Start-up bekannt zu machen – ein Job, der ihren ganzen Einsatz forderte, zumal es nebenbei noch zwei kleine Kinder zu versorgen gab. Inzwischen verdient die Firma Millionen, ihre Gewürze stehen wie selbstverständlich in den Supermärkten. Die beiden Unternehmer sind darüber reich und bekannt geworden – und hadern dennoch mit ihrem Leben. Als Book das Gründer-Duo nun wiedertraf und sie über ein halbes Jahr begleitete, erlebte er zwei gereifte Menschen, »zweifelnder, fragender, auch skeptischer, wie es mit ihnen und ihrem Lebenswerk weitergehen soll«, sagt Book: »Manchmal wünschen sie sich nur noch, ihr Unternehmen los zu sein.«

Die Anbahnung des Interviews mit Helene Beltracchi verlief nach der Logik des Kunstmarkts: Die Frau des Kunstfälschers Wolfgang Beltracchi inszenierte sich und ihren Mann wie eine Rarität. Monatelang ließ Beltracchi SPIEGEL-Mitarbeiterin Katrin Wilkens im Unklaren darüber, ob sie zu einem Interview bereit sei. Schließlich jedoch reiste Wilkens ins schweizerische Luzern und traf auf ein äußerst redseliges Fälscherpaar. Nur auf eine Frage antworteten die Beltracchis nicht: Wo hängen noch gefälschte Werke von Ihnen? Von Schuldgefühlen ist bei beiden keine Spur. »Die Beltracchis bereuen nichts, aber sie sehnen sich nach einer endgültigen Anerkennung des Künstlers Wolfgang Beltracchi«, sagt Wilkens. Die jedoch verweigere der Kunstmarkt.

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