
Patrick Mariathasan für den SPIEGEL
Briefe
Kein Dramatisieren, kein Bagatellisieren
Heft 49/2021 Titel: Triage – Das grausame Dilemma der Ärzte
In der Theorie ist es eine klare Sache: Es darf grundsätzlich keine Rolle spielen, ob ein Patient oder eine Patientin nicht geimpft ist. Wie will man aber dann Angehörigen eines Tumorpatienten erklären, dass eine möglicherweise lebensrettende Operation nicht stattfinden kann, weil das Intensivbett von einem Coronapatienten belegt ist, der die Impfung verweigert und damit seinen Zustand selbst herbeigeführt hat?
Dr. Manfred Schmall, DarmstadtDiese Titelstory ist eine, die mich seit Langem mal wieder angesprochen hat und von der ich einiges lernen konnte. Kein Dramatisieren, aber auch kein Bagatellisieren. Sehr gut recherchiert. Was einen eigenen Titel wert wäre, sind die Kosten der Pandemie und welche Kosten Nichtgeimpfte verursachen. Ich hoffe, dass die verantwortlichen Politiker den Artikel auch lesen und mit ihrem Rumgeeiere bezüglich der »Freiheitseinschränkungen« für Ungeimpfte aufhören. Wir brauchen die Impfpflicht.
Günter Weber, Filderstadt (Bad.-Württ.)Jeder Mensch ist in der Lage, sich die Belastung für Mediziner vorzustellen, die Menschen, denen sie helfen könnten, sterben lassen müssen. Oder die Verzweiflung von Angehörigen, deren Liebsten nach einem Unfall, Infarkt oder Schlaganfall nicht rechtzeitig geholfen werden kann. Eigentlich. Denn genau dem verweigern sich die Impfgegner. Ich fürchte, Ihr Artikel wird bei dieser Klientel nichts ausrichten oder höchstens zynisch kommentiert. Dennoch ist er wichtig, obwohl er in meiner Welt offene Türen einrennt: Er hat mich derart aufgewühlt, dass ich ab jetzt noch weniger zurückhaltend reagieren werde, sollte ich wieder einmal mit Haltungen aus dem Spektrum der sogenannten Querdenker konfrontiert werden.
Sabine Steiner, BerlinDas ist ja noch lange nicht das Ende der Diskussionen. Wie groß wird in zwei Jahren die Enttäuschung sein, wenn wir Geimpften nicht wie die Fliegen tot vom Hocker gefallen sind? Aber auch dann wird es fadenscheinige Erklärungen geben, warum das nicht so ist. Im Grunde geht es nur ums Rechthaben. Mein Tipp an jeden Impfverweigerer: Nimm nicht alles so persönlich, niemand hat es auf Dich abgesehen.
Erich Breuer, Hagen im Bremischen (Nieders.)Wer gegen den eindringlichen Rat aller Fachkräfte das Impfen verweigert, sollte auch keinen »Anspruch« auf eine umfassende Versorgung haben, wenn er an Corona erkrankt. Dies umso weniger, wenn diese Behandlung zulasten derer geht, die dem Rat der Sachverständigen gefolgt sind und nach deren Urteil behandelt werden müssen.
Siegfried Bierwirth, Rheinbach (NRW)Wir müssen vor die Lage kommen! Das bedeutet, gezielt die Prioritäten setzen: Impfungen auch durch pensionierte Ärzte, Zahnärzte und Apotheker, um tatsächlich bis Weihnachten 30 Millionen Menschen zu impfen. Ausgeprägte Einschränkungen für Ungeimpfte einführen und nicht die dreifach Geimpften einschränken. Start mit Kinderimpfungen am Beispiel von Israel und USA. Die politische Kakofonie über die Impfpflicht bringt für die laufende vierte Welle nichts.
Dr. Wolfgang Adam, Rahden (NRW)Nach zwei Jahren Pandemie ist eigentlich alles gesagt und geschrieben. Vierte Welle hin oder her. Über 25 Seiten zum Thema Corona in der letzten Ausgabe. Ich begebe mich nun freiwillig in mindestens vierwöchige mediale Quarantäne. Keine Tageszeitung, keine Nachrichten und leider erst mal auch keinen SPIEGEL. Bitte geben Sie mir Zeichen, wenn eine der nächsten Ausgaben coronafrei ist. Ich kann nicht mehr.
Peter Meyer, Quickborn (Schl.-Hol.)
Weggeschickt vom Klemmbrettmann
Heft 48/2021 Homestory: Booster-Frust
Als Leser kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln! Der Staat entmündigt doch in solchen Situationen seine Bürger. Wie kann es sein, dass anständige Leute stundenlang in der Kälte anstehen müssen – umsonst?
Michael Bräuer, Kürnbach (Bad.-Württ.)Nichts, was ich hinzufügen könnte. Höchstens bestätigen. Im zweiten Jahr der Pandemie immer noch nichts dazugelernt. Ich habe es einfach satt! Bei meiner Politikverdrossenheit steht der Zeiger nicht auf fünf vor Zwölf, sondern auf Viertel vor Eins. Vielleicht sollte ich auf Altbewährtes setzen – auf Gottvertrauen.
Beatrice Raabe, RostockAuch ich war wie die Autorin davon ausgegangen, dass die Botschaft von Politik und Wissenschaft lautet: »Impft alles, was bei drei nicht auf den Bäumen ist.« Daher war ich am 15.11.2021 beim mobilen Impfzentrum im Kreishaus in Siegburg. Die Lage dort war tiefenentspannt, etwa fünf wartende Personen vor mir. Nach bereits 15 Minuten kam auch der Klemmbrettmann auf mich zu, las mein Zweitimpfungsdatum (02.06.2021) und schickte mich wieder als Impfunwürdigen mit dem Hinweis nach Hause, ich könne mich am 06.12.2021 erneut in die Reihe stellen. Unglaublich, aber so geht Impfung in Notlagezeiten in Deutschland.
Diethard Raub, Königswinter (NRW)
Ich als Impfärztin gebe ich zu bedenken, dass das Boostern aller seit Januar mühevoll Geimpften innerhalb eines Monats nicht machbar ist – weder personell noch mit der bestehenden Infrastruktur. Das ist schlichte Mathematik.
Dr. Irene Manger, Meran (Italien)Der Bericht von Christina Pohl über den Versuch, sich boostern zu lassen, spricht Bände. Es ist kläglich gescheitert. Das Beispiel zeigt, dass unsere politisch Verantwortlichen es nicht einmal mehr auf die Reihe bekommen, eine Impfkampagne zu organisieren. Es geht bei uns zu wie in einer Bananenrepublik. Nix mehr mit »Organisationsweltmeister Deutschland«.
Frank Wunderlich, Nöbdenitz (Thür.)
Ohne Einschränkungen keine Verkehrswende
Heft 48/2021 Kann die Bahn das Flugzeug ersetzen?
Ist das Ziel der Zeitmaximierung eines, das gar nicht mehr hinterfragt werden darf? Werden diese schnellen Züge nicht vor allem von der gehobenen Mittelschicht benutzt – der öffentliche Nahverkehr für die Masse der PendlerInnen liegt aber fast überall noch im Argen? Werden dann tatsächlich weniger Autos fahren, und kann man Flächen, die bisher dem Auto dienten, renaturieren? Natur ist inzwischen ein rares Gut. Wir brauchen Windräder und Platz für Fotovoltaik, vollkommen klar. Dass wir, die wir auf dem Land leben, Angst bekommen, dass unsere Lebensräume geopfert werden, muss man aber auch verstehen. Deswegen gefällt mir der – Entschuldigung – arrogante Unterton des Artikels nicht.
Katja Wunderwald, Kutzenhausen (Bayern)
Die Diskussion um eine Verkehrswende wird durch das Credo dominiert: Wir müssen die Alternativen zum Auto oder Flugzeug verbessern. Aber eine schnellere Bahn reduziert den Flugverkehr nur auf der Kurzstrecke und stärkt die Mittel- und Langstreckenflüge. An den vier Flughäfen entlang der Ende 2017 eröffneten Ausbaustrecke Berlin-München sind die innerdeutschen Flüge zwar im Jahr 2018 etwas zurückgegangen, die internationalen Flüge aber besonders stark gestiegen. Ohne Einschränkungen geht Verkehrswende nicht.
Prof. Dr.-Ing. Christian Holz-Rau, Leiter des Fachgebiets Verkehrswesen und Verkehrsplanung der TU DortmundDiese Formulierung scheint mir doch sehr überheblich: »Ausgerechnet Italien ist da viel weiter.« Wieso »ausgerechnet« Italien? Ist diese Arroganz gegenüber anderen Ländern nötig?
Marianne Theis, Hesperange (Luxemburg)
Heft 48/2021 Die Gegendarstellung: Fridays for Terror
Eine Krise ist etwas Vorübergehendes. Die Wissenschaft ist sich einig: Der Klima wandel wird nicht vorübergehen. Mit den aktuellen Zusagen geht es in Richtung Katastrophe. Egal ob wir das wahrhaben wollen oder nicht.
Angela Müller, Niederstetten (Bad.-Württ.)
Heft 48/2021 SPIEGEL-Gespräch mit Foodwatch-Chef Thilo Bode über den frustrierenden Kampf der NGOs
Der Ex-Foodwatch- und Greenpeace-Chef Thilo Bode kann auf große Verdienste zurückblicken. Aber ein Depri-Interview eines alten verbitterten Kämpfers tausche ich gern gegen drei naiv-proaktive Aussagen von Luisa Neubauer.
Thomas Künzer, Wetzlar (Hessen)
Heft 48/2021 Wie die deutsche Politik bei der Impfpflicht umfällt
Nach zwei Jahren Pandemie scheint wieder alles auf Anfang zu stehen. Es ist wie ein Déjà-vu, als ob man alles schon einmal genau so erlebt hat.
Rüdiger Lüttge, Altlandsberg (Brandenb.)
Lobbyismus gegen das Grundeinkommen
Heft 48/2021 Experimente: Ein Teilnehmer eines Pilotprojektes erzählt, wie es ist, monatlich 1200 Euro geschenkt zu bekommen
Das Projekt »bedingungsloses Grundeinkommen« ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen mit weniger als 1200 Euro monatlich verfügbarem Einkommen. In der im Artikel dargestellten Form ist es kein Grundeinkommen, sondern ein »bedingungsloses Zusatzeinkommen« – also praktisch nur ein Lotteriegewinn. In dieser Form ist das Projekt für die Diskussion um die Grundsicherung der Menschen überflüssig. So beantwortet es nur die Frage: Was mache ich, wenn ich 1200 Euro zusätzlich erhalte?
Werner Szybalski, Münster
Dieses von Ihnen gewählte Beispiel führt das diskussionswürdige Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens wirklich ad absurdum. Wäre ich Spender, würde ich meine Bereitschaft sofort zurückziehen, denn es kann doch nicht der Sinn sein, die Ägyptenreise und die Spekulationen mit Kryptowährungen eines gut gestellten Doppelverdiener-Paares zu finanzieren. Sinnvoll fände ich es für Empfänger:innen von Arbeitslosengeld II, die mit dieser Hilfe vielleicht eine eigene nachhaltige Existenz aufbauen könnten und aus der Nachweispflicht gegenüber dem Jobcenter befreit wären.
Jürgen Lenski, Eichstedt (Sachs.-Anh.)Die Studie zum bedingungslosen Grundeinkommen hat den Anspruch, eine »empirisch basierte Debatte anzustoßen« und nicht »nur auf bestimmte Zielgruppen fokussiert« zu sein. Es werden aber nur junge Menschen mit mittlerem Einkommen ausgewählt, die allein leben oder sich mit einer Person bei getrennter Kasse eine Wohnung teilen. Das ist keine »verallgemeinerbare wissenschaftliche Untersuchung«, das ist Lobbyismus gegen das Grundeinkommen! Denn die Daten zu den gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf genau die Zielgruppen, die eine existenzielle Absicherung benötigen, werden bewusst nicht erhoben. Nicht betroffene Bürger, die in den nächsten Jahren wiederholt lesen, dass sich junge »Alleinstehende« durch ein bedingungsloses Grundeinkommen mehr Konsum und größere Wohnungen leisten können, werden sich dagegen aussprechen, und Politiker können bequem auf die Ergebnisse dieser »Studie« warten und das Thema weiter aussitzen.
Ute Beese, Bottrop (NRW)
Totalversagen der Gesellschaft
Heft 48/2021 Gesundheit: Eine junge Frau kämpft gegen ihr extremes Übergewicht
Es ist schlimm, dass man sich erst noch auf ein genehmigungsfähiges Gewicht bringen muss, um die lebensrettende Operation zu bekommen. Adipositas ist eine Krankheit und kein persönliches Versagen. Als Betroffener kann ich nach gelungener OP und Abnahme bei mir selbst sagen, dass es trotz des Eingriffs ein harter Weg ist bis zum normalen Gewicht. Meine besten Wünsche für Frau Choika.
Stefan Leonhardt, Frankfurt am Main
Ich gratuliere der Autorin zum spannend geschriebenen Tagebuch. Ich habe gelernt, dass es mit »Friss die Hälfte« und Fitnessstudio bei Weitem nicht getan ist. Vielleicht kann man dieses Maß an Empathie und Abstand nur dann aufbauen, wenn man das Schicksal der Kämpferin teilen muss oder dem grassierenden Schlankheitswahn nachläuft. Ich jedenfalls habe die Absicht, den Betroffenen weniger vorzuwerfen, sie aber auch nicht zu bemitleiden.
Dr. Klaus Swieczkowski, Hildburghausen (Thür.)Ich freue mich, dass die Protagonistin es geschafft hat und zusätzlich eine Therapie macht, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Adipositas ist eine Sucht, die einen kaputt machen kann, und kein persönliches Unvermögen. Ich wünsche weiterhin viel Glück.
Maya Stillmann, Berlin
Wenn eine junge Frau einen Body-Mass-Index von 50 erreicht, dann zeigt das ein Totalversagen von Hausärzten, Fachärzten, Familie, Freunden und der Gesellschaft. Immer noch viel zu oft wird der Eskalation dieser chronischen und unheilbaren Erkrankung achselzuckend mit den Worten »Fettgefressen, selbst schuld« begegnet.
Tim Werner, Frankfurt am Main
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