

Berliner Museum für Naturkunde Wie man Insekten digitalisiert
Das Museum für Naturkunde Berlin birgt einen Schatz. Archiviert in Hunderten Sammlungsschränken mit zahllosen Schubladen, gefüllt mit Abermillionen Tieren – toten natürlich. Gefangen, getrocknet, beschriftet und in Schaukästen sortiert. Allein die Insektensammlung des Museums zählt 15 Millionen Exemplare, zum Teil 200 Jahre alt.
Bisher war der Zugang zu diesem gigantischen Natur-Erbe Forschenden vorbehalten. Sie können beim Museum Anfragen stellen und sich die Tiere, die sie untersuchen wollen, per Post zuschicken lassen. Für andere Menschen blieb nur der Ausstellungsbesuch, um einen Teil der Sammlung bestaunen zu können.
Das ändert sich jetzt. Das Naturkundemuseum digitalisiert seine Sammlung. Der Schatz wird gehoben. Wer immer sich für Tiere interessiert, kann künftig mithilfe einer frei zugänglichen Online-Datenbank Bilder und Informationen einholen. Die Digitalisierung ist sehr aufwendig und dauert Jahre – klar, bei der Menge an Sammlungsstücken.

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Für die Insekten braucht man eine Spezialkamera. Wer schon mal versucht hat, ein Bild von einer klitzekleinen Sache zu machen, weiß, das ist schwierig. Selbst mit einer guten Handykamera wird es immer irgendwo unscharf.
An eine Aufnahme, mit der man wissenschaftlich arbeiten kann, werden besonders hohe Ansprüche gestellt: Sie muss gut ausgeleuchtet und superscharf sein, sie soll kleinste Details abbilden. Fühler und Beinchen muss man auf dem Foto erkennen können, jedes Flügelsegment und auch die Farbenpracht eines schimmernden Panzers.
Die Kamera, die im Naturkundemuseum Berlin für die Insekten verwendet wird, macht gleich mehrere Fotos je Tier. Sie steht in einer Halle und ist mit einem Laufband verbunden. An fünf Stationen sitzen Mitarbeitende und bereiten die Insekten fürs Fotoshooting vor.
Jedes einzelne.

Aus dem Schubkasten in die Online-Datenbank
Stefano Cattarin ist gerade bei Insekt Nummer 1126 für heute. Mit einer Pinzette nimmt er eine winzige Biene, die auf einer Nadel steckt, aus einer Schublade und pinnt sie auf einen sogenannten Transportschlitten. Ebenso sorgsam platziert Cattarin die minikleinen Etiketten, die mit der Biene auf der Nadel stecken. Einen genauso winzigen Zettel mit einem QR-Code legt er ebenfalls dazu. Fertig!
Jetzt rattert der Transportschlitten auf Rollen zum Laufband und reiht sich vor dem Kameratunnel ein. Einen Augenblick später blitzt es hell auf. Die Spezialkamera lichtet die Biene mehrmals ab, 30 Bilder macht sie pro Sekunde. Die Fotos werden zu einer hochaufgelösten Aufnahme zusammengesetzt.
Auch die klitzekleinen Etiketten, die zu der Biene gehören, fotografiert die Kamera. »Die sind aus wissenschaftlicher Sicht der eigentliche Schatz«, sagt Frederik Berger. Er ist Wissenschaftler am Museum für Naturkunde. »Ohne sie ist das hier bloß ein aufgespießtes Insekt«, sagt Berger. »Dank der Etiketten weiß ich, dass es sich um ein adultes Exemplar der Apis mellifera aus Berlin handelt« – also einer erwachsenen Honigbiene.
Der Schlüssel zum Schatz ist der kleine QR-Code, den Stefano Cattarin vorhin zu der Biene gelegt hat. Mittels des Codes werden die Tierchen in den Sammlungskästen mit den Infos und den Fotoaufnahmen in der Online-Datenbank verknüpft.

[M] Shutterstock (1) / Getty Images (3)
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Das Laufband bringt die Biene zurück zu Cattarin, der sie exakt wieder dort einsortiert, wo er sie entnommen hat. Eine Laser-Markierung hilft ihm, die Übersicht zu bewahren. Das Team an den Stationen schafft etwa 2500 Insekten pro Tag. »Wir wollen die Digitalisierung optimieren und hoffen, dass wir auf bis zu 5000 Tiere am Tag kommen«, sagt Berger. Auch dann wird es noch etwa sechs Jahre dauern, bis die Digitalisierung der bereits vorhandenen Sammlung fertig ist. Und diese Sammlung wächst nebenbei immer weiter an ...
So ein riesiger Aufwand, damit sich künftig jedermann Fotos seiner Lieblings-Ameisenart online anschauen kann? Und überhaupt, was soll das ganze Ordnen der Tierwelt? Wozu ist es beispielsweise wichtig, wie viele Ameisen-Arten es gibt? Darauf weiß die Wissenschaftlerin Bonnie Blaimer eine Antwort. Sie ist auf Insekten-Systematik spezialisiert.
Blaimer erklärt: »Hier in Berlin werden zum Beispiel fast 200.000 sogenannte Typus-Exemplare aufbewahrt. Sie helfen uns, die Evolution zu verstehen, also die Entwicklungsgeschichte aller Lebewesen auf dem Planeten. Wir Menschen können die Vielfalt und Schönheit der Tierwelt nur begreifen, wenn wir uns zuerst einen Überblick verschaffen, was es bereits gibt. Nur mit diesem Wissen sind wir in der Lage, Veränderungen wahrzunehmen. Wie sich Arten anpassen, weiterentwickeln oder ob ihr Fortbestand bedroht ist.«
Das macht die Systematik der Tierwelt sehr wichtig für den Artenschutz. Wenn zum Beispiel darüber entschieden wird, warum welches Stück Wald bewahrt werden soll, prüfen Wissenschaftler vorher, welche Arten dort überhaupt leben – und dazu zählen die großen Vögel in den Bäumen genauso wie die kleinsten Würmer im Boden. Blaimer sagt: »Man kann nur schützen, wenn man weiß, was da ist.«
Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 2/2023.

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