

Entstehung eines Insekten-Modells »Behaarte Tiere sind brutal viel Arbeit«
Dein SPIEGEL: Sie bauen naturwissenschaftliche Modelle von kleinen Lebewesen, die man oft übersieht: Eintagsfliegen, Schnecken, Milben und vielen mehr. Was fasziniert Sie so an Insekten, Würmern und Weichtieren?
Leitl: Sie sind unendlich vielfältig, und jedes Tier ist wunderschön. Alle Lebewesen, die auf der Welt existieren, sind faszinierend. Je genauer man eines betrachtet, desto spannender wird es.

Ist der echt? Bei diesem hübschen Falter handelt es sich um das Modell eines Hauhechel-Bläulings
Foto: Klaus LeitlDein SPIEGEL: Mochten Sie als Kind schon Insekten und Getier?
Leitl: Als Kind habe ich nicht besonders auf Insekten geachtet, wie wahrscheinlich viele Menschen. Erst als ich später als Grafiker und Gestalter gearbeitet habe, begann ich, Modelle zu erstellen. Anfangs von Fabelwesen, später nach echten Vorlagen.

Das Insekten-Modell, das hier so schön schimmert, zeigt einen Rosenkäfer
Foto: Klaus LeitlDein SPIEGEL: Heute bilden Sie die Natur exakt nach, Ihre Werke sind in vielen Ausstellungen auf der ganzen Welt zu finden. Wenn ein Museum anruft und sagt, es hätte gern ein Modell eines bestimmten Käfers: Wie gehen Sie dann vor?
Leitl: Das Museum schickt mir Fotos und wenn möglich ein Präparat von einem echten Tier. Das Präparat sehe ich mir genau unter einem Binokular-Mikroskop an. Das ist ein Mikroskop mit zwei Okularen – das sind Linsen –, in die man hineinschauen kann. So sehe ich winzigste Details.
Dein SPIEGEL: Und worauf achten Sie?
Leitl: Auf jede Einzelheit des Körpers, die Struktur der Beine und die Krümmung des Rückens. Wie ist das Auge geformt? Wie sehen die Beine aus? Viele Details kann man auf Fotos nur schwer erkennen, deswegen ist es hilfreich, ein echtes Tier zu studieren. Dann fertige ich Zeichnungen an und erstelle am Computer ein 3D-Modell.
Dein SPIEGEL: Woher wissen Sie, ob das Bein eines Insekts nicht vielleicht nur bei dem einen Tier, das Sie vor sich haben, krumm ist?
Leitl: Das Computer-Modell schicke ich zu Experten in ihrem Bereich. Sie sagen mir, was falsch ist, und ich ändere das. Das geht so lange hin und her, bis alles perfekt ist. Ich modelliere das Tier zunächst in einer T-Pose – das ist so, als würde ein Mensch mit ausgebreiteten Armen stillstehen. Allerdings sitzen die Tiere in der Natur nicht steif herum. Alle haben eine bestimmte Art, sich zum Beispiel auf einem Ast auszuruhen. Deswegen gebe ich ihnen noch eine natürliche Pose, bevor ich den Druck starte.

So entsteht ein Insekten-Modell
Dein SPIEGEL: Wie läuft ein 3D-Druck ab?
Leitl: Nach meiner Vorlage wird das Modell in feinen Schichten auf eine Platte aufgetragen. Die Schichten sind meist weniger als einen Millimeter dünn. Ein dreidimensionaler Gegenstand entsteht. So werden alle Teile, vom Kopf bis zum Hinterleib, gedruckt, sie werden von Stützen gehalten. Die Teile sind wegen der hohen Materialkosten hohl.
Dein SPIEGEL: Aus welchem Material bestehen die gedruckten Teile?
Leitl: Aus Fotopolymeren, das sind Kunststoffe, die aushärten, wenn sie mit Licht bestrahlt werden. Wenn die Teile aus dem Drucker kommen, müssen sie noch mit UV-Licht und bei 60 Grad Celsius nachgehärtet werden, um die optimale Festigkeit zu bekommen. Dann klebe ich das Tier zusammen und verschleife den Körper, sodass keine Übergänge mehr zu sehen sind. Ein Primer sorgt dafür, dass die Farbe auf dem Kunststoff gut hält. Mit einer Airbrush-Pistole wird dann das Modell mit Farbe besprüht.

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Dein SPIEGEL: Wie kriegen Sie es hin, genau die Farben des echten Lebewesens nachzubilden?
Leitl: Ich mische jede Farbe an und achte darauf, dass sie den richtigen Farbton hat: Es gibt zum Beispiel Käfer, die Farben brauchen, die im Licht metallisch schimmern. Libellenflügel sind eine besondere Herausforderung. Sie sind eigentlich durchsichtig, haben jedoch eine ganz leichte Tönung. Um sie nachzubilden, verwende ich Farben, die das Sonnenlicht reflektieren.
Dein SPIEGEL: Woraus bestehen die Borsten oder das Fell? Da die Modelle größer als das Tier sind, können Sie ja keine Insektenhaare verwenden.
Leitl: Ich habe unterschiedliche Tierhaare vom Damhirsch bis zur Wildsau vorrätig. Für die Frühlings-Wegwespe verwende ich jedoch künstliche Wimpern, solche, die sich auch Menschen an die Augen kleben. Die Wimpern gibt es in verschiedenen Krümmungen. Bei diesem Schritt muss ich ganz genau arbeiten: Ich bohre für jedes Haar ein Loch mit einem feinen Bohrer in das Modell und klebe jedes Härchen einzeln an. Die Löchlein müssen außerdem in die richtige Richtung gebohrt sein, damit die Haare auch in die richtige Richtung zeigen. Behaarte Tiere wie Bienen sind deswegen brutal viel Arbeit. Allein für einen Kopf brauche ich bis zu sechs Stunden.

[M] Shutterstock (1) / Getty Images (3)
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Dein SPIEGEL: Ist Ihnen schon mal was schiefgegangen?
Leitl: Die Füße von Gliederfüßern – sie heißen Tarsen – sind sehr anfällig für Fehler. An ihnen befinden sich winzig kleine Krallen, die sehr leicht abbrechen. Dann kann man sie nicht mehr verwenden, muss sie neu ausdrucken und wieder ankleben und bemalen.
Dein SPIEGEL: Welches Tier fanden Sie am schwierigsten?
Leitl: Quallen sind kompliziert. Ihre Körper sind meistens transparent. Sie haben einen komplizierten Körperbau, und man kann die Innereien durchscheinen sehen.
Dein SPIEGEL: Wie kommt das Modell ins Museum, wenn es fertig ist?
Leitl: Damit es heil ankommt, muss ich es penibel einpacken. Schließlich rumpelt ein Lkw mit einem Paket stundenlang über Straßen. Das ist gefährlich für alle frei schwebenden Teile wie Flügel oder Beine, sie würden abbrechen. Ich muss also für jedes Füßchen eine Stütze bauen. Wenn ich die Frühlingswespe, an der ich gerade arbeite, fertig habe, brauche ich mindestens noch mal drei Stunden, um sie sicher zu verpacken.
Dieses Interview erschien in »Dein SPIEGEL« 4/2023.

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