
Patrick Mariathasan für den SPIEGEL
Briefe
Die verschlossene Ex-Kanzlerin
Heft 48/2022 »Ich bin noch auf der Suche«
Kenntnisreich und einfühlsam, was Alexander Osang nach einem Jahr Exil über die denkende, allerdings auch verschlossene Ex-Kanzlerin zu berichten weiß. Und was sie nicht sagt, das weiß Osang und berichtet darüber. Chapeau! Von der Krisenmanagerin zur Krisenverursacherin? Dieses heutige populistische Zerrbild wird zurechtgerückt. Nun sollten wir alle gespannt sein, welchen Schmetterling das Duo Merkel–Baumann nach der Verpuppung fliegen lässt.
Harald Neuschäfer, Feldkirchen-Westerham (Bayern)Ich muss mein Bild von der ersten Bundeskanzlerin revidieren: Sie war sicherlich nicht bestechlich, aber die Menge an Personal, das sie nach ihrer Amtszeit weiterhin beschäftigt, hat mit Bescheidenheit wenig zu tun.
Karin Unkrig, MünchenBei Alexander Osang fehlt ein wenig die gebotene journalistische Distanz gegenüber der Altbundeskanzlerin. Merkel konnte vor allem Sympathiepunkte durch ihr unprätentiöses Auftreten sammeln. Das unterschied sie wohltuend von ihrem Vorgänger. Doch den Atomausstieg mit Fukushima zu begründen und das Thema wegzuwischen, sollte ihr nicht durchgehen, weil es einer Physikerin unwürdig ist. Und beim Flüchtlingsdebakel stellte sie die Moral über nationale und europäische Interessen. Wofür sie vor allem im Ausland verehrt wird, das ungeschoren davonkam.
Christoph Schönberger, AachenDer Artikel über Angela Merkel ist klasse. Mehr Aufklärung über ihre Kanzlerschaft und die aktuelle Realpolitik kann man nicht bekommen. Danke.
Dieter Thom, Michelstadt (Hessen)Mit ihrem Erbe muss leider nicht nur Merkel selbst, sondern das gesamte Land ringen. Ihr Erbe ist desaströs. Das Land ist sicherheitspolitisch weitgehend wehrlos und wirtschaftspolitisch von Autokratien abhängig. Man fragt sich, wozu sie mit üppiger Ausstattung nach dem Amt noch Zeit braucht, dieses Desaster zu reflektieren. Die Bürger brauchen diese Zeit nicht. Laut einer repräsentativen aktuellen Umfrage wollen 71 Prozent sie nicht im Amt zurückhaben.
Dr. Helmut Eschweiler, BerlinDie Titelgeschichte ist eine Hommage an das neue Leben von Angela Merkel. Der Autor beschreibt ihre Lebensumstände und Gefühlslagen akribisch. Die Ex-Kanzlerin wird ikonenhaft zur Heldin, gar zur Königin stilisiert. Ich dachte eigentlich, dass die Monarchie in Deutschland mit dem Abgang des letzten Kaisers beerdigt wurde.
Günter Knop, Hüttenberg (Hessen)Herzlichen Glückwunsch zu diesem Titelbild. Einen Hinweis auf das Foto mit Helmut Kohl, das ihn in der gleichen Situation zeigt, hätte ich mir noch gewünscht.
Stefan Kugler, Markkleeberg (Sachsen)Als ich das Titelbild sah, war mein erster Gedanke: Welch überflüssige Story. Wen interessiert es bei all unseren aktuellen Problemen, wonach Angela Merkel sucht? Es sei denn, sie würde bei der Suche nach einem alternativen, ideologisch unbesetzten Energielieferanten mithelfen. Diese Abbildung einer selbstgefällig dreinschauenden Dame, verbunden mit ihrer uninteressanten Mitteilung, ist allerdings vor dem Hintergrund ihrer historischen Fehlleistungen eine wunderbare Steilvorlage für jeden Satiriker.
Hildtraut Schröder, AugsburgMerkels Lieblingsjournalist Alexander Osang (»Meine Kanzlerin wird sie sowieso immer bleiben«) hat nicht geliefert! Ein Jahr lang in der Nähe dieser einst mächtigsten Frau, und herausgekommen sind nur Befindlichkeiten. Ja, Merkel lässt sich wieder blicken; aber sie hat keinen Erklärungsbedarf, keine selbstkritische Reflexion, kein rechthaberisches Beharren, nichts – von Russland ganz zu schweigen. Es ging bei Merkel um eine Politik, in der nicht immer die Bürger im Mittelpunkt standen, sondern die Interessen der Banken, der Industrie und vor allem der eigene Machterhalt.
Gerlinde Weingärtner, MünchenEs ist mir völlig unverständlich, warum man Frau Dr. Merkel, die es bisher nicht für nötig gehalten hat, Verantwortung für falsches und fehlerhaftes politisches Handeln zu übernehmen, auch noch mit einer Titelgeschichte ehrt. Es wird wirklich höchste Zeit, über Amtszeitbeschränkungen von Politikern nicht nur zu reden, sondern sie auch zu beschließen. Solange Politiker an ihren Sesseln kleben, braucht man sich über selbstklebende Umweltaktivisten nicht aufzuregen.
Klaus Demuth, Telgte (NRW)Von dem Porträt mit erstaunlicher Nähe zur Altbundeskanzlerin habe ich mir einen selbstkritischeren Rückblick auf 16 Jahre Amtszeit erhofft. Schließlich ist es ein Stück Zukunftsorientierung, wenn man sich fragt (oder man zu fragen traut), welche Entscheidungen im Nachhinein falsch waren. Fazit: eher nüscht. Deutschland ist in unsicheren Zeiten und braucht Vertrauen in die Politik, das heißt, mehr Mut zur Klarheit.
Achim Ragsch, Bochum
Auf einer Seite alles gesagt
Heft 47/2022 Leitartikel: Der moderne Fußball ist kaputt
Der Leitartikel von Lothar Gorris trifft den Nagel auf den Kopf. Wer wie ich (66) miterlebt hat, wie der Vater von der Weltmeisterschaft 1954 schwärmte, zu der er mit dem Fahrrad in ein 20 Kilometer entferntes Wirtshaus strampeln musste, weil dort der einzige Fernseher weit und breit stand, den kann das heutige Gebaren um das Event nur noch anekeln. Für mich begann die Glaubwürdigkeit der »elf Brüder« zu bröckeln, als sich das Idol Franz Beckenbauer nach der WM 1974 nach Amerika verkaufte. Von da an wurde immer klarer, dass es nicht mehr um Lokalpatriotismus, Mannschaftszusammenhalt und Vereinstreue ging, sondern nur noch ums Geld. Die Diskussionen um Katar etwa bezüglich der dortigen Menschenrechtslage sind für mich daher nicht die Punkte, die im Vordergrund stehen, sondern die scheinheilige Empörung der beteiligten Medien. Man weiß, dass die Fifa zum hoch korrupten Konstrukt für gewissenlose Profiteure verkommen ist, und doch versteht man sie als »Vertragspartner«. Spätestens nach den Blatter-Skandalen hätte es sich gehört, dass man dieser Mafia die dunkelrote Karte zeigt. Keine Übertragungen mehr, bis unabhängige Institutionen sichergestellt hätten, dass es bei der Vergabe von Welt- und Europameisterschaften mit rechten Dingen zugegangen ist und die Orte der Austragungen Länder mit demokratischen Mindeststandards sind.
Peter Trauden, Heilbach (Rhld.-Pf.)Mit diesem Text, eine Seite, ist zur WM in Katar alles gesagt. Genial! Da kann man sich die Lektüre über sechs Seiten anderer Leitmedien schenken. Der Satz »Wer das Wesen der Welt verstehen will, muss den Wegen des Geldes folgen«, gehört in die Hall of Fame der Zitate.
Walter Podszun, Brilon (NRW)Katar hat eine riesige Chance verpasst! Wenn das Emirat beim gigantischen Aufbau der Stadien und bei allem anderen, was mit der Fußball-WM 2022 zusammenhängt, die Gastarbeiter, die mitgeholfen haben, diesen Prunk aufzubauen, ordentlich bezahlt und behandelt hätte, dann würden sie in ihren Heimatländern noch jahrzehntelang davon erzählen, dass sie dabei gewesen sind und sich durch das dort verdiente Geld ihre Verhältnisse verbessert haben. Leider ist es schlimmer gekommen, als man es sich vorstellen kann. In Erinnerung bleiben die vielen toten Menschen und das Leid und der Schmerz ihrer Familien. Das Menschliche bleibt in Katar auf der Strecke, und die Chance ist vertan, durch diese Fußball-WM Achtung und Ansehen in der Welt zu erlangen.
Herta Kühn, Breitscheidt (Rhld.-Pf.)Sie schreiben, dass in Katar nur 10 Prozent der Bevölkerung einen katarischen Pass besitzen. Korrekterweise müssten Sie den Satz wie folgt ergänzen: »… und von den restlichen 90 Prozent besitzt ein nicht ermittelbarer Prozentsatz überhaupt keinen Pass, da dieser von der Person oder dem Unternehmen, bei dem die Person arbeitet, einbehalten wird, damit sie das Land nicht legal verlassen kann«.
Axel Goos, Bischofsheim (Hessen)
Zwei Seelen in einer Brust
Heft 47/2022 Sagen, was gut ist
Gerne mehr von guten Nachrichten! Ich denke, der Bedarf danach ist groß. Und es reduziert vielleicht die zu vielen frustrierten, wütenden Pessimisten.
Claus Keller, Haßloch (Rhld.-Pf.)Endlich ein SPIEGEL-Sonntag mit einem positiven Artikel. Danke, Herr Neubacher! Die zweite große Freude in dieser Ausgabe waren die Leserbriefe zu einem unfassbar überheblichen Leitartikel, den ebenfalls Herr Neubacher geschrieben hat. Zwei Seelen in einer Brust – leider.
Monika Kast, Brauweiler (NRW)Es ist für mich ein fundamentales Defizit des Journalismus, dass im Grundsatz nur das Negative eine Nachricht ist. Damit wird in der Gesellschaft ein zu negatives Bild der Welt erzeugt. Warum sind Ihnen die von Ihrem Autor genannten positiven Schlagzeilen der Woche nicht große Artikel wert? Warum gibt es Ihre frühere Seite mit einer positiven Story nicht mehr?
Friedhelm Hillebrand, BonnNach meinem Dafürhalten dient Alexander Neubachers Kolumne einzig und allein dem Zweck, Haare in der linksliberalen Suppe zu finden. Würde er seinen eigenen Beitrag ernst nehmen, müsste er sich ab sofort darauf beschränken, uns mitzuteilen, dass die Suppe gut ist, was ja nicht selten der Wahrheit entspricht.
Uwe Tünnermann, Lemgo (NRW)Irgendwann ist man das Negativgetöse leid, zumal es ja aus vielen verschiedenen Lautsprechern dröhnt und jeder noch etwas draufpackt. Es gibt punktuell genug Menschen in unserer Mitte, ob Lehrer, Polizeikräfte, Erzieherinnen, städtische Bedienstete und jede Menge Ehrenamtliche bis hin zu den wohltuenden Mittagstischen und Tafelläden, die täglich ihr Bestes tun, um die doch leider vorhandenen Löcher in unserem Sozialnetz stopfen zu helfen, und ohne deren Mitarbeit solche Leistungen gar nicht vorstellbar wären. Und das ganz ohne Wumms. Also bitte mehr Artikel oder gar eine feste Rubrik in Ihrem Blatt über die Guten dieses Staates.
Rudolf Kaltenbach, Baden-Baden
Der Schmerz der Angehörigen
Heft 47/2022 Eine Frau will freiverantwortlich ihr Leben beenden
Ich finde es gut, dass es Angebote wie das der Dignitas gibt. Ich weiß, wovon ich rede: Seit 1991 bin ich dort Mitglied. Das qualvolle und hilflose Sterben meiner Mutter und meines Ehemanns ist für mich selbst keine Option. Ich bin sehr krank, mein neuer Partner trägt mich. Aber anstatt mir auf dem Schwarzmarkt eine Pistole zu beschaffen oder durch meinen Freitod andere Menschen zu schädigen, machen wir zusammen eine schöne Reise in die Schweiz. Geld spielt dann sowieso keine Rolle mehr.
Barbara Schulze, Brühl (NRW)Vor sechs Wochen ist meine Schwiegermutter in den Tod gesprungen. Sie war 79 Jahre alt und im Wortsinn lebensmüde. Aufgrund von Krankheit, Schmerzen und vielerlei Gebrechen erschien ihr das Leben zunehmend als nicht mehr lebenswert. Statt Verfall war ein selbstbestimmter Tod ihr letzter Wunsch. Doch kein Arzt wollte und konnte sie unterstützen. Obwohl sie Mitglied bei der Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas war, schreckte sie vor den bürokratischen Hürden, den hohen Kosten zurück. Der Versuch, genug Opiumpflaster zu sammeln, scheiterte genauso wie das Unterfangen, im Frankfurter Bahnhofsviertel eine tödliche Dosis Heroin zu kaufen oder im Internet ein Sterbehilfemedikament zu bestellen. Letztendlich brachte eine Freundin meine Schwiegermutter zu einer Talbrücke, wo die alte Dame dann übers Geländer kletterte und sich fallen ließ. Ist das ein würdiger Tod für einen alten Menschen, der sein Recht auf ein frei verantwortliches Ende nicht anders umsetzen konnte? Friedlich zu Hause einzuschlafen war ihr nicht vergönnt. Das schmerzt uns Angehörige besonders.
Name und Wohnort sind der Redaktion bekannt
Die Kinder vom Paulinenplatz
Heft 47/2022 Wie Jugendliche aus der Ukraine versuchen, in Hamburg heimisch zu werden
Die Kinder vom Paulinenplatz treffen Warhols Enkel, die bürgerliche Gesellschaft muss sich selbst behaupten, und jetzt geht’s im Moralbomber nach Katar. Das ist der beste SPIEGEL, den ich bisher gelesen habe, und ich lese ihn seit 58 Jahren.
Dr. Andreas Danyliuk, Potsdam
Wechsel in den Staatsdienst?
Heft 47/2022 In der Krise begeistert sich die Generation Z für die Beamtenlaufbahn
Wann immer im SPIEGEL ein Artikel über die umfangreichen Privilegien der Beamtinnen und Beamten erscheint, bin ich nach dem Lesen immer nur noch überrascht, warum die ganze Redaktion nicht längst in den Staatsdienst gewechselt hat.
Kurt Lingl, Nürnberg
Ohne Auto ungeeignet?
Heft 47/2022 Grünenpolitikerin Hamburg stößt als VW-Aufsichtsrätin auf Vorbehalte
Julia Hamburg ist stellvertretende Ministerpräsidentin sowie Kultusministerin. Nur weil sie keine Juristin oder Ingenieurin ist und kein Auto besitzt, soll sie für den VW-Aufsichtsrat ungeeignet sein? Wäre sie ein »alter Mann«, würde sich diese Frage überhaupt nicht stellen.
Björn Uhlhorn, Laatzen (Nieders.)
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