Mareike Burg spielt im Trainingsraum ihres E-Sport-Teams
Mareike Burg spielt im Trainingsraum ihres E-Sport-Teams
Foto: Maria Feck / Dein SPIEGEL

»League of Legends«-Profi Wie es eine E-Sportlerin in die oberste deutsche Liga schaffte

Mareike Burg spielt professionell »League of Legends«, eines der bekanntesten Games der Welt. Als erste Frau tritt sie in der Prime League an. »Dein SPIEGEL« hat sie im Gaminghaus ihres Teams besucht.
Von Pelle Kohrs

Der Magier pirscht sich an ein Waldstück heran. Er trägt einen schwarzen Mantel und hat weißes Haar. Plötzlich taucht ein Bogenschütze zwischen den Bäumen auf und feuert einen Pfeil ab. Der Mann im Mantel macht einen Schritt zur Seite – das Geschoss fliegt haarscharf an ihm vorbei. Er hebt seine linke Hand und schleudert rote Blitze aus seinen Fingerspitzen – Treffer! Der Bogenschütze ist verletzt und zieht sich in den Wald zurück.

Dass der dunkle Magier Swain diesen Kampf gewonnen hat, ist Mareike Burg zu verdanken. Sie spielt gerade »League of Legends« und steuert den Magier mit Maus und Tastatur. Das macht sie nicht nur aus Spaß, sondern das ist auch ihr Beruf. Mareike ist E-Sportlerin – sie verdient mit dem Zocken ihr Geld. »Ich habe schon als Kind viel am Gameboy gespielt«, erzählt Mareike. »Mit ›League of Legends‹ habe ich vor etwa zehn Jahren angefangen.«

In dem beliebten PC-Spiel stehen sich zwei Teams mit jeweils fünf Personen auf einem Schlachtfeld gegenüber. Ziel ist es, das gegnerische Hauptgebäude zu zerstören. Wie das Spiel genau funktioniert, könnt ihr in dem Kasten weiter unten nachlesen. »›League of Legends‹ ist ein sehr taktisches und sehr schnelles Spiel«, erklärt Mareike. »Wer einen Fehler macht, wird sofort bestraft.«

Mareike merkte während ihres Studiums, dass sie in »League of Legends« richtig gut ist. Sie spielte damals erfolgreich in Amateurligen mit. »Das war aber nur ein Hobby«, sagt sie. Heute ist das anders: Mareike ist Profi. Im Netz ist sie unter ihrem Gamernamen Sayna bekannt. Sie steht bei den Unicorns of Love unter Vertrag, einem E-Sport-Team aus Hamburg. Es spielt in der höchsten deutschen »League of Legends«-Spielklasse mit, der Prime League. Die ist vergleichbar mit der Ersten Bundesliga im Fußball. Die Spiele in der Prime League werden online ausgetragen und via Livestream von bis zu 60.000 Zuschauenden angesehen.

Dein SPIEGEL: Warum Freundschaften so wichtig sind
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Dein SPIEGEL

Es gibt Freundschaften, die so innig sind, dass sie Jahrzehnte überdauern oder sogar ein ganzes Leben lang anhalten. Normal ist das aber nicht: Laut Forschenden findet nach rund sieben Jahren jede zweite Freundschaft ihr Ende. In der Titelgeschichte von »Dein SPIEGEL«, dem Nachrichten-Magazin für Kinder, geht es darum, was wahre Freundschaft ausmacht und wie sie sich auch in schwierigen Zeiten erhalten lässt. Das Magazin gibt es am Kiosk, ausgewählte Artikel online. Erwachsene können das Heft auch hier kaufen:

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Seit Dezember ist Mareike bei den Unicorns of Love dabei. Übersetzt bedeutet der Name ihres Teams »Einhörner der Liebe«. Und so wie sich das anhört, sieht es im Hauptquartier der Unicorns auch aus: Ob Wände, Trikots, Stühle oder sogar einige Lampen – vieles hier ist knallpink. Mareike stört das nicht. Zum Glück, denn während der Saison verbringt sie hier einen Großteil ihres Alltags. »Wir sind nicht nur zum Trainieren hier, sondern wohnen hier auch.« Mareike und ihre Teammitglieder haben jeweils ein eigenes Zimmer mit Bad. Tagsüber finden sie sich in einem großen Gamingraum zusammen.

Bis zu sieben Stunden »League of Legends« spielt Mareike jeden Tag. »Mir macht das Spaß, aber es ist anstrengend, sich so lange konzentrieren zu müssen.« Und auch sonst sei das Leben als E-Sportlerin nicht so entspannt, wie sich das viele Leute vorstellen. Mareike und ihr Team befolgen zum Beispiel einen strengen Stundenplan und haben nur einen Tag in der Woche frei. »Das kann ganz schön stressig sein«, sagt Mareike. Als E-Sportlerin sei es daher wichtig, sich gesund zu ernähren, genug zu schlafen und als Ausgleich auch körperlichen Sport zu machen. »Ich trinke zum Beispiel nur Wasser und spiele Handball, wenn ich Zeit dazu habe.«

Ein Tag als E-Sportlerin

11 Uhr aufstehen: Für Mareike und ihre Teammitglieder beginnt der Tag. Sie schreiben sich in einer WhatsApp-Gruppe, um sicherzugehen, dass alle wach sind.

12 Uhr Team-Meeting: Die Unicorns schauen sich mit ihrem Trainer ihre letzten Ligaspiele an. Was lief schon gut? Was könnten sie nächstes Mal noch besser machen?

13 Uhr Mittagspause: Die Zentrale der Unicorns liegt in einem ehemaligen Hotel, dort gibt es eine Kantine. Manchmal bestellt das Team aber auch Pizza.

14 Uhr Testspiele: Die Unicorns messen sich online mit anderen Profi-Mannschaften. Allerdings nur zum Training. Die Ligaspiele finden meist donnerstags und freitags statt.

20 Uhr Abschlussbesprechung: Am Ende des Tages stimmt sich das Team erneut mit seinem Trainer ab. Auch hier geht es darum, sich weiter zu verbessern.

21 Uhr Freizeit: Jetzt ist Zeit für Sport, Freunde, Familie oder eben noch mehr »League of Legends«. Um diese Uhrzeit spielt aber meistens jeder für sich.

2 Uhr zu Bett gehen: Mareike ist jetzt wieder in ihrem Zimmer. Zum Einschlafen schaut sie sich meist noch einen Film oder eine Serie an.

Mareike ist bei den Unicorns of Love Ersatzspielerin und hat es schon mehrfach in die Startaufstellung geschafft. »Eigentlich sind Ersatzspieler im E-Sport nicht so wichtig wie in anderen Sportarten«, erklärt sie. »Denn beim Computerspielen verletzt sich normalerweise niemand oder muss vor Erschöpfung ausgewechselt werden.« Dass Mareike trotzdem regelmäßig spielen darf, verdankt sie neben ihrem Können auch ihrem Trainer. »Er hat mich ins Team geholt und sorgt dafür, dass ich in der Liga meine Einsätze bekomme.«

So wie im Februar, als Mareike zum ersten Mal in der Prime League mitgespielt hat. »Am Abend davor war ich sehr aufgeregt. Es haben unglaublich viele Leute über mich gesprochen.« Die Unicorns hatten einige Stunden zuvor über Twitter veröffentlicht, dass Mareike die nächste Partie bestreiten würde. Nach wenigen Stunden hatten den Post 300.000 Menschen gesehen. »Ich bekam so viele Nachrichten, dass ich mein Handy weglegen musste, um mich auf das Match konzentrieren zu können.« Am Ende ging die Partie gegen das E-Sport-Team von Eintracht Frankfurt verloren. An Mareike lag es jedoch nicht, sie hatte gut gespielt.

So wird »League of Legends« gespielt
Foto: Riot Games

Zu Beginn einer Partie »League of Legends« wählt jeder Mitspielende einen Charakter aus, mit dem er oder sie das Spiel bestreiten will: den Champion. 160 von ihnen stehen zur Auswahl. Sie alle haben individuelle Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Manche Champions sind zum Beispiel dazu da, viel Schaden an den gegnerischen Figuren anzurichten. Andere können Verbündete heilen oder sie vor Schaden beschützen. Um den Nexus des Gegners zu zerstören, müssen sich die Teams genau absprechen: Sollen wir gerade einen Kampf eingehen? Welche Fähigkeiten stehen uns dafür zur Verfügung? Was hat das gegnerische Team vor? Die Profis sind per Headset miteinander verbunden, um solche Fragen zu klären. Während der etwa 30 Minuten langen Partien reden sie permanent miteinander. Teamwork ist in »League of Legends« enorm wichtig. Und gleichzeitig kommt es auf die Fähigkeiten jedes Einzelnen an. Wer Profi werden will, muss zum Beispiel genau zielen können, hervorragende Reflexe haben und in der Lage sein, blitzschnell Entscheidungen zu treffen.

Dass sich so viele Menschen für Mareikes Debüt interessierten, kommt auch daher, dass sie die erste Frau ist, die es als Spielerin in die Prime League geschafft hat. Ansonsten spielen dort nur Männer mit, obwohl rund die Hälfte aller videospielenden Menschen in Deutschland weiblich sind. »Im E-Sport sind generell nur wenige Frauen dabei«, sagt Mareike. Damit sich das ändert, gibt es zum Beispiel die Telekom-Initiative »Equal eSports«. Sie setzt sich für mehr Gleichberechtigung ein und hat auch Mareike durch Training und Beratung auf ihrem Weg gefördert. Mareike ist sich sicher, dass eigentlich noch viel mehr Spielerinnen auf Profiniveau mithalten könnten, wenn sie so eine Unterstützung bekämen. »Aber selbst dann haben die meisten Teams nicht den Mut dazu, ihnen eine Chance zu geben.« Manche hätten Angst vor den Reaktionen der Fans. »Leider finden es nämlich immer noch viele Menschen blöd, wenn Frauen in den oberen Ligen mitspielen.«

Mareike hofft, dass sich das in Zukunft ändert. Sie selbst hat inzwischen bewiesen, dass E-Sportlerinnen ganz oben mithalten können. Rund zwei Wochen nach der Niederlage gegen Eintracht Frankfurt ist Mareike erneut für die Unicorns of Love in der Prime League angetreten – und feierte nach einer spannenden Partie ihren ersten Sieg als Profi.

Dieser Artikel erschien in »Dein SPIEGEL« 06/2023.

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